Green Lantern: Beware my Power

Anfang der 70er-Jahre wirkten DC-Comics im Vergleich zu den hart am Puls der Zeit erzählten Geschichten aus dem Hause Marvel brav und spießig. Dies änderte sich als Dennis O’Neil und Neal Adams in den Ring stiegen. In der Storyline HardTraveling Heroes konfrontierten sie Green Lantern zunächst damit, dass er sich zwar rührend um Wesen mit blauer, oranger oder violetter Hautfarbe kümmert, aber nie um die Schwarzen auf der Erde.

“Nicht weil wir liberal sind, sondern weil es Sinn macht“ ernannten O’Neil und Adams kurz darauf den Afroamerikaner John Stewart zur neuen Green Lantern. Dieser Vorgang wird im Bonusmaterial zu Green Lantern: Beware my Power, dem 44. Beitrag zur Reihe DC Universe Animated Original Movies, gebührend gefeiert. Im halbstündigen Bericht John Stewart: The Power and the Glory loben Comickünstler wie Dave Gibbons, Jim Lee oder Geoff Jones DC für die “Green Lantern of Colour“.

Auch der Animationsfilm Green Lantern: Beware my Power startet in dieser Hinsicht vielversprechend und schildert erstaunlich bodenstämmig, wie schwer es dem ehemaligen Elitesoldaten John Stewart fällt, sich im Zivilleben zurechtzufinden. Doch schon kurz darauf. stürzt ein Raumschiff in unmittelbarer Nähe von Stewards Behausung ab und der Ex-Marine bekommt einen Kraftring verpasst. Gemeinsam mit Green Arrow und Hawkgirl erlebt er ein galaktisches Abenteuer, das wenig mit den Problemen auf unserer Erde zu tun hat…

Die Blu-ray von Warner (eine DVD gibt es nicht) enthält neben dem 88-minütigen Hauptfilm noch dieses Bonusmaterial: „John Stewart: Macht und Ruhm“ (31:02 min, wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln), Der Zweiteiler „Justice League: In Blackest Night: Part“ aus der Trickfilmserie “Justice League“

Heiner Lünstedt

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Spider-Man: Die Geschichte eines Lebens

In achtzehn Jahren zeichnete Mark Bagley 111 Hefte der Serie Ultimate Spider-Man. Autor Brian Michael Bendis ließ sich hier sehr viel Zeit um davon zu erzählen, wie Peter Parker zum Netzschwinger wurde. Spider-Man: Die Geschichte eines Lebens scheint eine Art Gegenkonzept zu sein, denn in nur sechs Comicheften lässt Chip Zdarsky 53 Jahre verstreichen.

Während Peter Parker ansonsten bei Marvel seit seinem ersten Auftritt im Jahre 1962 kaum alterte und ewig ein junger Erwachsener blieb, ist er bei Zdarsky im Jahre 2019 ein alter Mann. Die Miniserie erzählt quasi Spider-Man in Echtzeit. Chip Zdarsky versucht alle Highlights der Serie, wie den Tod von Gwen Stacy, die Klonsaga, das schwarze Kostüm, Kraven den Jäger und auch den jugendlichen Nachfolger Miles Morales einzuarbeiten.

Zugleich geht die Serie aber auch auf historische Ereignisse, wie den Krieg in Vietnam ein, und entfesselt bereits 1967 den erst vier Jahrzehnte in den Comics gestarteten Civil-War-Konflikt zwischen Captain America und Iron Man. Dadurch entsteht ein (weiteres) alternatives Marvel-Universum, dessen am Rande erzählten Episoden teilweise stärker fesseln als die zwangsweise etwas hektisch erzählte neue Spider-Man-Saga.

Doch die großartigen Zeichnungen von Mark Bagley sorgen für Kontinuität im Chaos. Panini präsentiert eine gebundene Neuausgabe, die als Bonus noch das 2021 erschienene Spider-Man Live Story Annual 1 enthält, in dessen Zentrum der alternative Lebenslauf von J. Jonah Jameson steht.

