Walt Disney: Elemental

Peter Sohn schrieb und inszenierte zuvor für Pixar den gelungenen Kurzfilm Teilweise wolkig, sowie das weniger überzeugende abendfüllende Werk Arlo & Spot. Er wuchs als Sohn koreanischer Einwanderer in New York auf und konnte in Elemental allerlei eigene Erfahrungen einbringen. Speziell in den ersten Minuten des Films wird sehr empathisch dargestellt, was es bedeutet in einer fremden Kultur ein neues Leben zu beginnen.

Die Eltern der kleinen Ember Lumen sind gezwungen ihre Heimat zu verlassen und versuchen in Elemental City einen Neustart. Dort haben sich bereits Vertreter der Elemente Wasser, Erde und Luft angesiedelt. Als erste Feuerwesen fällt es die Lumens nicht eben leicht, ihren Platz in der schillernden Metropole zu finden. Doch mit viel Eigeninitiative gelingt es ihnen einen Gemischtwarenladen zu eröffnen, der den bezeichnenden Namen Fireplace trägt und zum Zentrum einer rasch wachsenden Feuer-Gemeinde wird.

Die kleine Ember hofft darauf, eines Tages das Geschäft ihres Vaters zu übernehmen. Doch plötzlich taucht Wade Ripple auf, und der für die Stadtverwaltung tätige Inspektor muss feststellen, dass die Wasserleitungen undicht sind. Daher ordnet der Wassermann an, dass der Laden geschlossen werden muss. Ember versucht alles um dies rückgängig zu machen. Die zu Wutausbrüchen neigende Feuerfrau stellt dabei zu ihrem eigenen Entsetzen fest, dass sie den zu Tränenausbrüchen neigenden Wade sehr sympathisch findet und sich für ihn erwärmt…

Der 27. Langfilm aus dem Hause Pixar überzeugt als amüsante Love Story ebenso wie als fantasievoll in Szene gesetztes Sozialdrama mit Schwerpunkt Fremdenfeindlichkeit. Nach einem etwas holperigen Kinostart in den USA fand der Film doch noch sein Publikum und es ist sehr erfreulich, dass Disney weiterhin Filme als interessant ausgestatteten Heimkino-Editionen veröffentlicht.

Die Blu-ray von Disney enthält neben dem 101-minütigen Hauptfilm dieses Bonusmaterial: Audiokommentar von Regisseur Peter Sohn, sowie den Animatoren Sanjay Bakshi, Mike Venturini und Gwendelyn Enderoglu (wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln), den Kurzfilm „Carls Date“ mit Figuren aus “Oben“(7:49 min), die Dokus “Ember und Wade“ (10:14 min) und “Next Stop: Elemental City“ (10:13 min), sowie die Storybboards zu drei nicht verwendeten Szenen (10:43 min)

Heiner Lünstedt

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Frank Miller: Daredevil Collection

„Von Zeit zu Zeit schlägt ein neuer großartiger Zeichner bei Marvel wie eine Bombe ein. Wir versprechen hoch und heilig, dass Frank Miller so ein Zeichner ist.“ Dies meinten 1979 einige Marvel-Kreativkräfte wie Chefredakteur Jim Shouter oder Inker Klaus Janson.

Platziert wurde dieses Statement in eine schreiend gelbe Blase auf der ersten Seite von Heft 158 der laufenden Serie Daredevil – The Man Without Fear! in dem Miller gezwungen war, die eher konventionelle Geschichte von Roger McKenzie über den blinden Anwalt Matt Murdock alias Daredevil in eher konventionellen Zeichnungen umzusetzen.

Kurz zuvor zeichnete Frank Miller nach Texten von Denny O’Neil zwei Heften der Serie Spectacular Spider-Man mit einem Gastauftritt von Daredevil. Ab Ausgabe 158 von Daredevil – The Man Without Fear! wurde er zum regulären Zeichner einer Comicreihe, die auf dem absteigenden Ast war. Das änderte sich rasch, besonders als Miller im Heft 168 zum alleinigen Texter der Serie wurde.

