Chris Scheuer: Buch I

Bereits 1984 auf dem 1. Internationalen Comic-Salon in Erlangen wurde der Österreicher Chris Scheuer als „Bester deutschsprachiger Comickünstler“ ausgezeichnet. Seinerzeit überraschte er immer wieder mit beeindruckend in einem eigenen Stil gezeichneten Comics wie Marie Jade oder Sir Ballantime.

Doch leider wurden diese nicht von Scheuer geschriebenen Stories nur sehr selten seiner großartigen Grafik gerecht. Für einige Jahrzehnte gab es in der Comicszene kaum ein Lebenszeichen von Scheuer. Erst 2019 kam es zu einer Art Comeback. In gleich drei Bänden adaptierte Scheuer unter dem Titel Reiche Ernte Kurzgeschichten seines Landmanns Matthias Bauer. Zudem illustrierte er dessen für ein junges Publikum geschriebenen Vampir-Roman Vollmondnächte.

Für mich waren die Storys der Reiche-Ernte-Trilogie die ersten wirklich lesbaren Comics von Chris Scheuer, wobei aber auch klar war, dass hier noch sehr viel Luft nach oben ist. Doch jetzt hat Scheuer endlich einen Autor gefunden, der seinen beträchtlichen Talenten wirklich gerecht wird: Sich selbst.

Scheuer schreibt über ein Thema, das ihm wirklich am Herzen liegt und in dem er sich wirklich sehr gut auskennt. Unter dem schlichten Titel Buch I erscheint der erste Band einer sehr lässig zu Papier gebrachten Autobiografie. Im Gegensatz zu so manchem grafischen Selbstdarsteller, hat Chris Scheuer – genau wie Ulli Lust in Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens – wirklich etwas zu erzählen.

In Buch I lässt der 1952 in Graz geborene Scheuer auf 120 Seiten die ersten zwanzig Jahre seines Lebens Revue passieren. Zwar nennt er seine Hauptfigur schlicht Sch., doch es ist davon auszugehen, dass seine Erlebnisse, etwa mit einem prügelnden Priester im Internat, ratlosen Pädagogen, die es eine Weile zuließen, dass einige ihrer Schüler im Klassenzimmer wohnten, den Drogenerfahrungen, dem Knastaufenthalt oder den Reisen kreuz und quer durch Europa ohne einen Schilling in der Tasche, halbwegs wahrheitsgetreu zu Papier gebracht wurden.

Die traurige Wahrheit ist, dass dieses Buch nicht mit angemessenen Stolz von einem etablierten Verlag veröffentlich wird, sondern hierzu eine Crowdfunding-Kampagne vonnöten war. Diese organisierte dankenswerterweise Achim Schnurrer, der Scheuers Comic völlig zurecht mit diesen Worten lobt: “Der Mann hat in seinen ersten zwei Jahrzehnten nicht nur mehr erlebt, als viele Menschen in ihrem ganzen Leben; er hat es auch auf eine Weise zu Papier gebracht, die alle vom Hocker haut und das nicht nur einmal, sondern auf jeder Seite – immer wieder.“

Für 50 Euro gibt es bei der edition aleph von Scheuers Buch I eine sehr schöne auf 100 Exemplare limitierte Hardcoverausgabe mit Lesezeichen, Schutzumschlag und handsignierten Holzschnitt.

Heiner Lünstedt

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Reddition 78: Das Spirou-Magazin in den 1980er Jahren

Die 78. Ausgabe des Fachmagazins Reddition beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit dem Journal de Spirou. Im Zentrum der Zeitschrift für graphische Literatur stehen einige Künstler, die das seit 1938 bestehende Comicmagazin und die frankobelgische Comiclandschaft in den Achtzigern entscheidend geprägt haben.

Dazu gehören zweifelsohne Tome & Janry, die von 1984 bis 1998 die Traditionsserie Spirou erfolgreich fortgeführt haben. Das Duo rief zusätzlich noch die als Album doppelt so erfolgreiche, nur bedingt jugendfreie, Serie Der kleine Spirou ins Leben.

