Olivia Vieweg: Bin ich blöd, oder was? – Klassenfahrt des Grauens

Die 1987 in Jena geborene Olivia Vieweg überzeugte bereits mit ihren Comic-Alben. Bei Huck Finn, ihrem Beitrag zu Suhrkamps Comicreihe, handelt es um eine in die ostdeutsche Gegenwart verlegte Neuinterpretation von Mark Twains Klassiker. Antoinette kehrt zurück hingegen ist das erfreuliche Resultat eines von den Egmont Verlagsgesellschaften ausgeschriebenen Wettbewerbs und beschäftigt sich vor dem Hintergrund einer spannenden Geschichte mit Mystery-Touch mit dem Thema „Mobbing“. Auch ihr Comic Schwere See, mein Herz ist sehr empfehlenswert.

Olivia Vieweg: Bin ich blöd, oder was? - Klassenfahrt des Grauens
Bei ebenfalls den ebenfalls zur den Egmont Verlagsgesellschaften gehörenden Schneiderbüchern erscheint jetzt ein Buch für Kinder und Jugendliche von Olivia Vieweg, das ebenfalls überzeugt. Hauptfigur ist die 15-jährige Mari, die das Mauerblümchen in der Eliteklasse ihrer Schule aber auch in ihrer von Genies bevölkerten Familie ist. Einziger Lichtblick ist ihre wunderschöne immer fröhliche Freundin Stella, die dank ihres Talents sich in der Schule durchzumogeln den Spitznamen „Spicka“ trägt.

Olivia Vieweg: Bin ich blöd, oder was? - Klassenfahrt des Grauens

Das Buch Bin ich blöd, oder was? schildert die Erlebnisse von Mari und Spicka auf einer „Klassenfahrt des Grauens“, bei der fast alles schief läuft. Wir bekommen Einblick in Maris intimes Tagebuch. Hier hält sie ihre meist sehr komischen Gedanken fest und nicht nur wenn einmal eine Seite frei geblieben ist, platziert sie dort witzige Zeichnungen mit Comic-Elementen. Überhaupt wäre das Buch ohne auf allen Seiten eingefügten Zeichnungen nur halb so lesenswert und daher sei es auch alles Comic-Freunden wärmsten empfohlen.

Heiner Lünstedt

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Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Dieser Comic ist das erfreuliche Resultat eines von den Egmont Verlagsgesellschaften ausgeschriebenen Wettbewerbs zum Thema “Heimat 2.0“. Olivia Vieweg arbeitete zum Zeitpunkt der Ausschreibung bereits an ihrem bei Suhrkamp erschienenen Comic Huck Finn und hatte die Geschichte Antoinette kehrt zurück eigentlich für eine befreundete Zeichnerin geschrieben. Als sich dies zerschlug reichte sie ihren Entwurf bei Egmont ein und gewann das Comic-Stipendium.

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Sie erzählt von einer attraktiven erfolgreichen jungen Frau, die in Los Angeles bei einer Werbeagentur beschäftigt ist und einen Hollywood-Star zum Freund hat. Doch Antoinette ist dennoch von Selbstzweifeln geplagt, sie verleugnet ihre Heimat Deutschland und behauptet sie käme aus Schweden. Dennoch wirft sie jeden Tag per Webcam einen Blick auf ihren im Harz gelegenen kleinen Heimatort. Eines Tages sieht sie dabei wie eine nackte Frau, die ihr totales Ebenbild ist, durchs Bild huscht. Daraufhin macht sich Antoinette auf den Weg nach Harzberg, da sie dort noch einige Rechnungen zu begleichen hat…

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Antoinette kehrt zurück behandelt vor dem Hintergrund einer spannenden Geschichte mit Mystery-Touch ein ernstes Thema. In Rückblenden fließt immer wieder ein, wie grausam Antoinette in ihrer Jugend von ihren Schulkameraden gemobbt wurde. Da sie intelligenter und attraktiver als viele ihrer Mitschülerinnen war, wurde sie mit ihrer psychisch kranken Mutter aufgezogen. Damit sie dennoch dazugehören durfte, wurde ihr ein grausames Ritual abverlangt.

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Genau wie schon bei Huck Finn oder auch bei Schwere See, mein Herz überzeugen hier neben der Story auch Olivia Viewegs Bilder. Simpel gezeichnete aber ausdrucksstarke Figuren mit leichtem Manga-Touch, detailfreudig ausgeführte Landschaften sowie eine stimmungsvolle rotbraue Kolorierung setzen sich zu einem stilvollen Gesamtkunstwerk zusammen.

