Gaston: Die Rückkehr eines Chaoten

Über die Frage, ob eine neue Comicversion von Gaston nötig war, könnte man stundenlang diskutieren. André Franquin, der Schöpfer des legendären Büroboten, hat immer wieder betont, dass er eigentlich dagegen sei. Doch bei dem Relaunch, den der kanadische Zeichner und Texter Marc Delafontaine alias Delaf abgeliefert hat, ist schwer vorstellbar, dass der große Meister Franquin darüber unglücklich gewesen wäre.

Auf den ersten Blick fällt beim Durchblättern natürlich das Artwork ins Auge. Dies ist gekonnt und ausdrucksstark. Einziges Manko ist vielleicht, dass Delaf – ähnlich wie der neue Asterix-Künstler Didier Conrad – ein guter Zeichner ist und dies auch zeigen will, was sich häufig in etwas zu vollgestopften Bildern mit jeder Menge versteckten Details niederschlägt.

Doch beim Humor des neuen Gastons kommen Leserinnen und Leser voll auf ihre Kosten. Die grundsätzlich als Onepager angelegten Comicseiten profitieren vom Insiderwissen der Fans, etwa, wenn Gaston auf der ersten Seite nach jahrelangem (!) Urlaub endlich wieder von seinen Kollegen empfangen wird mit den Worten: „Der Mann, der schneller scheitert, als sein Schatten ist wieder da!“

Gekonnt spielt jede weitere Seite mit diesem Wissen. Es kristallisiert sich dabei aber auch eine lose zusammenhängende Geschichte heraus. Etwa wenn Gastons zeichnerisch völlig untalentierter Kumpel mit einer Mappe unterm Arm regelmäßig siegesbewusst den Carlsen Verlag betritt, um dort seine Machwerke anzubieten. Die Verlagsangestellten ihrerseits haben alle Hände voll zu tun, sich um die neuen Erzeugnisse des (im Comic) erst kürzlich reaktivierten und quicklebendigen Großmeisters Franquin zu kümmern. Dass dabei alles schief geht, was schief gehen kann ist klar. Nur so viel: Für Gastons untalentierten Kumpel gibt es definitiv ein Happy End.

Aber auch andere Nebenfiguren aus dem Gaston-Kosmos geben sich ein Stelldichein: Fräulein Trudel, die Dauerverliebte von Gaston, die diesem bei einem Campingausflug den Hof macht, was diesem natürlich vollkommen entgeht, oder Verkehrspolizist Knüsel, der Gaston erst liebenswerterweise zu einem umkämpften Parkplatz verhilft, um ihm dann nach erfolgreichem Einparken ein Knöllchen zu verpassen. Zeitlich scheint sich nichts verändert zu haben: Dieselben alten Autos auf den Straßen, dieselbe analoge Büroeinrichtung. Am deutlichsten wird diese bewusste Verweigerung des Computerzeitalters, als Gaston ein „Mobiltelefon“ erfindet, das auf Schienen an der Wand neben ihm herfährt.

Alles in allem kann man sagen: Es wird nichts ausgelassen, was das Fan-Herz höher schlagen lässt. Dennoch ist es natürlich kein echter Franquin. Logisch, weil der eben nicht mehr unter uns weilt. Die Frage, die freilich bleibt und die Gemüter teilt: Wozu? Für Delaf scheint der Fall klar: Er hat seinem Vorbild Franquin huldigen dürfen. Für den Verlag ist der Fall ebenfalls klar, denn dieser profitiert vom Hype. Was den Leser betrifft, kann ich in meinem Fall nur sagen: Alles richtig gemacht!

Matthias Schäfer

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Huba! – Eine Marsupilami-Liebesgeschichte

André Franquin ließ Spirou und Fantasio 1952 in der Geschichte Eine aufregende Erbschaft im Dschungel von Palumbien das mysteriöse Marsupilami suchen. Sie fanden es und der Rest ist Comicgeschichte.

Fünf Jahre später folgte mit Das Nest im Urwald ein Comic, in dem ein naher Verwandter des gelbschwarze Fantasie-Tier mit dem Riesenschwanz in einem Film zu sehen sind, den die Reporterin Steffani im Dschungel von Palumbien gedreht hatte.