Zeitweise erzählten mehrere Künstler oder Teams gleichzeitig und in unterschiedlichsten Stilen Geschichten aus dem Spirou-Universum. Dazu gehören die in dieser Reddition porträtierten Zeichner Bernard Hislaire alias Yslaire, Frank Le Gall (Theodor Pussel) oder Frank Pé (Jonas Valentin), der nach einem Szenario von Zidrou mit Die Bestie einen erstaunlichen Comic mit dem Marsupilami zu Papier brachte.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber auch der aktuelle Asterix-Zeichner Didier Conrad, der gemeinsam mit dem vielseitigen und äußerst produktiven Autor Yann (Gringos Locos, Spirou: Operation Fledermaus) die weder mit brutaler Action noch mit Sex geizende Serie Helden ohne Skrupel (Les Innommables) ins sich eigentlich an junge Leser wendende Spirou-Magazin schmuggeln konnte.

Erster Auftrii von Les Innommables

Die Reddition beschäftigt sich ausgiebig mit Conrad, Yann sowie der interessanten Publikationsgeschichte von Helden ohne Skrupel, deren dreizehn Bände auch bei uns erschienen sind. Einmal mehr gelang dem Team vom Herausgeber Volker Hamann ein liebevoll aufgemachtes und reich bebildertes Magazin, das auch Kennern der frankobelgischen Comicszene neue Erkenntnisse bescheren dürfte.

Heiner Lünstedt

Zu bestellen unter: www.reddition.de

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Mahler: Komplett Kafka

Bereits 2021 erzählte der Wiener Nicolas Mahler (Flaschko, den Mann in der Heizdecke, Kunsttheorie versus Frau Goldgruber) Episoden aus dem Leben eines prominenten Literaten. Dabei handelte es sich jedoch um Die unkorrekte Biografie von Thomas Bernhard, in der Mahler – basierend auf einer Behauptung des Autors – darstellte, wie Bernhard “allein mit einem Rucksack durch Österreich“ ging und “in 4 Wochen mehr Bücher als der Insel Verlag“ verkaufte.

Auch Komplett Kafka beginnt mit einer alles andere als belegten Behauptung, denn Mahler zeigt, wie Rabbi Löw, der bereits den Golem schuf, 1852 in Prag einen Klumpen Lehm in den Vater von Franz Kafka verwandelte. Doch Mahler stellt selbst richtig, dass diese Vorgeschichte “wahrscheinlich nicht stimmt“, denn “Rabbi Löw ist ja schon 1609 in Prag gestorben“.

Doch wie der umfangreiche Anhang belegt basiert das neue Buch von Mahler auf einem intensiven Quellenstudium. Kafkas Lebensgeschichte ist ebenso skurril wie Mahlers Prolog mit Rabbi Löw, denn die Frauengeschichten des Autors sind ebenso merkwürdig wie seine Texte.

Leben und Werk des 1924 im Alter von 40 Jahren in Österreich verstorbenen Kafkas sind eine sehr gute Steilvorlage für Mahler. Beides verwandelt der Meister des reduzierten Zeichenstils in ein durch interessante Zitate gewürztes Buch, das so wirkt, als hätte Mahler es sich komplett selbst ausgedacht.

Heiner Lünstedt

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Detektiv Carol

Es ist erstaunlich, was der All Verlag in letzter Zeit alles an frankobelgischen Klassikern als deutschsprachige Premieren präsentiert. So erscheint dort etwa die ab 1958 locker und humorvoll von den Comicgrößen Jean-Michel Charlier (Blueberry) und Eddy Paape (Luc Orient) in Szene gesetzte Abenteuerserie Marc Dacier als 18-bändige Gesamtausgabe.

Ebenfalls von Paape stammt die erstaunlich unkonventionelle Science-Fiction-Reihe Detektiv Carol, deren Titelheldin zusammen mit der außerirdischen Katze Rom ziemlich durchgeknallte Ermittlungen durchführte. Die Geschichten stammen von André-Paul Duchâteau (Yalek), der sich für Rick Master ein halbes Jahrhundert lang besonders knifflige Kriminalfälle ausdachte.

