Lupo – Perlen der Comicgeschichte

Die Reihe Perlen der Comicgeschichte des Bildschriften Verlags wächst und gedeiht. In bereits zehn sachkundig kommentierten Hardcover-Bänden werden nostalgische Comics präsentiert, die zwar “ernst“ gemeinter Mainstream sind (oder sein sollten), aber auch Freunden von gepflegten Blödsinn viel Freude bereiten dürften.

Nachdem bereits im Perlen.Band 8 Fix und Foxi einige Skurrilitäten aus der Comic-Werkstatt von Rolf Kauka gewürdigt wurden, steht Lupo im Zentrum der zehnten Ausgabe. Während die beiden Füchse von der Fabelgestalt Reinecke Fuchs inspiriert wurden, war Isegrim Wolf das Vorbild von Lupo, der seine Premiere 1953 zeitgleich als “dummer Wolf“ im Heft Eulenspiegel 6 erlebte.

Der Chaot Lupo wurde schon bald zur Lieblingsfigur der Leser von Fix und Foxi. Der vorliegende Band enthält acht Comics mit Lupo, die zumeist den Zeichnern Werner Hierl und Helmut Huth zugeordnet werden. Diese zwischen 1961 und 1967 entstandenen Geschichten verfügen über einen rohen Charme. Die Bilder scheinen dabei ebenso spontan entstanden zu sein wie die Stories.

Hinzu kommt noch Jürgen Gleues reich bebilderter Artikel “Pretty Things und Paradoxes im Lupo Mordern“, der “ein paar abweichende Ansichten zu Rolf Kauka“ enthält. Mit durchaus guten Argumenten wird hier versucht aus den gemeinhin als strammen Konservativer gesehenen “Onkel Rolf“ einem Wegbereiter der Popkultur zu machen.

Die letzten Comicseiten aus diesem interessant zusammengestellten Band stoßen ins selbe Horn und belegen, dass bei Kauka nicht nur kindgerechtes Mittelmaß verlegt wurde. Mit wild entfesselten Zeichnungen macht der Jazz-Fan Florian Julino aus Lupo einen King of Swing und die Comicseiten werden zum symphonischen Erlebnis. Es sind garantiert noch mehr Perlen im Umfeld von Fix und Foxi zu entdecken.

Heiner Lünstedt

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Die Kunst von Jean-Claude Mézières

Jean-Claude Mézières ist am 23. Januar 2022 im Alter von 83 Jahren verstorben. Der Zeichner der Erfolgsserie Valerian und Veronique erlebte noch, wie in Frankreich der großartige Bildband L’Art de Jean-Claude Mézières erschienen ist und versorgte hierfür zuvor auch den Autor Christophe Quillen mit detaillierten Einblicken in seine Arbeit.

Kernstück des jetzt auch auf Deutsch bei Carlsen vorliegenden quadratischen Buchs sind natürlich großformatige Abbildungen aus der von Pierre Christin geschriebenen Science-Fiction-Serie, doch auch das übrige Werk von Mézières wird gewürdigt.

Als junger Mann waren die USA für den Zeichner ein Sehnsuchtsort und ihm gelang es tatsächlich dort eine Weile als Cowboy zu arbeiten. Dabei entstand ein Foto, das Mézières auf einem Pferd zeigt und von dessen guten Freund Jean Giraud alias Moebius als Vorlage für dessen Westernserie Blueberry verwendet wurde.

Doch da es neben Blueberry auch schon Lucky Luke gab, verzichtete Mézières darauf ebenfalls Geschichten aus dem Wilden Westen zu erzählen. Stattdessen brachte er seinen Jugendfreund Christin dazu, fantasievolle Weltraumabenteuer zu erzählen, die mindestens ebenso viel über die Gegenwart aussagten, wie über die Zukunft.

Dennoch hatte Mézières auch prophetische Fähigkeiten, denn etliche seiner graphischen Ideen griff George Lucas für seine Star Wars Filme auf. Ein diesbezüglicher Brief von Mézières an Lucas blieb unbeantwortet. Der Zeichner begnügte sich mit einer Zeichnung, auf der Luke und Leia von Valerian und Veronique darüber aufgeklärt werden, dass die Raumzeitagenten schon sehr viel länger als die Kinohelden im Weltall unterwegs sind.