Zu sehen ist ein Marsupilami, das spielend mit Piranhas und einem Jaguar fertig wird, doch einige Schwierigkeiten damit hat, eine Artgenossin von sich zu überzeugen. Doch der Einsatz wird belohnt und am Ende der Geschichte gibt es schwarzgelben Drillings-Nachwuchs…

2010 erschien in Frankobelgien unter dem Titel Houba! Une histoire d’amour ein Band im Querformat, in dem die Rahmenhandlung mit Spirou, Fantasio und Steffani aus dem Comic Das Nest im Urwald entfernt wurde und ausschließlich die Szenen aus dem Dokumentarfilm enthalten sind.

Die Panels wurden gelegentlich etwas ummontiert und in prächtigen Farben  neukoloriert. Entfallen sind auch die Kommentare von Steffani, die eigentlich überflüssig sind, denn die aussagekräftigen Zeichnungen, die in dieser schönen Edition noch besser zu Geltung kommen sprechen für sich.

Den 100. Geburtstag des 1997 verstorbenen André Franquins feiert Carlsen mit einigen Sonderbänden. Neben Huba! – Eine Marsupilami-Liebesgeschichte erscheinen schön aufgemachte Ausgaben mit neu zusammengestellten Gaston-Onepagern oder mit allen schwarzen Gedanken, sowie eine Deluxe-Ausgabe der Spirou-Geschichte Die Bravo Brothers, die ebenfalls zeigt, wie großartig Franquin Tiere in Szene setzen konnte.

Heiner Lünstedt

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Jijé: Spirou

“Ich habe diesen Beruf nie so richtig ernst genommen, ich habe ihn nie als meinen Lebenszweck betrachtet, sondern eher als eines der angenehmsten Mittel, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“ Dieses Zitat stammt vom Belgier Joseph Gillain alias Jijé (Jerry Spring), dessen erste Spirou-Seite am 24. Oktober 1940 veröffentlicht wurde.

Da der Franzose Robert Veller, der Spirou 1938 erfunden hatte und unter dem Pseudonym Rob-Vel zeichnete, in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war, brachte Jijé dessen laufende Comic-Geschichte zu einem raschen Abschluss. Er sprang bis März 1941 ein und hatte keinerlei Probleme damit, den Titelhelden vom Le Journal de Spirou wieder seinem Schöpfer zu überlassen.

Jijé: Spirou
Erste Spirou-Seite von Jijé

Jijé widmete sich anderen Projekten, wie den Abenteuern des Detektives Jean Valhardi oder der Comic-Biografie des Priesters Don Bosco, bevor er wieder beim Pagen landete. Nachdem der Verlag Dupuis 1943 Rob-Vel die Rechte an Spirou abgekauft hatte, übernahm Jijé die Serie erneut. Der Jazz-Fan bevorzugte dabei einen lockeren und spontanen Stil. Außerdem ließ er in seinen Spirou-Comics erstmals Fantasio auftreten.

Jijé: Spirou

Es ist sehr erfreulich, dass sich der Carlsen Verlag nicht darauf beschränkt, in acht fachkundig kommentierten Hardcover-Bänden sämtliche Spirou-Comics von André Franquin zu veröffentlichen und die Gesamtausgabe mit den nachfolgenden Geschichten von Jean-Claude Fournier, Nic & Cauvin sowie Tome & Janry fortzuführen.

Rob-Vel: Spirou

Nachdem zuvor bereits alle Spirou-Comics von Rob-Vel veröffentlicht wurden, präsentiert Carlsen in einem zweiten Classic-Band das von Jijé gezeichnete Material. Bis 1951 brachte Jijé mit circa 150 Seiten sehr viel weniger Comic-Geschichten als sein Vorgänger oder die meisten seiner Nachfolger zu Papier.

Jijé: Spirou

Doch über die Spirou-Comics hinaus hat Jijé auch zahlreiche Cover, Illustrationen, Werbematerialien und Merchandise-Artikel gestaltet, die ebenfalls in diesem Band gewürdigt werden. Nicht zu vergessen ist, dass Jijé außerdem André Franquin sowie dem Lucky-Luke-Schöpfer Morris als Mentor diente und auch dadurch maßgeblich zur Erfolgsgeschichte des (franko-) belgischen Comics beigetragen hat.

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