Hinzu kommen noch faszinierende Variantcover von Meistern ihres Fachs wie Skottie Young oder John Romita JR., sowie Hintergrundinfos zu den vom auch als Zeichner aktiven Chip Zdarsky gestalteten Titelbildern.

Falls Spider-Man: Die Geschichte eines Lebens nicht zu einem Marvel-Meilenstein werden sollte, hat es garantiert nicht an dieser großartigen Edition gelegen.

Heiner Lünstedt

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ZERBROCHENE MENSCHEN UND EIN KAPUTTER HELD

Ausstellung mit Werken des Münchner Comickünstlers Frank Schmolke

Münchner Stadtbibliothek im HP8

22.09. bis 03.10.2022 – 7.00 bis 23.00 Uhr

Hans-Preißinger-Straße 8– 2. Stock – Eintritt frei

Am Donnerstag, 22. September um 19.00 Uhr wird die Ausstellung mit einem Künstlergespräch mit Frank Schmolke eröffnet. Dieses findet im Vortragssaal Projektor im Erdgeschoss des HP8 statt. Der Eintritt ist ebenfalls frei. Anschließend gibt es in der Ausstellung eine Signieraktion.

Bitte informieren Sie sich vor dem Besuch der Bibliothek über die aktuellen Aufenthalts- und Hygieneregeln.

Das Comicfestival München findet im Juni 2023 in der Münchner Stadtbibliothek im HP8 statt. Dort gibt es bereits in diesem Jahr eine Comicveranstaltung. Im Zentrum stehen zwei Werke von Frank Schmolke, die auch außerhalb der Comicbranche viel Aufmerksamkeit erfahren haben.

Frank Schmolke: Nachts im Paradies

Timur Vermes attestiert dem Künstler: „Er beschleunigt geschickt die Action, verzögert genüsslich Gefühliges und Grusliges, er verarbeitet sogar das Papier der Seiten zu Special Effects.“ (Den kompletten Text des Autors von Er ist wieder da finden Sie unten.)

Frank Schmolke: Nachts im Paradies

Wenn “Auftragsflauten oder finanzielle Krisen“ herrschten, arbeitete Frank Schmolke als Taxifahrer. Dabei entstanden erste Skizzen zu Nachts im Paradies im Taxi. Basierend auf eigenen Erlebnissen erzählt Schmolke vom Taxler Vincent, der sich während des Oktoberfests hohe Umsätze erhofft.Die Spontanität seiner Skizzen verarbeitete Schmolke zu einer spannenden Geschichte, die mit Jürgen Vogel verfilmt wird.

Der Augensammler

Sebastian Fitzek wäre wohl “ohne Abenteuer von Superhelden, Galliern oder Enten“ kein Autor geworden. Daher war er sehr gespannt auf eine Comic-Adaption seines Thrillers Der Augensammler. Schmolke setzt diesmal Farbe ein. Auch dies funktioniert bestens, weil die Kolorierung dabei hilft, Stimmungen zu vermitteln. Timur Vermes meint, dass durch die Farbe Schmolkes „schmutzig verschneites Berlin nicht bunter, sondern kälter“ wird.

Eine vom Kulturreferat der LH München geförderte und von Michael Khambekar vom Comicfestival München kuratierte Ausstellung zeigt – genau dort, wo Krimis und Comics ausgeliehen werden können – ausgewählte Sequenzen aus Nachts im Paradies und Der Augensammler.

FRANK SCHMOLKE Foto © Lars von Törne

Am Donnerstag, 22. September um 19.00 Uhr wird die Ausstellung des Comicfestival München mit einem von Heiner Lünstedt, dem Leiter des Comicfestival München moderierten, Künstlergespräch eröffnet. Sie können Frank Schmolke hier z. B. fragen, ob Sebastian Fitzek der Augensammler-Comic gefallen hat. Anschließend gibt es in der Ausstellung eine Signieraktion, bei der Frank Schmolke für die Besucherinnen und  Besucher zeichnet.