Dies geschah mit einem Paukenschlag, denn Miller ließ die von ihm geschaffene noch heute populäre Auftragskillerin Elektra debütieren. Doch damit nicht genug, als er im Heft 181 (Vorsicht Spoiler!) die einstige Jugendliebe von Matt Murdock brutal ermorden ließ, war dies für Marvel-Fans ein ähnlicher traumatischer Comicmoment, wie acht Jahre zuvor der Tod von Peter Parkers Freundin Gwen Stacy.

Frank Miller schuf jene 42 großartig in Szene gesetzten Comichefte, die Panini in diesem übergroßen Buch präsentiert, nicht im Alleingang. Ihn zur Seite stand mit dem 1952 in Coburg geborenen Klaus Janson, ein Daredevil-Fan der ersten Stunde, der die Serie bereits seit 1975 getuscht hatte.

Ein in diesem Band enthaltenes Interview mit Miller und Jansen, das während ihrer Zusammenarbeit bei Daredevil geführt wurde, dokumentiert, dass sich das Duo ohne viele Worte verstand. Einige Abbildungen zeigen, wie stark Millers Zeichnungen durch Jansons Inking und Farbvorgaben gewonnen haben. Dies war auch bei Millers danach entstandenen Batman-Klassiker The Dark Knight Returns der Fall.

Das Kino und Netflix bedienten sich gerne bei Millers Daredevil-Run. Comicgrößen wie Kevin Smith oder Brian Michael Bendis ließen sich davon inspirieren. Doch auch Miller kehrte gemeinsam mit großartigen Künstlern wie David Mazzucchelli, Bill Sienkiewicz, John Romita Jr. oder seiner Ex-Gattin Lynn Varley zu Daredevil zurück. Es gibt also genug Stoff für einen weiteren Prachtband.

Heiner Lünstedt

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Der Tod von Spirou

Nach dem 55. Band Der Zorn des Marsupilamis ist seit 2016 ist in Frankobelgien kein weiteres Album der regulären Spirou-Serie erschienen. Dennoch wurden in den letzten Jahren zahlreiche Comics aus der Welt des Pagen veröffentlicht, die sich teilweise auf erstaunlich hohem Niveau auch mit der Zeitgeschichte beschäftigen.

Neben Jose Luis Munueras Geschichten über den tölpelhaften Schurken Zyklotrop als alleinerziehenden Vater, gab es Abenteuer mit dem jungen Grafen Rummelsdorf und Émile Bravo vollendete sein 350-seitiges zur Zeit des Zweiten Weltkriegs spielendes Epos Spirou oder die Hoffnung. Außerdem brachten Künstler wie Hanko Kolk, Frank Pé, Charel Cambré oder auch Flix ihre eigenen Versionen von Spirou zu Papier.

Daher war es auch nur bedingt eine große Neuigkeit als zum 100. Jubiläum des Verlagshauses Dupuis endlich ein neuer, zum offiziellen Kanon gehörender Spirou-Comic erschien. Auch die Wahl des Zeichners war bei Der Tod von Spirou keine wirkliche Überraschung, denn Olivier Schwartz setzte mit Operation Fledermaus und Die Leopardenfrau bereits zwei Comics außerhalb der regulären Serie in Szene.

Das Autorenteam Sophie Guerrive und Benjamin Abitan dachte sich für Schwartz eine Geschichte aus, die Spirou und Fantasio Abenteuer in der Unterwasserstadt Korallion erleben lässt, die André Franquin 1958 am Ende seiner Geschichte Tiefenrausch kurz zeigte.