Die Gesamtausgabe von Detektiv Carol hat einen Umfang von 96 Seiten und enthält sieben Geschichten, die zwischen 1978 und 2001 entstanden sind. Der erste Comic Mission 2012 erschien im Taschenbuch Tintin Sélection und später zusammen mit drei weiteren Kurzgeschichten im Luc-Orient-Album 17 Die Sporen aus dem Nichts.

Fünf weitere Kurzgeschichten mit Detektiv Carol erschienen in Hello Bédé dem Nachfolgemagazin von Tintin. Den Abschluss bildete der 46-seitige Comic Mission Atlantide, den Paape 2001 für den zweiten Band einer Gesamtausgabe in Schwarzweiß realisierte.

Vorzugsausgabe

Freunde von Luc Orient und Le Journal Tintin kommen um dieses Buch nicht herum.

Heiner Lünstedt

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Todd McFarlane: Spider-Man

Mit einer überformatigen Hardcover-Edition feiert Panini jene Comics, die Todd McFarlane zum absoluten Superstar der Comicszene machten. Als in den USA im August 1990 das erste Heft einer von McFarlane im Alleingang realisierten Spider-Man-Serie erschien, wurden davon 2,5 Millionen Exemplare verkauft. Dieser sagenhafte Erfolg kam auch durch die zahlreichen Variant-Cover zustande, auf denen dasselbe Motiv in unterschiedlichen Kolorierungen abgebildet war.

Nach sechzehn Heften verließ McFarlane Spider-Man und auch Marvel. Im von ihm mitgegründeten Verlag Image veröffentlichte er seine neue Serie Spawn und das erste Heft verkaufte sich 1,7 Millionen Mal. Das ist angesichts der völlig unbekannten Figur mehr als erstaunlich und auch als Produzent von Actionfiguren überraschte McFarlane immer wieder durch seinen erstaunlichen Geschäftssinn.

Doch lohnt sich eine Erst- oder Wiederbegegnungen mit jenen vor über dreißig Jahren entstandenen sagenhaft erfolgreichen Spider-Man-Comics? Zwar ist Todd McFarlane ganz gewiss nicht der beste Comicautor der Welt, seine Bildinszenierung kann sich jedoch immer noch sehen lassen. McFarlanes Markenzeichen sind nebeneinander angeordnete hochformatige Panels, die sich über die ganze Seite ziehen.

Ebenso markant sind die ungewöhnlichen Verrenkungen der Hauptfigur. Im Anhang dieses Buchs befindet sich ein von Fred Hembeck im Funnystil gezeichneter Comic, in dem sich ein bandagierter Spider-Man über die “sehnenzerfetzenden Posen“ beklagt, die McFarlane ihm immer wieder zumutet.

Doch andererseits muss Spidey auch zugeben, dass seine Frau Mary Jane mit ihrer roten Mähne noch nie so attraktiv ausgesehen hat wie bei McFarlane…

In seinen Comics erzählt McFarlane zwar auch davon, dass Mary Jane darunter leidet, dass ihr Ehemann nachts immer im Kostüm durch New York patrouilliert. Doch im Gegensatz zu anderen Spider-Man-Autoren interessiert sich McFarlane nicht für Beziehungsprobleme, sondern hauptsächlich für spektakulär in Szene gesetzte Action. Davon hat die erste Story Tormet (Qualen), die sich durch fünf Hefte zieht und Spider-Man mit dem Lizard sowie einigen Überraschungsgästen konfrontiert, einiges zu bieten.

Um einiges interessanter ist die in McFarlanes Heimat Kanada angesiedelte ebenfalls fünfteilige Story Perceptions (Wahre Monster). Hier wird nicht ungeschickt Action mit einer Krimihandlung und Kritik am Sensationsjournalismus verknüpft, Doch die Hauptattraktion ist zweifelsohne der ausgedehnte Gastauftritt von Wolverine, den McFarlane in spektakulären Actionszenen richtig aufdrehen lässt.

Abgerundet wird dieser immer noch lesenswerte Band durch 44 Seiten mit hochinteressanten Bonusmaterial wie Variantcovern, einem lesenswerten Text von Marvel-Redakteur Jim Salicrup und in sehr guter Qualität reproduzierten Originalseiten.