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Da die Egmont-Ausgabe mittlerweile verlagsvergriffen ist, hat Schwarzer Turm eine preiswerte Taschenbuch-Ausgabe des Comics mit einem schönen neuen Titelbild veröffentlicht. Dies Buch kann hier bestellt werden. Auf Wunsch kann das Buch von Olivia Vieweg mit einer Widmung oder „einer hübschen kleinen Illustration“ versehen werden!

Heiner Lünstedt

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Olivia Vieweg: Huck Finn

Bei diesem Beitrag zu Suhrkamps Comicreihe handelt es sich weniger um eine Literaturadaption sondern vielmehr um die Neuinterpretation eines Klassikers. Die 1987 in Jena geborene Olivia Vieweg verlegte Mark Twains 1884 geschriebenes nicht nur an Jugendliche adressiertes Buch Huckleberry Finn vom Mississippi des 18. Jahrhunderts ins gegenwärtige Halle an der Saale.

Olivia Vieweg: Huck Finn

Sie übernahm viele Grundmotive des Romans. Finn aus Jena lebt ebenfalls bei einer gutmütigen Witwe, die ihm als Pflegemutter dient und auch sein Leben gerät aus den Fugen als der alkoholsüchtige Vater zurückkehrt. Aus dem flüchtigen schwarzen Sklaven Jim wurde jetzt die junge Asiatin Jin, die versucht der Prostitution zu entkommen. Ihr Ziel ist Hamburg wo ihre Schwester legal lebt und Finn versucht sie per Floß dorthin zu bringen. Auch eine tragisch endende Fehde zwischen zwei Familien, die gar nicht mehr wissen warum sie verfeindet sind, kommt vor. Der “Wilde Osten“ funktioniert hier erstaunlich gut für eine glaubhaft spannende Abenteuergeschichte.

Olivia Vieweg: Huck Finn

Olivia Viewegs simples Figurendesign erinnert in den besten Momenten an Mawil (Kinderland). Die Landschafen und Städte sind detailfreudig ausgearbeitet und stimmungsvoll mit rotbrauen Aquarellfarben koloriert. Von Vieweg ist noch einiges zu erwarten, auch ihre Comics Antoinette kehrt zurück und Schwere See, mein Herz konnten überzeugen.

Heiner Lünstedt

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Olivia Vieweg: Schwere See, mein Herz

Sie heißt zwar Heidi, doch in die Berge zieht es das 13-jährige Mädchen nicht. Es gefällt Heidi in ihrer Heimatstadt Cuxhaven, denn hier kann sie bei Wind und Wetter aufs Meer blicken. Dies fällt auch der Besatzung eines kleinen Fischereibootes auf. Für Heidi geht ein Traum in Erfüllung, als sie an Bord des Schiffs darf. Hals über Kopf verliebt sie sich in den schweigsamen Kapitän des Kutters.

Olivia Vieweg: Schwere See, mein Herz
Mit ihren Freundinnen kann Heidi nicht über ihre Liebe zur Hochsee-Fischerei reden. Hier spielt sie die coole Mitläuferin und heuchelt Interesse an teuren Handtaschen oder älteren Jungs. Nur ihrem Klassenkameraden Johann ist bisher aufgefallen, dass in Heidi sehr viel mehr steckt, als sie sich traut zuzugeben…

Olivia Vieweg: Schwere See, mein Herz

Genau wie schon in Antoinette kehrt zurück oder in Huck Finn, erfreut Olivia Vieweg einmal mehr, mit einem inhaltlich und zeichnerisch überzeugenden Comic. Die nur scheinbar unspektakuläre Geschichte eines Mädchens, das langsam erkennt, wie wichtig es ist, sein eigenes Ding durchzuziehen, wird einfühlsam durch kleine prägnanten Episoden erzählt. In den schwarzweißen Bildern bleibt, trotz der thematisch passend gewählten flaschengrünen Schmuckfarbe (Heidi bastelt gerne Buddelschiffe), ein gewisser großäugiger Manga-Einfluss weiterhin spürbar. Doch Olivia Viewegs (Zeichen-) Stil wird immer unverwechselbarer.

Olivia Vieweg: Schwere See, mein Herz
Es ist schade, dass Schwere See, mein Herz vom ständig sein Graphic-Novel-Veröffentlichungs-Konzept ändernden Suhrkamp Verlag eher beiläufig herausgebracht wurde. Doch es ist niemals zu spät diesen großartigen Comic zu kaufen und zu lesen!