Der eher im klassischen Stil eines Yves Chaland arbeitende Olivier Schwartz muss in Der Tod von Spirou recht viel moderne technische Geräte wie IPhones oder Tablets zeichnen, doch er kann seinen Sinn für das Klassische durch ein sehr schönen Backcover zum Ausdruck bringen, das zugleich eine Hommage an Hergés kultige Rückseite der Tim-und-Struppi-Alben ist.

Der Titel Der Tod von Spirou ist natürlich Programm, doch ich muss leider zugeben, dass ich dem nächsten vom selben Team in Szene gesetzten (Auferstehungs-) Album La nostalgie du futur weniger entgegenfiebere als der ebenfalls demnächst anstehenden Geschichte Spirou et la Gorgone bleue bei der sich der großartige Dany (Oliver & Columbine, Interesse? ) in die lange Liste der Pagen-Zeichner einreiht.

Heiner Lünstedt

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Das Verschwinden des Josef Mengele

Basierend auf seinem Sachbuch Die Heimkehr der Unerwünschten schrieb Olivier Guez zusammen mit dem Regisseur Lars Kraume das Drehbuch zu Der Staat gegen Fritz Bauer. Die Titelfigur des Films ist der ein Frankfurter Staatsanwalt, der maßgeblich an der Ergreifung des NS-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann beteiligt war und auch weltweit nach Josef Mengele fahndete.

Olivier Guez überraschte, als er 2018 ein Buch über Mengele in Romanform verfasste und die Geschichte aus der Sicht jenes Unmenschen erzählte, der Lagerarzt im KZ Auschwitz war. Mengele selektierte Insassen wie Zwillinge oder kleinwüchsige Menschen und quälte diese durch pseudowissenschaftlichen Experimente.

Guez konzentrieret sich in seinem Buch auf die Zeit zwischen 1948 und 1978, in der es Mengele gelang, sich in Argentinien, Paraguay und Brasilien zu verstecken. Es schaffte es sogar 1956 sogar von der deutsche Botschaft in Buenos Aires – dort war sein Name im Telefonbuch zu finden – einen deutschen Pass zu erhalten und in seine alte Heimat zu besuchen.

Matz alias Alexis Nolent schrieb seine erfolgreiche Comicserie Der Killer, die aktuell von David Fincher verfilmt wurde, aus der Perspektive eines Kriminellen und macht dadurch die Leserinnen und Leser zu dessen Komplizen. Von daher verwunderte es nicht, dass Matz Interesse daran hatte, den Roman von Guez als Comic zu adaptieren.

Vom Resultat war Olivier Guez begeistert und er schrieb im Vorwort zum Comic: “Diese Graphic Novel in den Händen zu halten ist für mich ein großes Glück, ja sogar eine riesige Ehre. Sie erweckt den Roman fünf Jahre nach seinem Erscheinen mit Glanz und Gloria zu neuem Leben.“

Zwar beeindrucken die Bilder von Jörg Maillet (Gleisdreieck: Berlin 1981) etwas weniger als die eleganten Kompositionen von Luc Jacamon bei Der Killer . Doch Maillets nervöser, suchender Strich passt vielleicht sogar noch etwas besser zum Thema. Dem Comic gelingt es, das beträchtliche Geschick Mengeles bei seiner ständigen Flucht so darzustellen, dass ihn wohl niemand dafür bewundern wird.

Matz bietet immer wieder Einblicke in die finstere Gedankenwelt der weiterhin auf seine Mitmenschen herabblickenden Hauptfigur und vermittelt durch Rückblenden, was für ein unvorstellbarer Sadist der Lagerarzt Josef Mengele war. Ebenso unfassbar ist, wie wenig Interesse die dafür eigentlich zuständigen Stellen der jungen Bundesrepublik daran hatten, NS-Verbrechern den Prozess zu machen.

Heiner Lünstedt

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Fritz Lang: Die Comic-Biografie

In Frankreich ist eine Comic-Biografie zu Alfred Hitchcock von Noël Simsolo und Dominique Hé erschienen, die bei uns der Splitter Verlag herausgebracht hat. Das Leben des Suspense-Meisters wurde in zwei seperaten Alben mit den Titeln Der Mann aus London und Der Herr von Hollywood erzählt.