Heiner Lünstedt

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Barbara Yelin: Emmie Arbel

Bereits der 2022 erschienene Band Aber ich lebe – Vier Kinder überleben den Holocaust enthält einen 37-seitigen Comic von Barbara Yelin über Emmie Abel. Diese wurde 1942 zusammen mit ihrer jüdischen Familie aus den Niederlanden deportiert. Im Gegensatz zu ihren Eltern und Großeltern überlebte sie die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen.

Barbara Yelin zeigt wie die achtjährige Emmie 1945 kurz nach der Befreiung miterleben muss, wie ihre Mutter stirbt. Die Comickünstlerin arbeitete für ihren Comic eng mit Emmie Arbel zusammen und erzählt auch davon, wie diese noch heute darüber nachdenkt, ob ihre Mutter vielleicht überlebt hätte, wenn sie ihrer Tochter nicht ihr Essen gegeben hätte.

Emmie Arbel war zunächst skeptisch, ob eine Graphic Novel das richtige Medium wäre, um ihre Erlebnisse zu erzählen. Doch als sie das Resultat sah, war sie – genau wie Barbara Yelin – der Meinung, dass knapp 40 Seiten bei weitem nicht ausreichen, um ihren Erinnerungen gerecht zu werden.

Daher entstand mit Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung ein 160-seitiger Comic, der sich auch äußerst intensiv damit beschäftigt, dass die Befreiung aus dem KZ kein Happy End war, weil danach das Leiden nicht aufhörte. Auf Emmie Arbels ausdrücklichen Wunsch hin thematisiert Barbara Yelin im Comic auch, dass die knapp zehnjährige Holocaust-Überlebende von dem Vater ihrer niederländischen Pflegefamilie ein Jahr lang fast jeden Tag sexuell missbraucht wurde.

Trotz der Einblicke in schreckliche Finsternisse ist der Comic kein durchgehend trauriges Buch. Barbara Yelin erzählt auch davon, wie Emmie Arbel nachdem sie nach Israel immigrierte – trotz zahlreicher Widerstände – ihren eigenen Weg ging und heute viel Zeit mit ihren Töchtern und ihrem Enkel im Garten ihres Hauses in der Nähe von Haifa verbringt.

Mit Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung gelang Barbara Yelin eine Graphic Novel, die sich durch die wohlüberlegte kunstvolle Visualisierung und die menschliche Nähe, die die Autorin zur Hauptfigur aufbaut, ebenso intensiv wie Art Spiegelmans Klassiker Maus mit dem Schicksal von Holocaust-Überlebenden beschäftigt.

Heiner Lünstedt

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André Franquin: Die Bravo Brothers

Am 3. Januar 2024 wäre der 1997 verstorbene André Franquin 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass erscheinen bei Carlsen einige schöneJubiläumseditionen mit Werken des belgischen Comickünstlers, wie etwa den Schwarzen Gedanken oder neu zusammengestellte Geschichten mit Gaston. Mein persönlicher Höhepunkt ist eine Deluxe-Ausgabe des 1965 im Spirou-Magazin veröffentlichten Comics Die Bravo Brothers, die Franquin selbst für sein bestes Werk hält.

Bei dieser 22-seitigen Story handelt es sich um einen der ganz wenigen Comics, in denen Gaston an der Seite von Spirou und Fantasio agiert. Hauptfiguren der Geschichte sind jedoch die Titelhelden, ein sehr selbstbewusstes Schimpansen-Trio, das allerlei Kunststücke draufhat. Wer nicht applaudiert, wenn sich die Bravo Brothers als Einradfahrer oder Kunstschützen betätigen, bekommt von der Affenbande ein blaues Auge verpasst.

Gaston hält die Schimpansen für das ideale Geburtstagsgeschenk, um Fantasio damit an seinem Arbeitsplatz zu überraschen. Dies führt in der Redaktion des Comicverlags zu einem heillosen Chaos, wobei sich überraschenderweise ausgerechnet Herr Bruchmüller, der wieder keinen Vertrag unterzeichnen kann, als ausgesprochener Schimpansen-Fan bestens amüsiert.