Heiner Lünstedt

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Olivia Vieweg: Antigone

Im sechsten Band von Carlsens Reihe Die Unheimlichen adaptierte Olivia Vieweg (Endzeit) 2019 die Tragödie Antigone von Sophokles. Genau genommen hat sie sich hat das Kernstück des vor fast 2.500 Jahren entstandenen griechischen Dramas vorgenommen. Dass der Klassiker immer noch aktuell ist, unterstreicht ein Tweet, den Vieweg ihrem Büchlein vorangestellt hat: “Der Holocaust war rechtmäßig, die Sklaverei war rechtmäßig. Vergewaltigung in der Ehe war rechtmäßig. Legalität kann nicht immer der Kompass für die Moral sein.“

Antigone ist die Fortsetzung der Sophokles-Tragödien Ödipus und Ödipus auf Kolonos. Antigone hat ihre Zwillingsbrüder verloren, die sich beim Kampf um die Macht in Theben gegenseitig getötet haben. Thronfolger wird der Tyrann Kreon, der verfügt, dass der eine Bruder mit allen Ehren bestattet wird. Die Leiche von Polyneikes, dem anderen Zwilling, wird auf Befehl Kreons dem Schlachtfeld liegen gelassen, weil er den rechtmäßigen König getötet hat.

Olivia Vieweg: Antigone

Antigone wiedersetzt sich dem Bestattungsverbot und bedeckt die Leiche mit Staub. Als Antigone gefasst wird, besteht sie darauf, dass es rechtens ist, Polyneikes die letzte Ehre zu erweisen, auch wenn er unrecht begangen hat. Kreon verurteilt Antigone zum Tode indem er sie lebendig in eine Grabkammer sperren lässt. Sein Argument: “Würde ich Dich damit durchkommen lassen, wäre ich kein Mann. Du wärst der Mann.“

Olivia Vieweg: Antigone

Die Themen ziviler Ungehorsam, staatliche Willkür und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sind leider zeitlos, wodurch Antigone erschreckend aktuell ist. Doch “erschreckend“ im Sinne von “unheimlich“ wird die Geschichte auch durch die von Olivia Vieweg pointiert eingesetzte Schmuckfarbe blutrot. Diese kommt vor allem im grausigen Finale des Comics (Stichwort “Krähen und Leichenteile“) zum Tragen.

Nachdem Carlsen kleines, seinerzeit für 12 Euro angebotenes Büchlein mittlerweile vergriffen ist, erschien beim Verlag Schwarzer Turm für 15 Euro eine doppelt so große ebenfalls gebundene Neuausgabe, die hier bestellt werden kann!  Auf Wunsch ist das Buch auch von Olivia Vieweg signiert erhältlich, mit einer hübschen kleinen Illustration versehen!

Heiner Lünstedt

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Olivia Vieweg: Endzeit

Die 1987 in Jena geborene Olivia Vieweg dürfte Comicfreunden durch ihre Alben Huck Finn, Antoinette kehrt zurück und Schwere See, mein Herz bereits ein Begriff sein. Ihre Vielseitigkeit unterstreicht das mit Comicelementen spielende für Kinder und Jugendliche konzipierte Schneiderbuch Bin ich blöd, oder was?: Klassenfahrt des Grauens.

Olivia Vieweg: Endzeit

Übersehen werden sollte auf keinen Fall Olivia Viewegs (zunächst) 80-seitiger Zombie-Comic Endzeit, der nicht nur durch die weiblichen Hauptfiguren und den moderaten Umfang eine angenehme Alternative zur US-Endlosserie The Walking Dead ist. In einem lockeren unverwechselbaren Zeichenstil erzählt Vieweg aus einer Welt, die seit drei Jahren von Zombies beherrscht wird.

Olivia Vieweg: Endzeit

Vivi und Eva versuchen als einzige Passagiere mit einem automatisch ohne Lokführer fahrenden DB-Nahverkehrszug von Weimar nach Jena zu reisen. Es kommt zu einem Halt auf freier Strecke und die jungen Frauen versuchen sich zu Fuß durchzuschlagen. Dabei haben sie schreckliche aber auch seltsame Erlebnissen, etwa wenn sie auf zwei Giraffen treffen, die durch die menschenleere Landschaft traben. Bei der Lektüre von Endzeit drängt sich die Frage auf, warum eigentlich keine deutschen Zombie-Filme gedreht werden.