Etwas Ähnliches wäre auch bei Fritz Lang denkbar, denn nachdem dieser Deutschland verlassen hatte, drehte er beachtliche Hollywood-Filme, wie Ministerium der Angst, Rache für Jesse James, Gefährliche Begegnung oder den Anti-Nazi-Thriller Auch Henker sterben.

Doch der Autor Arnaud Delalande und der Zeichner Éric Liberge, die bereits bei Der Fall Alan Turing (Bahoe Books) zusammenarbeiteten, beenden ihre Lang-Biografie mit jenem dramatischen dargestellten Moment, in dem der erfolgreiche Regisseur Europa in Richtung USA verlässt (sein vorheriges kurzes Gastspiel in Frankreich, wo er noch einen Film drehte, findet keine Erwähnung).

Der 110-seitige Comic konzentriert darauf, die Entstehung von Langs ganz großen Klassikern Der müde Tod, Dr. Mabuse, der Spieler, Die Nibelungen, Metropolis, M und Das Testament des Dr. Mabuse mit einer ebenso faktenreich geschilderten Darstellung des Aufstiegs Adolf Hitlers zu verknüpfen. Als Bindeglied dient die Beziehung von Fritz Lang zu seiner Drehbuchautorin Thea von Harbour, die in Nazi-Deutschland blieb und dort für Goebbels UFA arbeitete.

Plastisch koloriert in gedämpften Farben präsentiert Liberge faszinierende, teilweise ganzseitige Kollagen mit Schlüsselszenen aus Langs Stummfilmklassikern. Vor dem Hintergrund der untergehenden Weimarer Republik formt Delalande aus Details von den Dreharbeiten und intimen Momenten aus Langs bewegtem Leben, wie dem seltsamen Tod seiner ersten Ehefrau, ein überwältigendes Gesamtkunstwerk.

Heiner Lünstedt

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Der Killer

Bevor David Finchers The Killer mit Michael Fassbender in die Kinos kommt und dann bei Netflix online geht, soll noch darauf hingewiesen werden, dass der Film auf einer bemerkenswerten Comicserie basiert. Der Autor von Der Killer ist Matz (Alexis Nolent), dessen Comic Blei im Schädel bereits von Walter Hill als Shootout – Keine Gnade mit Sylvester Stallone und Jason Momoa verfilmt wurde.

Die aus vierzehn Alben bestehende Comicserie Der Killer startete 2013. Die Hauptfigur bleibt namenlos, heißt die Leserinnen und Leser jedoch ganz herzlich in seiner Gedankenwelt willkommen. Recht schnell hat er uns davon überzeugt, dass er als Auftragskiller den besten Job der Welt hat. Nur sehr gelegentlich krümmt er mal einen Finger, ansonsten liegt er auf der Lauer oder ruht sich vom letzten Job aus.

Dank der faszinierenden Zeichnungen von Luc Jacamon ist es schwer faszinierend dem Killer beim Denken und Töten zuzusehen. Der Killer meidet Kontakt zu seinen Mitmenschen, doch irgendwie bleibt nach und nach bei ihm doch eine kleine Ersatzfamilie hängen, bestehend aus seiner (ebenfalls namenslosen) venezolanischen Freunden, dem charismatischen Drogendealer Mariano und dem desillusionierten Polizisten Antoine. Zu seinem eigenen Entsetzen stellt der Killer fest, dass ihm diese Menschen alles andere als gleichgültig sind…

Bei Schreiber & Leser sind drei schön aufgemachte Hardcoverbände mit dem kompletten Killer erschienen. Neben Lesebändchen ist auch interessantes Bonusmaterial enthalten. Die Serie ist großartiges Lesefutter, das auch Manga- und Kinofreunde ansprechen dürfte. Der Killer lädt zum Binge-Reading ein, das allerding manchmal etwas abgebremst wird durch die zum Verweilen einladenden großartigen Bilder von Jacamon.