Nicht unerwähnt bleiben soll Herr Noah, der den Bravo Brothers ihre Tricks beibrachte und auch ansonsten ein begnadeter Dresseur ist. Doch der arme Herr Noah kommt mit Tieren sehr viel besser aus als mit Menschen. Als Franquin 1968 aufhörte die Abenteuer von Spirou und Fantasio zu zeichnen, bestand er darauf, dass in der Serie künftig weder das Marsupilami noch Herr Noah auftreten dürfen, denn er schuf später Comics, in denen diese Figuren (teilweise gemeinsam) auftreten.

Alle Abbildungen © DUPUIS 2012, by Franquin

Carlsens Deluxe-Ausgabe enthält Die Bravo Brothers gleich zweimal. Einmal als neu kolorierte und übersetzte Version und zusätzlich noch Franquins schwarzweiße Originalseiten. Diese wurden fachkundig von José-Louis Bocquet und Serge Honrez kommentiert. Zusätzlich kommen zahlreiche Skizzen und Fotos zum Abdruck. Dadurch wird vermittelt, was für ein großartiger Mensch und Künstler André Franquin war.

Heiner Lünstedt

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Marc Dacier

Dieser Comic wurde ab 1958 fast ein Jahrzehnt lang im Magazin Spirou veröffentlicht. Obwohl die Serie von den auch hierzulande bekannten Comicgrößen Jean-Michel Charlier (Blueberry) und Eddy Paape (Luc Orient) produziert wurde, erlebt Marc Dacier erst jetzt seine deutschsprachige Premiere.

Titelheld der Serie ist ein junger Mann, der unbedingt bei der renommierten Tageszeitung L’éclair als Journalist arbeiten will. Die Hartnäckigkeit mit der Marc Dacier versucht den Herausgeber der Zeitung von seinen Qualitäten zu überzeugen, trägt Früchte.

Der Nachwuchsjournalist wird auf eine Weltreise geschickt. Er soll in vier Monaten den Erdball umrunden, allerdings wird ihm hierfür keinerlei Budget zugestanden. Dacier lässt sich davon nicht abschrecken und stürzt sich von einem Abenteuer ins nächste.

Die locker und humorvoll in Szene gesetzte Serie kann auch heute noch gefallen. Daher ist es sehr erfreulich, dass der All Verlag in dreizehn Hardcoverbänden alle Abenteuer von Marc Dacier veröffentlichen wird.

Heiner Lünstedt

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John Prentice: Rip Kirby

Am 6. September 1956 verunglückte Alex Raymond bei einem Autounfall. Durch seine kunstvollen Bilder wurde die Science-Fiction-Comics mit Flash Gordon zu einem Klassiker. Nachdem er aus dem Krieg zurückkehrte, zeichnete Raymond ab 1946 in einem eleganten Schwarz-Weiß-Strich täglich Strips mit den Abenteuern des Detektivs Rip Kirby, und auch diese Serie wurde zu einem großen Erfolg.

John Prentice: Rip Kirby

Daher suchte das King Features Syndicate, das die Abdruckrechte von Rip Kirby an die Zeitungen verkaufte, unter großem Zeitdruck nach einem Nachfolger für Raymond und entschied sich für den Zeichner Leonard Starr. Dieser war jedoch stärker daran interessiert, eine eigene Serie zu starten. Für Starr war es die “härteste Entscheidung meines Lebens“, als er Rip Kirby ablehnte und seinen Freund John Prentice empfahl.

John Prentice: Rip Kirby

Doch Starr traf die richtige Entscheidung, denn seine Serie Mary Perkins, On Stage erschien von 1959 bis 1979 in zahlreichen Zeitungen, und John Prentice war der richtige Zeichner für Rip Kirby, dessen Abenteuer er in den nächsten 43 Jahre in Szene setzen sollte.

John Prentice: Rip Kirby

Nachdem Bocola in acht schön aufgemachten Bänden den kompletten Rip Kirby von Raymond restauriert und in perfekter Druckqualität veröffentlichte, geht es dort mit den Comic-Strips von John Prentice weiter.