Luc Besson hingegen legte großen Wert darauf, dass Mézières auch Erwähnung fand, als er ihm optischen Input für den Science-Fiction-Film Das fünfte Element lieferte. Das Buch enthält zahlreiche Entwürfe von Mézières, die Besson recht werkgetreu in bewegte Bilder verwandelte.

Schöner als mit einem Bildband wie diesen kann ein im Comic und darüber hinaus tätiger Künstler nicht gefeiert und gewürdigt werden.

Heiner Lünstedt

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Astalos: Going Mad!

Der Zeichner Ivica Astalos sorgte ab 1975 zusammen mit Chefredakteur Herbert Feuerstein dafür, dass das sich die deutsche Ausgabe des Satiremagazin MAD zeitweilig besser verkaufte als die Originalversion in den USA. Doch mittlerweile wurde MAD sowohl in den USA als auch bei uns eingestellt.

Doch der 1954 in Kroatien geborene Astalos macht im Eigenverlag voller Elan weiter. Dort hat er bereits fünf Bände mit unveröffentlichten MAD-Beiträgen herausgebracht. Ebenfalls dort erschienen sind seine Zarenthron Geschichten, bei denen es sich um ebenso bitterböse wie treffsicheren Cartoons über den wahnsinnigen Putin und dessen lupenreinen Steigbügelhalter Schröder handelt.

Aktuell hat Astalos eine Autobiografie in Cartoon-Form veröffentlicht. In seinem bewährten MAD-Stil – angeblich wollte Feuerstein von ihm etwas, das “gut gemeint, aber unsicher im Strich“ ist – gelingt Astalos das Kunststück, nicht nur alle wichtigen Stationen seines Lebens zu thematisieren, sondern diesen auch noch gelungene Gags abzutrotzen.

Wir sind dabei wie Astalos fast Fix-und-Foxi-Zeichner geworden wäre, wenn Rolf Kauka nicht seinen Verlag verkauft hätte und in die USA abgedampft wäre. Wir erleben, wie Astalos den seinerzeit auch als Erotik-Verleger tätigen Feuerstein kennenlernte.

Es sind intime Details über ihre Zusammenarbeit zu erfahren, die regelmäßig in Frühjahrsdepressionen mit Selbstmordplänen gipfelte.

Sehr kleinformatig zum Abdruck kommen dabei auch Arbeitsproben aus allen Schaffensphasen von Astalos, der nicht nur für MAD einige Folgen von Spion & Spion zeichnete, sondern auch Entwürfe zu den Titelbildern von 150 Ausgaben von Micky Maus und den Lustigen Taschenbüchern anfertigte.

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Heiner Lünstedt

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Winshluss: Pinocchio

Carlo Collodis 1881 erstmals erschienene Geschichte vom hölzernen Bengele Pinocchio hat sich als äußerst solider Mythos erwiesen. Obwohl Walt Disneys Trickfilmversion von 1940 ein bis heute unübertroffener Höhepunkt des Genres ist, blieb noch reichlich Raum für weitere Interpretationen des Stoffes, wobei wir über die Verfilmung von (und leider auch noch mit) Roberto Benigni oder das Disney-Remake von Robert Zemeckis besser schweigen wollen.

Winshluss, der unter seinem richtigen Namen Vincent Paronnaud Co-Regisseur von Marjane Satrapis äußerst gelungener Verfilmung ihres Comics Persepolis war, hat die Tatsache dass es zahllose Versionen von Pinocchio gibt in seine Comicversion eingearbeitet. Daher wechseln von Kapitel zu Kapitel fröhlich die Zeichenstile. Dabei hat der Leser bzw. Betrachter (Text ist eher Mangelware) oft den Eindruck besonders prachtvoll gestaltete Sonntagsseiten von klassischen Comicserien in den Händen zu halten.

Inhaltlich hingegen wird ganz schön starker Tobak geboten. So ist Pinocchios Schöpfer Geppetto bei Winshluss alles andere als ein rührender alter Spielzeugmacher, sondern versucht dem Militär seine lebendige Puppe als Kampfroboter anzudrehen. Noch stärker als über Disneys Pinocchio macht sich Winshluss über dessen ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm lustig. In einer Rahmenhandlung gehen die sieben Zwerge alles andere als pfleglich mit dem im Glassarg ruhenden Schneewittchen um.