Ebenfalls bei Schreiber & Leser erschienen ist die Fortsetzungsserie Der Killer – Secret Agenda, bei dem die Hauptfigur “nicht ganz im gegenseitigen Einvernehmen“ für den französischen Auslandsgeheimdienst tätig ist.

Heiner Lünstedt

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Disney 100 Jahre Comics

Am 16. Oktober 1923 gründeten Walt und Roy Disney das Disney Brothers Cartoon Studio. Sie begannen mit Filmen der Reihe Alice in Cartoonland, in der sie ein reales kleines Mädchen zusammen mit Zeichentrickfiguren auftreten ließen.  Zur Feier von “100 Jahre Disney“ bringt Egmont einige Sonderbände mit Comics heraus.

Dazu gehört ein leicht überformatiges “Lustiges Taschenbuch“, das Comics enthält, die auf klassischen Disney-Kurzfilmen basieren. Doch die Kurzfilme wurden nicht adaptiert, sondern dienten als Inspiration für Science-Fiction- oder Fantasy-Geschichten.

Auch ein zum Firmenjubiläum erschienener großformatiger Hardcoverband ist etwas seltsam konzipiert. Auf 368 Seiten – knapp 180 sind deutsche Erstveröffentlichungen – wird “100 Jahre Disney Comics“ gefeiert, doch die älteste der 28 enthaltenen Geschichten stammt nicht aus dem Jahre 1923. Minnie Helps erschien 1930 im britischen Mickey Mouse Annual I.

Unter dem Titel Kampf gegen die Viehdiebe folgt auf vierzehn eng mit jeweils sechs Streifen bedruckten Seiten ein Western-Comic mit Micky und Goofy. Dieser entstand 1933 und stammt von Floyd Gottfredson. Nach einem ganz kurzen Gastspiel als Trickfilmzeichner bei Disney übernahm Gottfredson bis 1975 (!) das Zeichnen der täglichen Micky-Maus-Comicstrips.

Das dicke Buch enthält außerdem gut ausgewählte Geschichten von Carl Barks, Romano Scarpa, Don Rosa, Daan Jippes, Freddy Milton, William Van Horn, Tony Strobl, Arid Midthun, Kari Korhonen oder Silvia Ziche. Sehr schön ist auch Harvey Eisenbergs erstmals komplett veröffentlichte 38-seitige Comicadaption des Disney-Cartoons Mickey and the Beanstalk, der 1947 als Bestandteil des Kinofilms Fröhlich, frei und Spaß dabei (Fun and Fancy Free) entstanden ist.

Eines meiner persönlichen Highlights ist eine realistisch von Carlo Mancello gezeichnete Biografie von Walt Disney, die 1979 in Frankreich zum 50. Jubiläum von Le Journal de Mickey erschienen ist. Auf acht Seiten wird hier Disneys Jugend und die Entstehungsgeschichte der während einer Eisenbahnfahrt erfundenen Micky Maus erzählt.

Auch in der vom italienischen Maestro Giorgio Cavazzano (Micky Maltese) gezeichneten Geschichte Destino ist Walt Disney als Comicfigur zu sehen. Hier geht es um die chaotische Entstehungsgeschichte des gleichnamigen Disney-Trickfilms, der 1945 von Salvador Dali konzipiert wurde. Die Zusammenarbeit mit dem Surrealisten und Disney funktionierte seinerzeit nicht und erst 2003 entstand auf der Grundlage von Dalis Entwürfen ein animierter Kurzfilm.

Obwohl eine Silhouette von Donald das Cover des Buchs ziert und es den Untertitel “Das Beste aus Entenhausen“ trägt, sind nicht nur Comics mit der Familie Duck enthalten. Auch der aus dem Film Die drei Caballeros bekannte brasilianische Papagei José Carioca, Supergoof, Phantomias, Daniel Düsentrieb, sowie die Schurken Kater Karlo und Ede Wolf haben ihre mehr oder weniger großem Auftritte.

