Am 11. Juni 2023 wurden im Amerikahaus München die PENG!-Preise verliehen.
Die Auszeichnung das Lebenswerk erhielt Asterix-Übersetzerin Gudrun Penndorf.
Hier kann die zugehörige Laudatio von Timur Vermes nachgelesen werden:
Übersetzen ist ein harter Job. Gerade ins Deutsche. Gerade im Comic. Weil das Deutsche sehr präzise ist und mehr Platz braucht. Comic-Übersetzungen haben aber nur den Platz, der in der Sprechblase ist. Warum, das hat Gudrun Penndorf mal in einem Interview verraten: Weil das Vergrößern der Sprechblase mehr Geld kostet als der Übersetzer.
Komische Comics übersetzen ist ein Knochenjob. Weil das Ergebnis nicht nur richtig sein muss, sondern auch noch lustig. Und die Mühe, die Sie dabei haben, darf der Leser nicht spüren. Das Ergebnis muss sich lesen, als hätten Sie beim Übersetzen den Spaß ihres Lebens gehabt.
Komische Comics möglichst getreu im Sinne der Autoren zu übersetzen, ist die Hölle. Da kommen wir zu der Sache mit der Witzdichte. Ein Asterix-Band lebt nicht von einem Gag, sondern von einem recht präzise getakteten Dauerfeuer. Es kommt immer vor, dass eine oder zwei Pointen nicht übersetzbar sind. Aber die dürfen Sie nicht einfach weglassen. Weil Sie damit den Pointenrhythmus beschädigen. Sie müssen die Gags also ersetzen. Und René Goscinny wird sich keine neuen für Sie ausdenken: Sie müssen zu einem deutschen Goscinny werden.
Wenn Sie arbeiten wie Gudrun Penndorf. Was nicht selbstverständlich ist.
Wir schreiben das Jahr 1968 nach Christus. Ganz Deutschland ist von eigenwilligen Dolmetschern besetzt. Rolf Kauka hat gerade die Rechte an Asterix verloren, weil er ihn als rechtsradikale Spielwiese missbrauchte. Henry Fonda sagt im Kino: „Na komm, spiel mir das Lied vom Tod.“ Aber es gibt im Original kein „Lied vom Tod“. Frei erfunden. Kurz darauf beginnt der Erfolg des Schnodderdeutsch: „Herr Graf haben gescherzt.“ „Mach schon Platz, ich bin der Landvogt!“ Das sind die naheliegendsten Optionen, als Gudrun Penndorf mit Asterix beginnt:
Die Rainer-Brandt-Schule: „Halt deinereiner kurz den Zenturio, ich gehe mal eben für kleine Gallier.“
Oder, die etwas elegantere Erika-Fuchs-Schule, angereichert mit dem Zitatenschatz des deutschen Bildungsbürgertums. „Ich gehe zu Miraculix – von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern.“
Gudrun Penndorf hat anders gearbeitet. Wenn Sie sie fragen wird sie sagen, das sei nicht ihre Idee gewesen. Sondern der Wunsch der Franzosen. Aber: Das Unmögliche wollen ist eine Sache, es auch zu erreichen eine ganz andere. Also arbeitete Gudrun Penndorf ganz nah am Original. Und wenn Gags in der Übersetzung verloren gehen, verloren gehen müssen, kämpfte sie bis ins Detail um Ersatz.
Wie das geht? So:
Asterix und Obelix kommen an die Schweizer Grenze. Ein Grenzer will wissen, ob sie was zu verzollen haben. Obelix sagt, was er hat, nämlich: „Hunger.“ Daraufhin drückt ihm der Grenzer den Zeigefinger in den Bauch und fragt: „Was haben Sie da?“
Und Obelix sagt schlicht: „Eine Delle.“ Wenigstens in Frankreich.
Bei uns fragt der Grenzer: „Was ist da drin?“
Und Obelix sagt: „Kohldampf.“ Er setzt auf den Hunger von vorhin einen drauf.
In einem See finden Asterix und Obelix den Römer, dem bei einer Orgie zum dritten Mal sein Brotstückchen ins Fondue gefallen ist, und der daraufhin in den See geworfen wird, und zwar „mit einem Gewicht an den Füßen“. Sie helfen ihm heraus und fragen ihn am Ufer, was er jetzt macht. In Frankreich sagt er, er ginge „zurück zur Orgie“, wo er vielleicht was anderes macht. Bei Gudrun Penndorf geht er „zurück zum Fondue“, das ihn wieder in den See bringt. Präziser, pointierter. So rettet sie die Witzdichte.
Ganz nahe am Original. Und manchmal ist Gudrun Penndorf sogar besser als das Original.
„Ils sont fous, ces romains.“ Die haben doch nicht alle Tassen im Schrank, diese Römer. Oder sie sind verrückt, diese Römer. Oder superhölzern wie in der Deutschlandpremiere: „Uii, die Römer sind doof.“ Gudrun Penndorf kommt nicht nur ebenfalls mit sechs Silben aus, sie spart noch zwei Buchstaben ein: „Die spinnen, die Römer.“ Und das Ergebnis ist deutlich süffiger. Was sich beweisen lässt.
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50 Prozent mehr Wirkung.
Das ist auch der Grund, weshalb Asterix und Obelix so gut altern. Besser als Bud Spencer und Terence Hill. Eher wie Loriot, der ja auch sehr genau auf die Sprache geachtet hat. Das ist der Grund, warum man Asterix, Lucky Luke, Isnogud jederzeit wieder aus dem Schrank ziehen kann. Und nochmal liest.
Eine im allerbesten Sinne nachhaltige Tätigkeit. 130 Millionen Asterix-Bände wurden in Deutschland verkauft, mehrfach gelesen, den Kindern weitergegeben. Nur sehr selten weggeschmissen. So ist eine echte Co2-Senke entstanden. Weil damals, 1968, niemand anderes Übersetzer geworden ist – anstelle der Übersetzerin.
Danke, Frau Penndorf, für 55 Jahre Comic-Spaß. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Und jetzt fesselt den Barden!
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