Diese visuell höchst aufregende aber teilweise auch ganz schön derbe Version von Pinocchio erhielt 2009 auf dem 36. „Festival International de la Bande Dessinée“ in Angoulême den Preis für das beste Album. Diesem Votum schloss sich 1 ½ Jahre später die Jury des 14. Internationalen Comic-Salon Erlangen an und wählte den Prachtband zum “besten internationalen Comic“. Nachdem die gebundene Erstausgabe von 2009 schon lange vergriffen ist, hat der avant-verlag eine Neuausgabe als Softcover veröffentlicht.

Heiner Lünstedt

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Kim Schmidt: Local Heroes

Als der gebürtige Flensburger Kim Schmidt 1997 seine Cartoon-Reihe Local Heroes startete, hatte er bereits vierzehn Jahre für das Anzeigenblatt Moin Moin den Comicstrip Öde über einen Faulenzer und eine schrullige Oma gezeichnet. Als Schmidt diese Serie nach mehr als 1.000 Episoden beendete, feierte er dies 2017 mit der wuchtigen Gesamtausgabe Das war Öde.

Doch die Local Heroes leben weiter und feiern aktuell ihr 25-jähriges Jubiläum. Wöchentlich erscheinen Schmidts Cartoons in allen der mehr als zwanzig Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags und im Bauernblatt Schleswig-Holstein. Mittlerweile liegen im Verlag Flying Kiwi auch 22 Sammelbände mit den Local Heroes vor. Die aktuelle Ausgabe trägt den schönen Titel Meer geht immer.

Die Serie spielt in einer Welt, die ohne Zweifel in Norddeutschland liegt und von Tieren bevölkert wird, die sich mal mehr und mal weniger wie Menschen benehmen. Schmidts Gags Gags zünden in diesen Umfeld immer. Meine persönlichen Favoriten sind die mit Tiernasen versehenen Eigenheimbewohner, die versuchen sich mit den in ihrem Vorgarten ansässigen Maulwürfen zu arrangieren.

Dies ist nicht einfach, denn die mit Erdwärme handelnden Maulwürfe melden Auffahrunfälle mit dem Rasenmäher sofort bei der Polizei oder verkleiden sich zum Fasching als Haifische und ziehen durch die gepflegten Rasenflächen ihre Bahnen. Doch auch zu Möwen, Kühen, Hühnern und im Punk-Stil geschorenen Schafen, die es nach Sylt zieht, fällt Kim Schmidt allerlei Verrücktes ein. Daher darf sich auf weitere 25 Jahre mit den Local Heroes gefreut werden.

Heiner Lünstedt

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Auclair: Simon vom Fluss 3

Der letzte Band der Gesamtausgabe von Simon vom Fluss enthält gleich vier Alben. Nach einer zehnjährigen Pause, in denen er sich anderen Comics widmete, kehrte Claude Auclair 1988 zu seiner Erfolgsserie zurück.

Er konzentrierte sich jedoch auf das Zeichnen, denn er war es leid, von einer vom Atomkrieg verwüsteten Welt zu erzählen. Mit Alain Riondet fand Auclair einen Autor, dessen Geschichten ihn so stark faszinierten, dass er diese gerne in Szene setzte. Künftig ging es eher esoterisch statt apokalyptisch zu, und der Titelheld wurde zur Nebenfigur.

Im Album Der steinerne Kreis taucht Simon, der mittlerweile eine Familie hat, erst auf den letzten beiden Seiten der arg mystischen Geschichte auf. In Der Weg des Simorgh benimmt sich Simon seiner Frau Emeline und den beiden Töchtern gegenüber ziemlich unmöglich und flüchtet in imaginäre Welten.

Diese neue Ausrichtung der zuvor zwar bereits sehr ambitionierten, aber auch als Abenteuercomic funktionierenden, Serie verhinderte, das Simon du Fleuve weiterhin als Fortsetzung im Jugendmagazin Tintin vorabgedruckt wurde. Die letzten vier Geschichten erlebten ihre Premiere als Albumveröffentlichung.