TIMUR VERMES Foto © Jörg Koch
Timur Vermes: Der Augensammler existiert in München

Frank Schmolke heißt er. 1967 hier geboren, zeichnet seit 20 Jahren, aber seit drei Jahren sammelt und öffnet er mehr Augen denn je. 2019 machte sein düsterer Hingucker „Nachts im Paradies“ das Wegschauen unmöglich. Denn die Taxifahrer-Ballade überraschte mit einem anderen, unbekannten München: die „Weltstadt mit Herz“ als schwarz-weißer Mega-Klotz aus abweisenden Glastürmen und vielspurigen Betonschneisen.

Nassgrau, im Herbst, voller Oktoberfestzombies, Zuhälter, Nutten.

Faszinierend unbehaglich.

„Nachts im Paradies“ gewann den renommierten Rudolph Dirks Preis, überzeugte Kritik und Leser – und öffnete Schmolke neben Herzen auch Türen. 2020 präsentierte er die Comic-Variante des deutschen Superhelden-Film „Freaks“, jetzt interpretiert er Sebastian Fitzeks Topseller „Der Augensammler“. Für Schmolke eine Gelegenheit, um mit großer Spielfreude noch finsterer zu werden.

Zerbrochene Menschen und ein kaputter Held, der dem eigenen Kopf misstraut. Schmolke zitiert den film noir und Nosferatus Schattenwelten.

Er beschleunigt geschickt die Action, verzögert genüsslich Gefühliges und Grusliges, er verarbeitet sogar das Papier der Seiten zu Special Effects. Er inszeniert wirkungsvoll Fitzeks bizarre Schockmomente,

Kategorie: „Das Schweigen der Lämmer“. Und obwohl Schmolke erstmals seit längerem wieder Farben nutzt, wird sein schmutzig verschneites Berlin dadurch nicht bunter, sondern kälter. Eine Gelegenheit, Fitzek neu zu entdecken, anders zu entdecken. Mit einem besonderen Vorteil hier, in Ihrer Bibliothek.

Denn hier stehen beide Versionen im Regal nebeneinander. Spannung links, Comic rechts.

Made in Berlin vs. Made in München – vergleichen Sie’s selbst.

 

 

Swamp Thing – Classic Collection

1971 erzählten der Autor Len Wein und der Zeichner Bernie Wrightson die tragische Geschichte vom Wissenschaftler Alex Olsen. Dieser wurde im vorletzten Jahrhundert von seinem angeblichen Freund Damian umgebracht, da es dieser auf dessen Frau Linda abgesehen hatte. Damian vergrub Alex in den Sümpfen von Louisiana.

Der Verstorbene ging eine Metamorphose mit den wilden Sumpfblüten ein, wurde zum mächtigen Swamp Thing und rächte sich an seinem Mörder. Doch das entfremdete Alex von seiner Frau und traurig ging das Ding zurück zu “seinem einzigen Freund“, dem Sumpf…

Diese im DC-Heft House of Secrets 92 auf nur acht Seiten erzählte Geschichte wurde zu einem gewaltigen Erfolg und die Leserschaft verlangte Nachschub. Nach anfänglichem Zögern machten sich Wein und Wrightson daran, aus Swamp Thing einen Serienhelden zu machen.

Sie verlagerten die Geschichte in die damalige Gegenwart und ließen diesmal den Biologen Alec Holland zum tragisches Ungetüm werden. Er traf auf ein nur leicht modifiziertes Monster von Frankenstein, aber auch auf Batman. Nach zehn Heften verließ Wrightson die Serie und drei Ausgaben später ging auch Len Wein von Bord. 1976 war dann erst einmal Schluss mit Swamp Thing.