John Prentice: Rip Kirby

Mittlerweile liegen bereits fünf Bände mit dessen von 1956 bis 1964 erschienenen Rip-Kirby-Comics vor. Ein Qualitätsabfall ist kaum festzustellen, obwohl Prentice mit Schwarzflächen etwas sparsamer umging als Raymond. Die Geschichten schrieb weiterhin Fred Dickenson, den Prentice in den 80er-Jahren ablöste und dann auch das Texten übernahm.

John Prentice: Rip Kirby

Eine schöne Beigabe sind die einleitenden Texte, die in den ersten beiden Bänden auf einem Interview mit Leonard Starr basieren. Dieser kannte John Prendice wie kein Zweiter, denn beide teilten vor ihrem Durchbruch als Comiczeichner Wohnraum, Atelier, sowie ein auch als Wohnraum genutztes Atelier.

In Band 13 und 14 kommt John Prentices Sohn Whitney zu Wort, der von Brian Walker interviewt und porträtiert wird. Exzellent sind auch die in den Vorwort abgebildeten Fotos und farbigen Illustrationen von John Prendice. Schöner als in dieser Gesamtausgabe kann ein Comic nicht präsentiert werden und es ist zu hoffen, dass in dieser Form alle Abenteuer mit Rip Kirby die Prendice bis 1999 produzierte veröffentlicht werden.

Heiner Lünstedt

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Ronald Putzker: Zehn Punkte für Uganda

Ende des letzten Jahrtausends war der Wiener Ronald Putzker qualitativ und quantitativ mit Serien wie Anna Stein oder Alben wie Einsam stirbt Kolumbus in der deutschsprachigen Comiclandschaft sehr stark vertreten. Ich hoffe, ich tue ihm nicht unrecht, wenn ich das Album Zehn Punkte für Uganda als sein Comic-Comeback bezeichne.

Die vom auch als Kabarettautor tätigen Ferdinand Rieder geschriebene Geschichte spielt im Sommer 1985 im österreichischen Weinviertel, bietet viel Lokalkolorit, enthält aber auch ein Stück globale Historie. Hauptfigur ist der noch nicht ganz erwachsene Student Stefan Pribil, der auf dem Fußballplatz seines Heimatortes Unterolberndorf ein Rockkonzert mit Ostbahn-Kurti & Die Chefpartie veranstalten möchte.

Wie es der Zufall so will, zeichnete Ronald Putzker 1978 für diese Band nicht nur das Cover für die LP Liagn & Lochn, sondern auch eine Comicbeilage dazu. Doch zurück zu Stefan Pribil. Dieser leiht sich für das Konzert Geld bei der Wiener Halbweltgröße Charly. Als der Auftritt der Dialekt-Rocker wegen Regen abgesagt werden muss, gerät Stefan in große Schwierigkeiten…

Der Comic handelt aber auch vom Afrikaner Ben, den es nach Unterolberndorf verschlagen hat. Genau wie Stefan interessiert sich Ben sowohl für Fußball als auch für die äußerst attraktive Monika. Doch die Weltgeschichte verhindert ein Eifersuchtsdrama, denn Ben organisiert im Hinterzimmer des Gasthauses zum Grünen Jäger ein Trefen, das nicht ohne weitreichende Folgen blieb.

Im Wirtshaus stellt er zusammen mit einigen Männern, die genau wie er vor Idi Amin aus Uganda geflüchtet sind, ein “10-Punkte-Programm“ zur Wiederherstellung der dortigen Demokratie auf. Zu dieser Gruppe gehört auch Yoweri Museveni, der 1986 zum Präsidenten von Uganda wurde (und leider auch nicht sehr viel demokratischer als sein Vorgänger agierte).

Zehn Punkte für Uganda vermittelt sehr gut die damalige Atmosphäre, auch weil der Comic durch Putkers ausgereiften Retrostil fast so wirkt, als wäre er 1985 entstanden ist. Ferdinand Rieders Geschichte funktioniert sowohl auf der zwischenmenschlichen als auch auf der politischen Ebene und ein achtseitiger, äußerst informativer Anhang vertieft die anregende Lektüre.

Heiner Lünstedt

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