Insgesamt gelang Fabian Gross, der auch die interessanten Begleittexte verfasste, mit diesem exklusiv für Egmont zusammengestellten Werk eine sehr abwechslungsreiche Comic-Collection. Das schön aufgemachte Buch ist das ideale Geschenk für alle Freunde von Disney-Comics und –Filmen.

Heiner Lünstedt

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Joann Sfar: Die Synagoge

Eine schwere Corona-Erkrankung zwang Joann Sfar (Blueberry: Das Trauma der Apachen, Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte) zu einem wochenlangen Krankenhausaufenthalt. Während etliche Patienten in den Nachbarzimmern starben, arbeitete der knapp 50-jährige Sfar an einem autobiografischen Comic. Wie bereits in seiner Erfolgsserie Die Katze des Rabbiners ist sein kompliziertes Verhältnis zum jüdischen Glauben das Leitmotiv.

Die Geschichte beginnt mit dem 17-jährigen Sfar, der sich in seiner Heimatstadt einem Wachdienst anschlossen hatte, der sich nach etlichen Terroranschlägen auf Synagogen formiert hatte. Für Sfar ging es jedoch nicht hauptsächlich darum, seine Gemeinde zu schützen. Anstatt die von ihm als langweilig empfundenen Gottesdienste abzusitzen, stand er lieber bei Wind und Wetter vor der Synagoge, denn als Beschützer der Betenden war er vor dem Zorn Gottes und vor allen vor dem seines Vater sicher.

Die zentrale Figur im Comics (und Leben) von Sfar ist sein Vater André. Bevor dieser nach Frankreich kam, verteidigte er in Algerien als junger Anwalt Araber gegen die Willkür der Kolonialmacht. Der junge Joann Sfar erlebte seinen Vater, der in Nizza eine erfolgreiche Kanzlei betrieb, als “sehr zionistisch und pro Palästina“. Dies änderte sich “ab dem Moment, als die Palästinenser beschlossen haben, alle Juden seien schuld an dem, was im Nahen Osten passiert“, selbst wenn sie “keine andere Meinung haben als irgendein beliebiger Bürger.“

Fortan widmet der Anwalt sein Leben dem Kampf gegen die Rechtsradikalen. Für Joann Sfar ist sein Vater, der zwar gesetzestreu war, aber – da er “die Gesetze der Straße kannte“ – auch seine Fäuste einsetzte, ein so überlebensgroßes Vorbild, dass er sehr lange versuchte ihm nachzueifern. Während er Kampfsport trainierte, war ihm immer klar, dass dies nicht seine Welt ist. Erst nachdem der bereits als Comickünstler erfolgreiche Sfar Probleme mit seinen Handgelenken bekam, gab er den Boxsport auf.

Sfar vermittelt auf 170 Seiten faszinierende Einblicke in seine Biografie. Scheinbar planlos und zu wilden Zeitsprüngen neigend, schildert er, wie er seinen Platz im Leben sucht. Zugleich erzählt der Comic davon, wie die Rechtsradikalen immer salonfähiger werden. Als Zugabe reflektiert Sfar darüber, wie und warum er einen autobiografischen fast schon intimen Comic machen wollte. Fraglich ist auch, ob die Erkenntnis “besser schreiben als sich prügeln“ ihm fortan als Lebensmotto dienen bzw. genügen kann.

Heiner Lünstedt

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Diabolik

Die Schwestern Angela und Luciana Giussani schufen 1962 mit Diabolik einen völlig unmoralischen Helden. Dieser trägt meist einen eng anliegenden schwarzen Ganzkörperanzug, der nur über eine Öffnung im Augenbereich verfügt. Diabolik ist aber auch ein Meister der Verkleidung und kann täuschend echte Masken anfertigen.