Doch das ändert sich gerade. Das ZDF verfilmt Endzeit gemeinsam mit arte. Passend dazu hat sich Olivia Vieweg ihren Comic noch einmal vorgenommen, alles neu gezeichnet und ein fast schon episches 280-seitiges Werk daraus gemacht, das bei Carlsen im größeren Format erschienen ist.

Heiner Lünstedt

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Peter van Dongen: Rampokan

Rampokan befasst sich mit einem sehr dunklen Punkt der holländischen Kolonialgeschichte. Die Bevölkerung von Niederländisch-Ostindien versuchte die Zeit nach der Kapitulation der japanischen Besatzer am Ende des 2. Weltkrieges für ihre Unabhängigkeit zu nutzen. Das führte zum indonesischen Unabhängigkeitskrieg, der von 1945 bis 1949 anhielt.

Erzählt wird die Geschichte des jungen Studenten Johan Knevel, den die Sehnsucht nach seiner behüteten Kindheit, von Holland aus wieder nach Ostindien reisen lässt. Doch nichts ist mehr so wie es einmal war. Schon auf der Schiffsreise macht er sich am Tod eines Kameraden schuldig.

Dadurch wird er später erpressbar und verstrickt sich in dunkle Geschäfte. Die Niederländer benehmen sich in Ostindien wie alle Kolonialmächte – arrogant, korrupt, die Bevölkerung ausbeutend. Der Kampf gegen die verhassten Niederländer steht kurz bevor.

Peter van Dongen montiert gekonnt geschichtliche Realität mit Fiktion und deckt so die dunklen Punkte der niederländischen Vergangenheit auf. Grafisch im präzisen, detailreichen und nostalgischen Ligne-Claire-Stil gehalten, der sich im Duo-Ton-Druck (Schwarz plus brauner Schmuckfarbe) sehr gut macht.

G. N.

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Rudi Hurzlmeier: Meisterwerke der goldigen Periode

Noch niemand hat mir so präzise wie Rudi Hurzlmeier das Mysterium der Malerei nahegebracht. In seinem kurzen einleitenden Text “Der wohltemperierte Pinsel und die nackte Leinwand“ erklärt Rudi Hurzlmeier plausibel, warum es der Maler sehr viel schwerer hat als seine in anderen Sparten agierenden Kunst-Kollegen.

Rudi Hurzlmeier Meisterwerke der goldigen Periode

Während die Musik im Piano und die Skulptur im Marmorblock ja bereits enthalten sind, steht der Maler vor dem schieren Nichts bzw. der nackten Leinwand. Zudem muss der Maler, wenn er gut ankommen möchte, bestimmte Genres bedienen. Hurzlmeier bringt dies auf den Punkt: “Besonders gerne gesehen sind Obst, Frauen, Pferde und Gebirge.“ Warum dies so ist erklärt Hurzlmeier genauso präzise wie die Tatsache, dass Renaissance und Moderne maßlos überschätzt werden.

Rudi Hurzlmeier Robert Crumb

Allein dieser erleuchtende Text rechtfertigt schon den Kauf des Buchs. Doch darüber hinaus gibt es auch noch hochwertige Reproduktionen von Rudi Hurzlmeiers “Meisterwerken der goldigen Periode“. Wobei es in diesem Fall sehr begrüßenswert ist, dass der Künstler seine Angst vor der nackigen Leinwand überwinden konnte, voll auf die Tube drückte und im altmeisterlichen Stil nicht nur die Bedürfnisse seiner Kundschaft nach Obst, Frauen, Pferden oder/und Gebirgen abdeckte. Rudi Hurzlmeier garnierte seine Bilder zudem auch noch mit der Abbildung von nur auf den ersten Blick völlig unpassenden Dingen wie massierenden Gorillas, fahrradfahren Tauchern, Bären mit runtergelassener Fellhose oder einem riesigen Kürbis. Letzteres ist besonders gewagt, weil es sich dabei um kein Obst handelt. Mehr Maler-Mut ist kaum möglich!

Heiner Lünstedt

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Joe Hill: Sea Dogs

Inspiration für diesen Comic könnte der Klassiker Watchmen gewesen sein. Alan Moore und Dave Gibbons ließen in kleinen Portionen die von Bertolt Brechts Song der Seeräuber Jenny (“Und ein Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen“) inspirierte Geschichte Tales Of The Black Freighter mit in die Handlung ihres Comics einfließen. Als 2012 eine nicht unumstrittene Prequel-Fortsetzung erschien, enthielten die meisten US-Hefte von Before Watchmen als Zugabe zwei Seiten des Piratencomics The Curse of the Crimson Corsair.