Als 1982 ein von Wes Craven (Scream) gedrehter gar nicht einmal so guter Film in die Kinos kam, wurde der Comic unter dem Titel The Saga of the Swamp Thing neu gestartet. So richtig ab hob die Serie jedoch erst, nachdem der Brite Alan Moore (Watchmen) mit Heft 20 seinen ersten US-Comic textete. Er blieb der Serie bis 1987 treu und führte dabei ganz nebenbei den Detektiv und Magier John Constantine ein.

Die zehn von Wrightson gezeichneten und die von Moore getexteten Comics mit Swamp Thing wurden bei uns bereits in den 90er-Jahren veröffentlicht. Was zwischendrin mit dem “Ding aus den Sümpfen“ (so der Untertitel der Carlsen-Ausgabe) geschah, kann erst jetzt bei Panini in einer Classic Collection auf 900 Seiten nachgelesen werden, die neben den von Wrightson gezeichneten Comics auch noch die Comicadaption des Craven-Films enthält.

Es ist schon ein ziemlicher Bruch zu spüren, als das Artwork in Ausgabe 11 nicht mehr von Wrightson, sondern vom philippinischen Zeichner Nestor Redondo stammt. Swamp Thing ist plötzlich kein mysteriöses Pflanzenwesen mehr, sondern ein grünhäutiger Muskelprotz. Doch Redondo verpasste dem Sumpfmonster schon recht bald wieder den gewohnten Look, während die meistens von David Michelinie verfassten Stories durchaus bei der Fabulierfreude von Len Wein mithalten können.

Beim Neustart der Serie als The Saga of the Swamp Thing wurden die fast immer von Martin Pasko geschriebenen Geschichten zunächst von Thomas Yeates zu Papier gebracht, der seit 2012 auch die neuen Abenteuer von Prinz Eisenherz zeichnet. Während Yeates recht ansprechende Titelbilder gelangen, wirken seine routiniert ausgeführten Comicseiten oft etwas steril. Paskos Geschichten hingegen sind gelegentlich ganz schön wirr und seine in Bayern angesiedelte Storyline erzählt nicht immer geschmackssicher auch vom Holocaust.

Nach einem kurzen recht ansehnlichen Gastspiel der Brüder Scott & Bob Hampton übernahmen ab 1983 Stephen R. Bisette und John Totleben das immer wilder wuchernde Artwork. Dabei wird schon auf den Einsatz von Alan Moore eingestimmt. Die Lektüre der letzten Hefte der Deluxe Edition erleichtert den Einstieg in Paninis dreibändige Edition mit allen von Moore geschriebenen Swamp-Thing-Comics, für die sogar eine ansehnliche Neukolorierung spendiert wurde.

Heiner Lünstedt

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W.I.T.C.H.

Die 2001 gestartete Comicserie W.I.T.C.H. wurde international und medienübergreifend zu einem großen Erfolg. Dabei waren es weniger die sowohl an Shōjo-Mangas wie auch an Harry Potter angelehnte Geschichte, die überzeugte, sondern das wunderschöne Artwork, das auch durch die plastische Kolorierung an Disneyfilme denken lässt.

Dies verwundert nicht weiter, denn W.I.T.C.H. – zusammengesetzt aus den Vornamen der Mädchen Will, Irma, Taranee, Cornelia und Hay-Lin – entstand als Disney-Produktion in Italien. Hier werden schon seit Jahrzehnten in Eigenregie mehr Disney-Comics als in den USA produziert, man denke nur an die Lustigen Taschenbücher.

Leider sind Alessandro Barbucci und Barbara Canepa, die Schöpfer der Serie 2004 ausgestiegen, da Disney ihnen die Rechte an ihren Figuren nicht zugestehen wollte. Mittlerweile wird die Disney-Direktorin Elisabetta Gnone als alleinige “Entwicklerin“ der Serie genannt, während Barbucci und Canepa große Erfolge mit Comics wie Monster Allergy, Sky Doll, Ekhö-Spiegelwelt oder End feiern.