Die Giussanis begründeten mit Diabolik ein eigenes Fumetti Neri genanntes Genre. Bereits 1967 setzte Mario Bava (Die Stunde, wenn Dracula kommt) mit Gefahr: Diabolik dem Antihelden ein filmisches Denkmal mit John Phillip Law (Sindbads gefährliche Abenteuer) und Michel Piccoli in den Hauptrollen. Dieses fiel jedoch so knallig poppig und parodistisch aus, dass es mit der Comicvorlage nur noch wenig gemein hatte.

Die Brüder Marco und Antonio Manetti sind seit frühster Jugend Diabolik-Fans und reden schon sehr lange darüber, eine werkgetreue Verfilmung zu drehen. Nachdem sie sich erfolgreich als TV- und Kino-Regisseure etabliert haben, durften sie für 10 Millionen Euro einen Diabolik-Film drehen, der sich sehr nah an der Comicvorlage orientiert.

Freunde der temporeich in Szene gesetzten Filme des Marvel Cinematic Universe seien vorgewarnt, denn die Manetti Bros. erzählen in Diabolik eher entschleunigt. Ihr Anspruch war es einen Film zu drehen, der so wirkt als wäre er in den 60er-Jahren entstanden. Bei einer Spieldauer von 133 Minuten geht es dabei manchmal etwas zäh zu und zu lachen gibt es nur recht wenig.

Doch die Manettis setzten auf eine stilvolle Machart. In schönen oft düsteren Bildern zaubern sie die finstere Welt von Diabolik glaubhaft auf die Leinwand. Als Vorlage diente ihnen der dritte Diabolik-Band von 1963, in dem erstmals die blonde Eva Kant auftaucht, die fortan als Komplizin des Antihelden agiert.

Mit Luca Marinelli (Martin Eden) in der Titelrolle und Miriam Leone, der Miss Italia von 2008, als Eva Kant, sowie Valerio Mastandrea als Diaboliks Gegenspieler Inspektor Ginko, wurde eine optimale Besetzung verpflichtet. Den Manettis gelang das Kunststück noch zwei weitere Diabolik-Filme zu drehen, obwohl der erste kein Erfolg an der Kinokasse war.

Die Blu-ray von Plaion enthält neben dem 133-minütigen Hauptfilm noch dieses Bonusmaterial: “Sotto la maschera – Hinter der Maske“ (47:11 min, wahlweise mit deutschen Untertiteln), “VFX Breakdown – Die Spezialeffekte“ (2:27 min), “Charakter-Trailer Diabolik“ (0:34 min), “Charakter-Trailer Eva“ (0:33 min), “Charakter-Trailer Ginko“ (0:36 min) und der deutsche Trailer (1:18 min)

Zusätzlich gibt es noch eine Special Edition mit Blu-ray und DVD, die in einem Schuber auch als deutsche Erstveröffentlichung einen 125-seitigen Comic in der Größe einer DVD-Hülle enthält.

Dabei handelt es sich um „Die Verhaftung von Diabolik“ die 1963 erschienene dritte Geschichte mit dem finsteren Helden. Dieser Comic, in dem Diabolik erstmals auf Eva Kant trifft, diente den Manetti Bros. als Vorlage für ihren Film.

Das Heftchen mit seinen eher schlichten schwarzweißen Zeichnungen von Luigi Marchesi, auf denen aber alles zum Erzählen der gradlinig-spannenden Geschichte der Giussani-Schwestern erforderlich ist, vermittelt einen Eindruck davon, warum Diabolik zu einem so großen Erfolg wurde.

Auch die Fortsetzung “Diabolik wird gejagt“ wird mit als Special Edition mit Comicheft erscheinen.  

