Es ist kein Wunder, dass dieser Band bei Cross Cult erscheint, denn dort wurde bereits ein 48-seitiges Büchlein mit dem aussagekräftigen Titel If Keanu were your Boyfriend: Der Mann, der Mythos, der Wow! veröffentlicht.
Geboten wird “zum Teil Biografie, zum Teil verträumte Erzählung“ mit bedeutenden Weisheiten von Keanu Reeves, wie “Life is good when you have a good sandwich.“ Wer so einen Quatsch herausbringt, wird sich natürlich auch schleunigst um die Rechte eines Comics bemühen, an dem der Wow höchstpersönlich als Autor beteiligt war.
Es ist erstaunlich, was für Wellen es schlägt, wenn sich ein Hollywood-Star, dazu herablässt einen Comic zu schreiben. Zwar hat Keanu dies nicht ganz alleine gemacht, sondern als Co-Writer wurde ihm ein erfahrener Comic-Macher zur Seite gestellt.
Matt Kindt war bereits als Autor, aber teilweise auch als Zeichner für Dark Horse, Valiant und DC tätig. Es ist völlig unklar, wieviel Input bei BRZRKR von Keanu Reeves stammt. Möglicherweise kam von ihm wenig mehr, als die Erlaubnis den Titelhelden mit seinen Gesichtszügen auszustatten.
Doch dies auch auf Variantcover von Lee Bermejo, Dan Mora, Jonboy Meyers, Ron Garney oder Rafael Grampá gefeierte Ereignis genügte, um das im März 2021 bei Boom! Studios veröffentlichte Heft BRZRKR # 1 mit 650.000 verkauften Exemplaren zum Comic-Bestseller dieses Jahrtausends zu machen.
Die Story hingegen dürfte kaum etwas zu dieser Erfolgsgeschichte beigetragen haben, denn das erste Heft zeigt trotz des verdoppelten Umfangs von 43 Seiten wenig mehr als ein von Ron Garney immerhin recht mitreißend in Szene gesetztes Gemetzel. Der Mann mit dem Gesicht von Keanu veranstaltet und überlebt dabei ein Blutbad in einem Land, in dem Spanisch gesprochen wird.
Als Schlusspointe wird noch verraten, dass der Supersoldat bereits seit achtzigtausend Jahren auf der Erde zugange ist. Der Auftakt von Kapitel 2 versucht noch einen draufzusetzten und erzählt wie die Mutter von BRZRKR ihren Sohn unbefleckt empfangen hat und schon nach zwei Monaten zur Welt brachte.
Doch damit haben Matt Kindt und Keanu Reeves ihr Pulver bereits verschossen, zumindest was die ersten vier (von insgesamt zwölf) US-Hefte betrifft, die Cross Cult in drei verschiedenen Editionen (darunter eine limitiere Ausgabe im Überformat von 22 x 32 cm) gebündelt und garniert mit einer aus 24 Covern bestehenden Galerie veröffentlicht.
Im weiteren Verlauf der Handlung werden – unter dem Motto “Who Wants to Life Forever“ – Ideen und Erzählstrukturen aus Russell Mulcahys unsterblichem Klassiker Highlander mit Christopher Lambert recycelt. Auch bei BRZRKR gibt es eine attraktive Wissenschaftlerin, die den Helden in der Gegenwart analysiert und dadurch wilde erzählerische Zeitsprünge auslöst.
In kleinen Portionen ist so zu erfahren, wie der Keanu-Charakter in kürzester Zeit zum Muskelprotz heranwuchs und seine Sippe im Alleingang und natürlich in blutigen Kämpfen gegen andere Steinzeit-Völker verteidigte. Die Spannung auf den weiteren Verlauf der vertraut wirkenden Geschichte hält sich in Grenzen.
Dennoch ist BRZRKR nicht nur als Comic ein Erfolg, sondern auch als Blaupause zur weiteren medialen Weiterverarbeitung. Netflix plant einen Film, natürlich mit Keanu in der Hauptrolle und auch eine Anime-Serie ist im Gespräch. Für das Kino ist das Franchise leider ungeeignet, denn es würde zu argen Verständnisproblemen an der Kasse führen, wenn jemand dort “Zwei Karten für BRZRKR!“ verlangt.
Heiner Lünstedt
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