Den durchaus krönenden Abschluss der Serie bildete der Zweiteiler Schiffsbruch, der aus den Alben Frühlingsstürme und Eine einfache Liebesgeschichte besteht. Hier gerät Simon und seine Familie mitten hinein in das komplizierte Beziehungsgeflecht einer verschworenen Küstengemeinde. Dabei kochen Emotion so hoch, dass auch ein gewaltiger Sturm sie nicht abkühlen kann…

Wer sich mit den manchmal etwas seltsamen Stories in diesem Band nicht so recht anfreunden kann, erfährt im hochinteressanten Vorwort von Patrick Gaumer, dass das Leben gelegentlich tatsächlich die besten Geschichten schreibt.

Ganz schön tragisch ist es, was Claude Auclair nach seiner Zusammenarbeit mit dem Autor Alain Deschamps erleben musste. Dieser ging vor Gericht, nachdem Auclair ohne Rücksprache einige Seiten mit Originalzeichnungen der gemeinsamen Serie Bran Ruz verkauft (aber auch verschenkt) hatte und brach einen sinnlosen Streit vom Zaun, der dem an Krebs erkrankten Zeichner nicht guttat.

Doch Gaumer erzählt auch die sehr romantische Liebesgeschichte von Auclair und seiner zweiten Frau Délia. Neben einem Comic, in dem Simon und seine Familie auf Tim, Struppi und Kapitän Haddock treffen, enthält dieser schöne Sammelband auch eine Skizze von Délia. Hierzu wird Auclair wie folgt zitiert: “Délia zu zeichnen, ist in gewisser Weise ein Akt der Liebe.“

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Tanguy und Laverdure Collector’s Edition

Es wird immer wieder übersehen, dass der meisterliche Zeichner Albert Uderzo zeitgleich mit den Abenteuern von Asterix – ebenfalls am 29. Oktober 1959 in der ersten Ausgabe des Magazins Pilote – auch noch eine zweite gänzlich andere Comic-Serie an den Start brachte.

Auch die Abenteuer der tollkühnen französischen Militärpiloten Michel Tanguy und Ernest Laverdure haben mittlerweile Klassikerstatus. Die Serie erscheint noch heute und inspirierte zwei TV-Serien, sowie den aufwändigen französischen Kinofilm Sky Fighters. Die Geschichten stammen vom ungemein produktiven Autor Jean-Michel Charlier (Blueberry), der im Rahmen seiner Recherchen für die 1947 gestartete Fliegerserie Buck Danny seinen Pilotenschein gemacht hatte.

Charliers Geschichten sind aus heutiger Sicht etwas arg militaristisch geraten, auch wenn ein immer wieder aufblitzender Humor dies etwas neutralisiert. Für lustige Einlagen sorgt der tollpatschige Laverdure, den Albert Uderzo nach seinem Ebenbild gestaltet hat. Diese Figur ist ein angenehmer Kontrast zum heldenhaften und etwas steifen Tanguy.

1959 – Veröffentlichung in Pilote

Bereits das erste Tanguy & Laverdure-Abenteuer, das sich über die beiden Alben Die Schule der Adler und Für Ehre und Vaterland erstreckt, ist sehr viel mehr als ein Werbeprospekt für die französische Fliegerstaffel. Wie kaum einem anderen Autoren von Abenteuer-Comics gelingt es Charlier echte menschliche Dramen zu erzählen.

2009- Gesamtausgabe

Bereits 2009 veröffentlichte die Egmont Comic Collection eine schön aufgemachte Gesamtausgabe, die schon lange vergriffen ist. Jetzt erscheint dort anstatt einer Neuauflage eine optimierte Collector’s Edition mit sehr viel mehr Hintergrundinformationen, wobei leider nicht auf die deutsche Veröffentlichungen unter den Titeln Rolf Randers & Miki Kabel und Mick Tangy eingegangen wird.

