Der siebzehnte Band von Carlsens Gesamtausgabe der Comics mit Spirou und Fantasio widmet sich einem sehr interessanten Kapitel in der Geschichte der Traditionsserie. Als das populäre Duo Tome & Janry nach vierzehn Album immer weniger Interesse daran hatte, Geschichten mit Figuren zu erzählen, die sie nicht selbst geschaffen hatten, konzentrierten sie sich auf ihre eigene Serie Der kleine Spirou.
Die Hauptserie Spirou & Fantasio hingegen pausierte für sechs Jahre, bevor 2004 ein neues Kreativteam mit Flut über Paris einen spektakulären Neustart hinlegte. Der französische Autor Jean-David Morvan und der spanische Zeichner José Luis Munuera (Die Campbells, Bartleby, der Schreiber) sind fasziniert von der bildgewaltigen Erzählweise der Mangas. Sie verpassten dem belgischen Klassiker daher eine neue zeitgemäße Optik.
Ihr erstes Spirou-Album erzählt davon, dass Graf Pankratius Hieronymus Ladislaus Adalbert von Rummelsdorf einmal mehr eine geniale Erfindung gelang. Sein Nebulisator verwandelt Wassermassen in Wolken und diese können aus Dürregebieten fruchtbare Landschaften machen. Doch der Nebulisator wird von einer Jugendliebe des Grafen gestohlen und diese setzt Paris unter Wasser…
Für diesen alle vier Spirou-Alben von Morvan und Munuera enthaltenden Band der Gesamtausgabe spricht – neben den zahlreichen Skizzen und schwarzweißen Originalseiten, die großformatig zum Abdruck kommen – auch, dass es wieder einen einleitenden Text gibt, der sich kritisch mit der Historie der Serie auseinandersetzt.
Das neue Kreativduo rannte bei den Herausgebern nicht gerade offene Türen ein. Dort gefiel der neue Stil überhaupt nicht und an dieser kritischen Sicht änderte auch der Verkaufserfolg der Alben nichts.
Doch Morvan und Munuera blieben hartnäckig und bestanden darauf, die ihnen vertraglich zugesicherten vier Alben fertigzustellen. Nach ihrem zweiten Spirou-Comic Der Mann, der nicht sterben wollte erfüllte sich das Duo einen Herzenswunsch. Zu Recherche-Zwecken reisten sie mehrmals nach Japan, damit sie in Spirou in Tokio ihre Liebe zur Kultur und Geschichte des Landes realitätsnah zum Ausdruck bringen konnten.
Die Geschichte über ein mit sehr starken mentalen Kräften ausgestattetes Geschwisterpaar macht unübersehbare Anleihen beim Manga-Klassiker Akira. Doch auch der japanische Alltag hält realitätsnah Einzug in den Comic. Neben den beträchtlichen Schwierigkeiten im Umgang mit Hightech-WCs spielen auch jene Obdachlosen, die “vor 15 Jahren als die japanische Seifenblasenwirtschaft platzte“ ihre blauen Zelte an einer Uferpromenade aufschlugen, eine tragende Rolle.
Dieser Band enthält auch einen gleichzeitig von Hiroyuki Ooshima realisierten 38-seitigen Spirou-Manga, der die Serie auch in Japan populär machen sollte. Doch nachdem die Verlagsleitung wechselte, wurde diese interessante Idee leider nicht weiterverfolgt. Mit Zu den Ursprüngen des Z realisierten Morvan und Munuera noch einen letzten sehr traditionsbewussten Comic, der 2008 als 50. Spirou-Album veröffentlicht wurde.
Doch es gab noch eine Art Happy End, denn knapp zehn Jahre später kehrte Munuera zurück und beschäftigt sich in Zyklotrop: Die Tochter des Z mit einer Nebenfigur, mit der André Franquin 1959 das Spirou-Universum bereichert hatte.
Heiner Lünstedt
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