Auch ohne Barbucci und Canepa lief W. I. T. C. H. erfolgreich weiter und wurde 2004 auf dem Comic Salon in Erlangen als beste Serie für Kinder und Jugendliche ausgezeichnet. Ab 2013 wurden keine weiteren Comics produziert und aktuell startet W. I. T. C. H. bei Egmont als voluminöse Hardcoverausgabe mit den klassischen Comics neu.

Heiner Lünstedt

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DC League Of Super-Pets

Während Marvel in Sachen Superhelden-Unterhaltung an allen Fronten punkten kann, sieht es bei DC ziemlich durchwachsen aus. Durchgehend zuverlässig funktioniert eigentlich nur die auf mittlerweile über 40 Trickfilme angewachsene Reihe der DC Universe Animated Original Movies. Daher ist es naheliegend einen Animationsfilm mit Superman, Batman, Wonder Woman & Co. in die Kinos zu bringen. Doch um auch sehr junge Zuschauer anzusprechen, stehen nicht die Superhelden im Vordergrund, sondern allerlei Haustiere.

Zentrale Figur ist Krypto the Superdog. Der Hund von Superman stand bereits 2006 im Zentrum einer eigenen Animationserie. Der Kinofilm beginnt damit, dass der weiße Labrador Retriever als Welpe, kurz bevor der Planet Krypto explodiert, in jenes Raumschiff hüpft, das den kleinen Kal-El in Richtung Erde transportiert. Dort sieht Kryto sein glückliches Leben als Haustier von Superman gefährdet als sein Herrchen sich mit dem Gedanken trägt Lois Lane zu heiraten.

Größere Gefahr droht jedoch durch das Meerschweinchen Lulu, das durch oranges Kryptonit plötzlich über Superkräfte verfügt und Lex Luthor dabei hilft die gesamte Justice League einzusperren. Doch auch weitere Insassen eines Tierheims verfügen plötzlich über Superkräfte und setzen diese im Kampf gegen Lulu und ihre Armee von mutierten Hamstern ein…

DC League Of Super-Pets ist eine nicht ungeschickt zusammengebastelte Mischung aus Pets, Die Unglaublichen und Paw Patrol. Für erwachsene Zuschauer gibt es einige amüsante manchmal auch parodistische Superhelden-Momente, die oft auf Kosten von Batman gehen. Dieser wird im Original von Keanu Reeves und bei uns von Torsten Sträter gesprochen. Recht lustig, wird es, wenn Batman sich dagegen wehrt den Hund Ace als sein Haustier zu akzeptieren, denn er arbeitet ohne Partner, “abgesehen von Robin, Alfred, Jim Gordon, Nightwing, (…) und den Typen, den Morgan Freeman im Kino gespielt hat.“

Heiner Lünstedt

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Ein Sack voll Murmeln

Joseph Joffo betrieb in Paris etliche Friseursalons und erst nachdem er sich eine Weile auskurieren musste, brachte er 1972 unter dem Titel Ein Sack voller Murmeln seine Lebenserinnerungen zu Papier. Das Buch erzählt von seiner Jugendzeit als Jude im besetzten Frankreich. Der Bestseller wurde zweimal verfilmt und als Comic adaptiert.

Auf den Straßen von Paris waren Joseph und sein älterer Bruder Maurice begeisterte Murmelspieler. Doch alles ändert sich, nachdem sie 1941 gezwungen wurden, gelbe Judensterne zu tragen. Joseph tauscht seinen Stern zwar bei einem Mitschüler gegen einen Sack voller Murmeln ein, doch seinen Eltern ist klar, dass er und Maurice in Paris nicht mehr sicher sind.

