Es gab eine Zeit, da waren in der Wetterkarte der westdeutschen Tagesschau keine Ländergrenzen eingezeichnet, und in den Schulen hingen Landkarten, auf denen ganze Landstriche als “zurzeit unter polnischer Verwaltung“ markiert waren.
Dies hing mit einflussreichen Vertriebenen-Verbänden zusammen, die beständig forderten, dass die “Ostgebiete“ wieder “heim ins Reich“ kommen. Daher zuckt es bei mir immer noch ein wenig, wenn es um die zweifelsohne tragischen Schicksale von deutschen Kindern geht, die am Ende des zweiten Weltkriegs aus ihrer osteuropäischen Heimat vertrieben wurden.
Doch der Comic Die vertriebenen Kinder verfolgt keine revanchistischen Absichten, sondern ist ernsthaft an den Lebensläufen von fünf ZeitzeugInnen interessiert, die 1945 gezwungen wurden, ihre im heutigen Tschechien gelegene Heimat zu verlassen und ins zerbombte Deutschland zu ziehen.
Im Vorwort schreibt der Prager Dokumentarist Jan Blažek, der die diesem Comic zugrundeliegenden Interviews führte, dass einer der Befragten von ihm wissen wollte, warum ihn diese Thematik “als Tscheche überhaupt interessiert“. Blažek fiel kein Grund, warum ihm das (als Tscheche) nicht interessieren sollte, und er antwortete: “Mich interessiert das einfach als Mensch.“
Der Schriftsteller und Kinderbuchautor Marek Toman verarbeitete fünf der Interviews zu Comic-Szenarios, die die jungen tschechischen ZeichnerInnen Jakub Bachorík, Magdalena Rutová, Stanislav Setinský, Františka Loubat und Jindřich Janíček in sehr individuellen Stilen zu Papier brachten. Gelegentlich steht der Anspruch einen eigenen Stil zu präsentieren der Lesbarkeit etwas im Wege.
Doch drei der in diesem Band enthaltenen Comicgeschichten gehen wirklich schwer zu Herzen und lassen unweigerlich auch an das Schicksal von zahlreichen heutigen Flüchtlingen denken. Zum Comicfestival München zeigt das Sudetendeutsche Haus vom 1. bis zum 31. Juni 2023 eine Ausstellung zu Die vertriebenen Kinder.
Heiner Lünstedt
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