Ähnlich ging auch Joe Hill (Locke & Key, Blind) bei seinem DC-Label Hill House vor. Der Sohn von Stephen King garnierte die von ihm geschriebenen Serien Ein Korb voller Köpfe und Schiff der lebenden Toten, aber auch die von ihm produzierten Titel  Im tiefen, tiefen Wald, Das Puppenhaus und Daphne Byrne – Besessen mit den meist aus zwei Seiten bestehenden Kapiteln einer maritimen Geschichte, die Piraten-Klischees und Werwolfs-Geheul verknüpft.

Zusätzlichen Reiz bekommt die Story dadurch, dass sie vor dem Hintergrund des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs angesiedelt ist. Da es Ende des 18. Jahrhunderts schlecht aussah für die nordamerikanischen Kolonisten, die sich von der englischen Krone lösen wollten, lag die Idee (zumindest für Joe Hill) recht nahe, dass die Aufständischen Werwölfe einsetzten, um Angst und Schrecken zu verbreiten.

Diese in kleinen blutigen Häppchen erzählte Geschichte gewinnt noch zusätzlichen Reitz dadurch, dass erst am Ende enthüllt wird, wer an Bord des übermächtigen britischen Kriegsschiff HMS Havoc den Vollmond anheult und Besatzungsmitglieder zerfetzt. Die Zeichnungen des Briten Dan McDaid lassen an klassische Comics aus dem Hause EC denken und erzeugen genau die richtige ebenso nostalgische wie schaurige Atmosphäre.

Auf 333 Exemplare limitiertes Hardcover

Es ist sehr erfreulich, dass Panini eine in dieser Form nicht in den USA erschienene, liebevoll aufgemachte Gesamtausgabe von Sea Dogs herausgebracht hat.

Heiner Lünstedt

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Lika Nüssli: Starkes Ding

Auf Anhieb ist nicht jedes Wort und jedes Bild zu verstehen. Doch diese Fremdartigkeit bei Dialekt und Darstellung macht neugierig. Im Zentrum von Lika Nüsslis mit dicken schwarzen Strichen meist recht reduziert zu Papier gebrachten Bildern steht der kleine Ernst. Dieser lebt und arbeitet zusammen mit seinen sechs Geschwistern auf einem Bauernhof in den Bergen.

Trotz der vielen Tätigkeiten, die der Junge zu verrichten hat, fühlt er sich inmitten seiner Familie, des Viehs und der geliebten Hühner geborgen. Dies ändert sich abrupt, als die Eltern das Angebot erhalten, ihren zwölfjährigen Sohn für einen Franken am Tag an einen fremden Bauern zu verleihen. Als Verdingbub muss Ernst seine vertraute Umgebung verlassen und noch härter als zuvor arbeiten. Er bekommt nicht genug zu essen, wird unfreundlich behandelt und gezüchtigt…

Diese Geschichte scheint aus lange vergangenen mittelalterlichen Zeiten zu stammen. Doch sie spielte sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ab. Bis hinein in die 70er-Jahre war es in der als wohlhabend geltenden Schweiz nicht illegal und auch nicht unüblich, Kinder gegen Geld auf fremden Höfen Sklavenarbeit verrichten zu lassen.

Als Lika Nüssli wegen des Corona-Lockdowns sieben Wochen in einer Wohnung in Belgrad festsaß, nutze sie die Zeit, um mit ihrem Vater lange Telefonate zu führen. Erstmals erfuhr sie Details über die vier harten Jahre, die Ernst Nüssli als Verdingbub verbringen musste.

Der daraus resultierende Comic ist trotz zahlreicher schwer zu Herzen gehender oder auch wütend machender Sequenzen dennoch kein durchgehend finsteres Werk. Nüssli erzählt auch davon, dass ihr Vater sein Schicksal als Herausforderung ansah und die schönen Momente um so mehr genossen hat.

Bemerkenswert ist auch die Veröffentlichungsform als großes broschiertes Paperback, das mich an die Malbücher aus Kindertagen denken lässt. Die Edition Moderne räumt Lika Nüsslis eigenwilligen Bildern viel Raum ein, lässt sie atmen und ihre faszinierende Wirkung voll entfalten.

Heiner Lünstedt

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