Unter abenteuerlichen Bedingungen gelingt es den Brüdern Nizza zu erreichen, wo sie sich mit den italienischen Besatzungssoldaten arrangieren und auf dem Schwarzmarkt aktiv sind. Doch nachdem Mussolini abgesetzt wird, kontrollieren deutsche Truppen auch Nizza und die lebensgefährliche Odyssee der Brüder geht weiter…

Joseph Joffo beschreibt seinen damaligen Seelenzustand wie folgt: “Die Nazis haben mir noch nicht mein Leben genommen, aber sie stehlen mir meine Kindheit. Ich hänge im Grunde genommen nicht mehr sehr am Leben. Nur die Maschine ist am Laufen. Das Rennen geht weiter (…) Ich werde alles tun, damit sie nicht die Freude haben mich zu erwischen.“

Der Autor Christophe Goret alias Kris (Mutter Krieg, Ein Match für Algerien) vermittelt einfühlsam, wie durch drastische Erlebnisse aus dem zurückhaltenden Joseph ein abgebrühter Überlebenskünstler wurde. Stärker noch als die Verfilmung von 1975 vermeidet es der Zeichner Vincent Bailly (Le Cœur de sang) den Schleier der Nostalgie über die Ereignisse zu legen, obwohl sein beeindruckendes Artwork nicht mit Farbe und Details geizt.

In einem Sammelband veröffentlicht bahoe books die ersten beiden Alben von Ein Sack voll Murmeln, für die Kris und Vincent Bailly 2014 den Eisner Award in der Kategorie Best Reality-Based Work erhalten haben.

Der dritte Band Baby-Foot spielt im befreiten Frankreich und wird hoffentlich ebenfalls bei uns erscheinen.

Heiner Lünstedt

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Micky und die tausend Karlos

Seit 2016 veröffentlicht der französische Verlag Glénat edel aufgemachte Disney-Comics, die kunstvoll von Individualisten wie Cosey, Régis Loisel, Nicolas Keramidas oder Tébo gezeichnet wurden und von Micky Maus erzählen.

Dies ist auch beim neusten Band der Fall, der genau wie zuvor schon Micky in der alten Welt wieder in einem mittelalterlichen Fantasy-Ambiente angesiedelt ist. Dies ermöglich es Mickys Gegenspieler Kater Karlo, der hier genau wie zu Beginn seiner Zeichentrick-Karriere ein Holzbein hat, gleich hundertfach (der Titel des Comics übertreibt ein wenig) auftreten zu lassen.

Die mit knapp 80 Seiten fast schon epische Geschichte, in der anfangs auch Minnie vervielfältigt wird, stammt von Jean-Luc Cornette, der am Anfang seiner Karriere auch als Zeichner tätig war. Mittlerweile ist der Belgier ein vielbeschäftigter Autor, dessen Comics wie die Biografien zu Frida Kahlo und Gustav Klimt, bei uns noch nicht erschienen sind. Demnächst werden jedoch seine Alben, die Jacques Martins Serie Jhen fortsetzen, in einer Gesamtausgabe von Kult Comics veröffentlicht.

Die etwas schlicht gehaltenen Zeichnungen stammen vom 1966 in Beirut geborenen Thierry Martin, der es sich nicht nehmen lässt allerlei Nebenfiguren wie den Zauberer Klodomir oder König Ladislaus den Naschhaften recht individuell zu designen, anstatt wie sonst bei Disney üblich bekannte Figuren in mittelalterliche Klamotten zu stecken.

In seinen gar nicht so wenigen guten Momenten erinnert Mickey et les mille Pat an Peyos Schlumpf–Comics. Doch während Cornettes Geschichte besser ist als dies bei den meisten Disney-Comics von Glénat der Fall ist, fehlt dem Artwork von Martin, trotz schöner doppelseitiger Wimmelbilder, ein wenig das gewisse Etwas.

