Steffen Haas entwickelt sich immer mehr zum Renaissance-Menschen. Gemeinsam mit Gunter Hansen zeichnet er weiterhin die Serie Das Küken, die Maus und das Bier, regelmäßig tritt er live singend mit seinen Motionless Movies auf, er ist als Dozent tätig, zeichnete einen 13 Meter langen blutigen Märchencomic und organisierte eine Dackelparade samt übergroßen Hund und zugehöriger Ausstellung.
Aktuell überrascht Haas als Kurator einer noch bis zum 17.09.2024 im Valentin-Karlstadt-Musäum gezeigten Präsentation des Bildergeschichten-Klassikers Vater und Sohn. 1934 startete die Serie in der Berliner Illustrirte Zeitung (kein Schreibfehler). Der in Plauen aufgewachsene Erich Ohser signierte die Geschichten mit dem Pseudonym e.o.plauen, da er sich in der Weimarer Republik als Karikaturist gegen die Nazis positioniert hatte. Ohser stellte die Serie 1937 ein, weil er nicht wollte, dass seine Figuren noch stärker von Goebbels & Co für Propaganda-Zwecke genutzt werden.
Doch zurück zu Steffen Haas. Für seine Ausstellung zu Vater und Sohn wählte er den originellen Titel Die vergessenen Rosinen. So benannte Ohser eine seiner besten Bildgeschichten, deren Inhalt Haas in allerbester Schulaufsatz-Tradition wie folgt nacherzählt hat: “In seinen Comics lässt Ohser seine beiden Antihelden eine eher provisorische Junggesellenernährung zelebrieren. Werden beim Backen die Rosinen vergessen, so schießt man sie kurzerhand mit dem Jagdgewehr in den Kuchen.“
Dieses Zitat stammt aus dem von Haas sehr anregend zusammengestellten Begleitbuch zur Ausstellung, das natürlich auch den Titel Die vergessenen Rosinen trägt. Hierin kommen die Rosinen unter den Bildergeschichten nicht in chronologischer Reihenfolge zum Abdruck, sondern wurden thematisch geordnet und mit Ohsers Biografie abgeglichen. Das Resultat kann voll überzeugen.
Heiner Lünstedt
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