2022- Collector’s Edition

Während der erste Band der alten Egmont-Ausgabe auch noch das Album Gefahr im Himmel enthielt, ist in der neuen Edition nur das Abenteuer Die Schule der Adler enthalten. Der Comic wurde neu koloriert. Durch die sehr viel satteren Farben kommen die filigranen Zeichnungen von Uderzo zwar gelegentlich etwas weniger gut zur Geltung, doch insgesamt sieht der Comic durch die Neukolorierung besser denn je aus.

Heiner Lünstedt

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Lucky Luke: Rantanplans Arche

Der Zeichner Achdé und der Szenarist Julien Berjeaut alias Jul haben bereits bei den drei gut gelungenen Lucky-Luke-Alben Das gelobte Land, Ein Cowboy in Paris und Fackeln im Baumwollfeld zusammenarbeitete. Daher waren die Erwartungen bei der nächsten Zusammenarbeit des Duos recht hoch.

Die Wahl des nicht so recht in den Wilden Westen passenden Themas Tierwohl weckt jedoch nur wenig Vorfreude, zumal die damit zusammenhängenden Diskussionen über die richtige Ernährung gegenwärtig schon allerlei Restaurantbesuche und sogar die Aufrechterhaltung mancher Freundschaften erschwert haben.

Dass in den USA bereits 1866 ein Tierschutzverein gegründet wurde, spielt in diesem Comic nur am Rande eine Rolle. Die völlig fiktive Geschichte handelt vom idealistischen Vegetarier Ovid Byrde, der auch einen wohlbekannten nicht eben intelligenten Hund zum Mitglied der Menagerie seines Gnadenhofs machte. Warum es sich bei dieser Farm um “Rantanplans Arche“ (so der korrekt übersetzte Titel des Albums) handeln soll, bleibt unklar.

Berechtigte Frage.

Es ist keineswegs albumfüllend, wenn sich abwechselnd über den etwas naiven Ovid, sowie über dessen rückständige Zeitgenossen lustig gemacht wird. Dabei ist die Überlegung beim beliebten Brauch “Teeren und Federn“ künftig Laub statt Gefieder zu verwenden, noch eine der originelleren Ideen in diesem Comic.

Um doch noch etwas Würze in die Geschichte zu bringen, wird noch von einer Goldmine, einem mexikanischen Schurken mit dem originellen Namen Tacos, sowie von einem Generationskonflikt unter Indianern erzählt. Bei der Lektüre kommt der Gedanke auf, ob eine Diskussion mit (noch) guten Freunden über Sinn und Unsinn des Fleischkonsums nicht vielleicht amüsanter ist, als dieser Comic.

Heiner Lünstedt

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Simon Schwartz: Life Bizarre

Simon Schwartz (Packeis) setze seine zunächst in der Wochenzeitung Der Freitag veröffentlichte Comic-Reihe Vita Obscura ab 2019 im FAZ-Magazin fort. Hier suchte man seinerzeit einen Ersatz für die lässig hingehauenen Karikaturen des verstorbenen Modeschöpfers Karl Lagerfeld.

Schwartz zeichnete für die FAZ weitere unglaubliche Biografien im Stile jener knallbunten Sonntagsseiten, die Anfang des letzten Jahrhunderts das Medium Comic in den USA populär machten. Dass bereits mehr als 50 neue Folgen von Vita Obscura erschienen sind, war für den avant-verlag Anlass unter dem Titel Life Bizarre einen zweiten Sammelband zu veröffentlichen.

Enthalten sind wieder skurrile Lebensläufen von großen Unbekannten, die Simon Schwartz in ständig wechselnden Stilen zu Papier gebracht hat. Die Ausnahme dabei sind halbwegs bekannte Personen der Zeitgeschichte wie Ub Iwerks, der Erfinder der Micky Maus, oder der große Hoffnungsträger der Ost-SPD Ibraim Böhme, dessen wirklicher Vorname Manfred Otto lautete und der seit 1968 für die Stasi tätig war.

Die meisten der Frauen und Männer, die im Zentrum der Comics von Schwartz stehen, sind völlig unbekannt geblieben, obwohl sie beachtliche Dinge geleistet haben. So radelte der indische Maler P. K. Mahanandia mehr als 7.000 Kilometer, um in Schweden seiner großen Liebe einen Antrag zu machen. Das Paar lebt noch heute glücklich zusammen.