Heiner Lünstedt

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Aus dem EC-Archiv: Wally Wood – Band 5

Der All Verlag veröffentlichte zuvor in drei Bänden alle Science-Fiction- und Fantasy-Storys, die der geniale Zeichner Wally Wood für die Comicserien von EC zu Papier gebracht hatte. Zu bestaunen sind in diesen Geschichten außerirdisch schöne Frauen, furchterregende Monster und tollkühne Raumfahrer, deren Helme wie umgedrehte Goldfischgläser aussehen.

Anschließend folgte eine Collection mit der erotischen Kunst von Wood. Enthalten sind auch ebenso so peinliche wie traurige Arbeiten aus dem Spätwerk des Künstlers, der sich 1981 im Alter von 54 Jahren, nach mehreren Schlaganfällen und nachdem er auf dem linken Auge erblindet war, das Leben nahm.

In einem weiteren Band aus dem EC-Archiv präsentiert der All Verlag alle Abenteuer-und Kriegs-Comics von Wood. Diese 21 Geschichten stammen aus den Magazinen Two-Fisted Tales, Frontline Combat, Piracy, Valor und Aces High.

Die Comics zeigen, dass es für Wood damals keine Grenzen gab. Ob Seeschlachten, Gladiatorenkämpfe im alten Rom, Jagdflugzeuge aus dem Ersten Weltkrieg, wilde afrikanische Elefanten oder die Explosion der Atombombe, es gab nichts, was Wally Wood nicht unübertrefflich perfekt in Szene setzen konnte.

Enthalten sind auch einige prächtig anzusehende mittelalterliche Rittergeschichten, die immer noch traurig darüber machen, dass es nicht Wood war, der 1971 von Hal Foster als Nachfolger für seine Serie Prinz Eisenherz ausgewählt wurde. Foster veröffentlichte zwar eine beeindruckende Probeseite von Wood innerhalb der Serie, verfügte danach jedoch, dass sein ehemaliger Assistenten John Cullen Murphy Prinz Eisenherz übernahm.

Doch zurück zu den EC: Die Comics in diesem Band sind nur sehr selten ausschließlich eskapistische Abenteuer-Unterhaltung, sondern sie regten fast immer unaufdringlich zum Nachdenken an. Besonders bemerkenswert sind sieben Kriegs-Comics deren Stories von Harvey Kurtzman stammen. Dieser hatte dafür sorgfältig recherchiert und war nicht daran interessiert Soldaten als Helden darzustellen.

Der spätere Gründer des Satiremagazins MAD, der nicht wenige seiner Kriegscomics selbst zu Papier brachte, verfolgte einen realistischen Ansatz. Kurtzman nahm den Leser direkt mit an die Fronten und in die Schützengräben. Dabei vermittelt er die Ängste, die einfache Soldaten, Piloten bei Luftkämpfen oder Zivilisten bei Bombenangriffen auszustehen haben.

Im lesenswerten Nachwort dieses Bandes schreibt Michael T. Gilbert, dass die Zusammenarbeit zwischen Wood und Kurtzman nicht immer einfach war. Er zitiert den Zeichner: “Ich habe zweimal aufgehört, für Harvey zu arbeiten. Er hatte eine sehr irritierende Art, deine Arbeit zu kritisieren. Es ist nie einfach, für ihn zu arbeiten. Ich mag Harvey und ich respektiere ihn, aber er ist ein harter Mann, er ist ein Tyrann! Es musste immer alles nach ihm gehen, was ich vermutlich in gewisser Hinsicht sogar bewundere.”

Gilbert meint dazu “Mit Kurtzman hatte Wood zu guter Letzt einen noch größeren Perfektionisten getroffen, als er selbst einer war. So sehr er ihn auch respektierte, Wood hasste es, wenn jemand anderes die Kontrolle hatte.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Wood auch als Texter tätig war. Die in diesem Band enthaltene von ihm im Alleingang realisierte Geschichte Grenze! (Perimeter!) kann bei den Kurtzman-Stories mithalten.

Heiner Lünstedt

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