Heiner Lünstedt

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Ms. Marvel

Die 16-jährige Kamala Khan entdeckt, dass sie plötzlich über schwer kontrollierbare Superkräfte verfügt. Dem in New Jersey lebenden Mädchen mit pakistanischen Wurzeln ist die Thematik nicht ganz fremd, denn sie denkt sich gerne Fan-Fiktion mit Captain Marvel aus. Doch mit der großen Macht kommen auch einige großartige junge Männer in Kamalas Leben.

Als die von der zum Islam konvertierten Journalistin und Autorin G. Willow Wilson 2014 mit Kamala Khan die muslimische Tochter pakistanischer US-Einwanderer zur Superheldin machte, brachte dies frischen Wind ins Marvel Comic Universum. Dies trifft fast noch in einem stärkeren Masse für die auf Disney+ gezeigte Serie Ms. Marvel zu.

Die sechs Episoden der ersten Staffel erzählen mit großer visueller Fantasie und einer erstaunlichen Leichtigkeit von gelegentlich durchaus ernsthaften Dingen. So wird auch erzählt von der Teilung Indiens, aus der die Islamische Republik Pakistan hervorging. Scheinbar ganz nebenbei wird gezeigt, dass es in den Führungskreisen der Moscheen, genau wie in katholischen Kirchen, keine Gleichberechtigung von Mann und Frau gibt.

Ebenso wichtig wie die manchmal ziemlich großartige Superhelden-Action sind aber auch die Herz-Schmerz-Momente, die das Gefühlsleben junger Menschen ähnlich ernst nehmen wie Teenager-Filme von John Hughes (Pretty in Pink). Die Verbindung zum Marvel Cinematic Universe wird nicht durch hochkarätige Gastauftritte hergestellt, sondern die Superhelden sind als Popkultur fester Bestandteil im Leben der von Iman Vellani großartig verkörperten Kamala Khan.

Hoffentlich kommt bald die zweite Staffel!

Heiner Lünstedt

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Lone Wolf & Cub

Der ehemalige Samurai Ogami Ito schiebt als alleinerziehender Auftragskiller im Kinderwagen seinen kleinen Sohn Daigoro durchs Japan der Edo-Zeit und verrichtet dabei sein blutiges Geschäft. Trotz dieser originellen Ausgangsidee ist Lone Wolf & Cub alles andere als leichtverdauliche Kost.

Der Manga spielt im Japan des späten 18. Jahrhunderts und es fließen zahlreiche historische Details ein, die den meisten westlichen Lesern nicht vertraut sein dürften. Dankenswerterweise verfügt diese Ausgabe über ein Glossar, in dem die wichtigsten Begriffe erklärt werden.

Kazuo Koike, der auch die Drehbücher zu den sechs erfolgreichen Verfilmungen von Lone Wolf & Cub schrieb, schildert in meist dreißigseitigen, in sich abgeschlossenen und keiner Chronologie folgenden Episoden die Erlebnisse von Vater und Sohn.

Der Zeichner Gōseki Kojima setzte diese oft sehr blutrünstigen Geschichten von 1970 bis 1976 in einem zwischen detailreichen Realismus und kargen Impressionismus schwankenden Stil um. Noch heute beeindruckt die Inszenierung der nicht mit Gewalttätigkeiten geizenden Kampfszenen.

Panini veröffentlichte den Manga von 2003 bis 2009 in achtundzwanzig Taschenbüchern, deren Titelbilder damals aus der Feder von Frank Miller (Batman: The Dark Knight Returns) stammten. Jetzt startet Panini eine Master Edition, die aus zwölf Hardcoverbänden mit Lesebändchen besteht, die doppelt so groß und umfangreich wie die Taschenbücher sind.

Nachdem sich die Star-Wars-Serie The Mandalorian bei Lone Wolf & Cub bediente, ist es nur fair, dass die Cover der Neuausgabe diesmal von Gōseki Kojima stammen.

Heiner Lünstedt

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