Doch Happy Ends sind in den Comics von Schwartz eher Mangelware. Victoria Woodhull wurde 1872 nicht US-Präsidentin, sondern landete im Knast. Die Lehrerin Annie Taylor brachte es nicht zu Wohlstand, obwohl sie sich mit 63 Jahren in einem Fass die Niagarafälle herunterstürzte. Tragisch ist auch das Schicksal der Schaufensterpuppe Cynthia, die zu einem Star im Radio, im Film und im öffentlichen Leben wurde, nachdem sie 1937 auf dem Cover des Magazins Life zu sehen war, doch in einem Schönheitssalon zu Bruch ging…

Aber auch beachtliche Leistungen in Sachen Unfähigkeit werden von Schwartz gewürdigt. So überlebte der Sonnenkönig Ludwig XIV. seine drei Leibärzte, obwohl diese ihm das Leben durch Aderlässe, das Ziehen aller Zähne sowie dem Verabreichen einer Bouillon aus Schlangenpulver, Pferdemist und Weihrauch nicht gerade versüßten.

Heiner Lünstedt

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Paco Roca: Der Mann im Pyjama

Bei uns ist Paco Roca bisher vor allem durch seine bei Reprodukt veröffentlichten Graphic Novels Der Winter des Zeichners, Die Heimatlosen, La Casa, Rückkehr nach Eden und Der Schatz der Black Swan bekannt. Dass er auch mit kürzeren Comics überzeugen kann, bewies hierzulande bisher lediglich sein äußerst gut gelungener Beitrag zur Anthologie Batman: The World, in dem Roca sich darüber Gedanken macht, wie lange es Bruce Wayne unkostümiert in angenehmer mediterraner Umgebung aushalten kann.

In seiner spanischen Heimat ist Roca einem großen Publikum auch als Der Mann im Pyjama bekannt. Ab 2010 erschienen unter diesem Titel in der valencianischen Zeitung Las Provincias wöchentlich Onepager, in deren Zentrum Roca selber stand. Seine Berufswahl als Comiczeichner machte es Roca möglich, seinen Kindheitstraum zu verwirklichen und den ganzen Tag einen Schlafanzug herumzulaufen: “Am Abend startete ich einen Rundruf bei meinen Homeoffice-Freunden. Wir wetteiferten, wer die meisten Tage im Pyjama verbringt.“

Durch seinen Hang zur Häuslichkeit hat Roca ein etwas distanziertes Verhältnis zu seinen sich hyperaktiv ins Nachtleben stürzenden Freunden und in seinen Comics amüsiert er sich über deren Versuche, auch außerhalb der eigenen vier Wände etwas aus ihrem Leben zu machen. Doch allzu große Arroganz kommt in den Comics nicht auf, dafür sorgt schon Rocas Freundin, die er “meine Nachtigall“ nennt und die die selbstzufriedene Weltsicht des Zeichners immer wieder mit guten Argumenten und Ironie in Frage stellt.

Ab 2014 wechselte Paco Roca mit seiner Serie zur wichtigsten spanischen Zeitung El Pais und zeichnete etwas umfangreichere Short Stories für die Sonntagsbeilage. Der Titel blieb gleich, doch Roca zeichnete sich nur noch sehr selten als Mann im Pyjama. Mittlerweile war er fest liiert und hatte mit seiner Nachtigall einen Sohn. Dadurch war er häufiger gezwungen die Wohnung zu verlassen und seine Comics kreisten jetzt nicht mehr ausschließlich um private zwischenmenschliche Beobachtungen.

2018 entstand eine Verfilmung

Die Comics tragen jetzt Titel wie “Das Rätsel der politischen Klasse“ oder “Die Schöpfungspflicht“ und sind nicht minder amüsanten Reflexionen über Politik, Wirtschaft oder Geschichte. Reprodukt veröffentlich den kompletten Mann im Pyjama und die Ausgabe enthält auch einige längere Comics, die Roca für die spanischen Sammelbände gezeichnet hat. Die Edition bietet ebenso kurzweilige wie anregende Lektüre, zeigt aber auch, wie sich Paco Roca als Zeichner und Erzähler ständig weiterentwickelt hat.

Heiner Lünstedt

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