2013 präsentierte Hayao Miyazaki mit Wie der Wind sich hebt seinen angeblich letzten Animationsfilm. In großartigen Bildern erzählte er zwei mitreißende Liebesgeschichten. Eine davon trug sich zwischen den beiden Hauptfiguren zu und außerdem verlieh Miyazaki seiner Liebe zur Fliegerei Ausdruck, während Joe Hisaishis schwelgerischer Soundtrack beides untermalte.
Wie der Wind sich hebt wurde ein großer Erfolg, doch dass Miyazaki den während des Zweiten Weltkriegs für die japanische Rüstungsindustrie arbeitenden Flugzeugkonstrukteur Jirō Horikoshi zum romantischen Helden machte, stieß auf Kritik. Dies könnte ein Grund dafür gewesen sein, dass Miyazaki zehn Jahre später einen weiteren „letzten Film“ in die Kinos brachte.
Um den Inhalt von Der Junge und der Reiher machte Miyazaki ein großes Geheimnis und als einziges Werbematerial gab es ein kryptisches Plakat mit der grob hingekritzelten Zeichnung eines Vogels, in dessen Schnabel sich ein drittes Auge befindet. Dieses rätselhafte Motiv und die Tatsache, dass Miyazaki für sein Studio Ghibli doch noch einen weiteren Film gedreht hatte, ließ die japanischen Zuschauer in die Kinos strömen.
Seltsamerweise erzählt auch Der Junge und der Reiher am Rande von der Produktion japanischer Kriegsflugzeuge, denn Shoichi Maki, der Vater des zwölfjährigen Mahito leitet eine Rüstungsfabrik auf dem Lande. Dorthin zieht Mahito, nachdem seine Mutter bei einem Brand in Tokio ums Leben gekommen ist. Zum Mißvergnügen von Mahito hat sein Vater mittlerweile Natsuko, die jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau geheiratet.
Mahitos Zuhause befindet sich in der Nähe eines mysteriösen Turms, der ein Portal zu anderen Welten ist. Dort treibt ein sich sehr seltsamer Graureiher sein Unwesen, der auch nicht von Mahitos Seite weicht, als dieser sich auf die Suche nach der plötzlich verschwundenen hochschwangeren Natsuko macht…
Die von gestapelten Bauklötzen im Gleichgewicht gehaltene Welt im Turm ist selbst nach Miyazaki-Maßstäben außergewöhnlich seltsam. Hier gibt es riesengroße Wellensittiche und die kleinen kükenhaften Warawara, bei denen es sich um ungeborene Menschenseelen handelt. Hinzu kommt eine Feuerdämonin, die zugleich die jüngere Version von Mahitos Mutter ist.
Der Junge und der Reiher ist sehr viel ungewöhnlicher und wilder als der nur gelegentlich mit Fantasy-Einlagen garnierte Wie der Wind sich hebt. Doch gerade durch seine überraschende und unberechenbare Erzählstruktur steht der Animationsfilm sehr viel stärker in der Tradition von Miyazakis Meisterwerken Mein Nachbar Totoro und Prinzessin Mononoke.
Heiner Lünstedt
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