Mehr als 40 Jahre hat es gedauert, doch jetzt erscheint eine der besten deutschen Comicserien endlich in einer den großartigen Zeichnungen von Franz Gerg angemessenen Edition. Bei Max & Luzie handelt es sich zwar um einen Werbecomic der Allianz Versicherung, doch die turbulenten Abenteuer, die die beiden Titelhelden, bei denen es sich um Kinder handelt, zusammen mit dem kauzigen Kieks auf ihren Zeitreisen erleben, sind alles andere als plumpe Reklame.
Dabei entstanden erstaunliche Geschichten, die Franz Gerg zu grafischen Höchstleistungen anspornten. Durch seine dynamischen und perspektiv oft überraschenden Bilder wäre er in Frankobelgien zu einen der Stammzeichner des Spirou-Magazins geworden. Die Hefte mit Max & Luzie hingegen, wurden zwar in Auflagen von bis zu 500.000 Exemplaren gedruckt, erreichten jedoch nur Leser, die einen Alianz-Versicherungsvertreter kannten.
In der bundesdeutschen Comicszene fand die Serie daher kaum Beachtung, erfreute aber in der DDR einige Mosaik-Fans, für die Max, Luzie und Kieks Artverwandte der ebenfalls durch Raum und Zeit reisenden Digedags und Abrafaxe waren. Vielleicht ist es auch daher der umtriebige Leipziger Verlag Kult Comics, dem es gelungen ist, eine Gesamtausgabe von Max & Luzie zu starten.
Angekündigt sind sechs gebundene Sammelbände mit insgesamt 48 Heften der Serie. Dabei bleiben die ersten 19 Ausgaben von Max & Luzie (erst einmal?) unberücksichtigt und die Veröffentlichung startet mit dem zwanzigsten Heft In der französischen Revolution von 1989 und endet in Band Sechs mit Bei Dschingis Khan, dem 68. und “letzten in der klassischen Art gemachten Max & Luzie-Comic“. Der 2001 vor dem gescheiterten Relaunch veröffentlicht wurde.
Der Integral-Reihe von Max & Luzie ist ein großer Erfolg zu wünschen, auch weil dann vielleicht auch noch die restlichen Comics erscheinen werden. Die Qualität des enthaltenen Comicmaterials und die interessanten reich bebilderten Sachartikel machen Hoffnung darauf, dass die großartige Serie in dieser adäquaten Form endlich komplett erscheint. Es ist dabei sicher hilfreich, wenn Fans von Max & Luziedirekt beim Verlag ein Exemplar der auf 99 Exemplare limitierten Variantcover-Ausgabe mit zwei exklusiven, von Franz Gerg signierten Exlibris bestellt.
Der Brite Peter O’Donnell wurde zwei Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs eingezogen und blieb bis 1946 Soldat. Er war stationiert in Italien, in Ägypten, auf Zypern und dem damaligen Persien. Dort traf er mit einigen Kameraden ein barfüßiges Flüchtlingsmädchen, das “sehr selbstsicher wirkte, anscheinend gewohnt war, allein unterwegs zu sein“, dabei “vorsichtig aber nicht ängstlich war, ohne Hilfe von jemanden zu erwarten.“
O’Donnell überließ dem Mädchen einige Konserven und einen Dosenöffner, bevor sie weiterzog. Der nach dem Krieg als Autor tätige O’Donnell musste an das Flüchtlingskind denken, als er 1962 den Auftrag erhielt, einen Comicstrip für den Daily Express zu schreiben. Mit seinen Texten bediente er damals zwei verschiedene Genres: “Einerseits starke Machohelden, andererseits romantisches Liebesgeläut, wobei ich meine `Frauensachen´ immer mit etwas Abenteuer würzte“.
Der Autor hatte immer wieder darüber nachgedacht, beide Thematiken zu vereinen, also zu erzählen, von einer “Frau voller Weiblichkeit, aber im Kampf so gut wie jeder Mann, wenn nicht besser.“ Der Auftrag für den Daily Express spornte ihn an, sich des Themas anzunehmen. Er erinnert an seine Begegnung mit dem Flüchtlingsmädchen und wurde dadurch zu Modesty Blaise inspiriert, einer Frau, die durch ihre tragische Vergangenheit selbstbewusst geworden war und ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt.
Modestys Leben in der Wildnis und auf der Straße führte sie in die Kriminalität. Als junge Frau leitete sie eine Organisation namens TheNetwork, die alle Schandtaten außer Prostitution und Drogenhandel im Angebot hatte. Als frischgebackene Millionärin gelang ihr der Absprung und sie ließ sich in England nieder. Sir Gerald Tarrant vom britische Geheimdienst fragte höflich nach, ob sie gelegentlich Spezialaufträge übernehmen würde. Da sie sich langweilte, ließ sie sich gerne zu gefährlichen Missionen überreden.
Während Peter O’Donnell sehr lange über den Charakter seiner Hauptfigur nachgedacht hatte, war ihm – nachdem er wusste wie Modesty tickte – sofort klar, wie ihr Kumpel Willie Garvin beschaffen sein musst. Äußerlich ist er ein blonder Sonnyboy, der nahezu alles kann. Doch auch er hat eine tragische Vergangenheit und es war Modesty, die ihn aus einem Gefängnis holte und seinen guten Kern freilegte. Eine der Reize des Comics besteht darin, dass Modesty und Willie zwar ganz enge Freunde sind, aber nicht miteinander schlafen. Über die Bettgeschichten des jeweils anderen sind sie jedoch bestens informiert und reden ganz ohne eifersüchtige Gefühle sehr gerne darüber.
Als O’Donnell das Konzept seiner Serie fertiggestellt hatte, waren große Teile der britischen Presselandschaft noch nicht auf eine derart starke unabhängige Frau vorbereitet. Der Daily Express lehnte ab und Modesty Blaise debütierte am 13. Mai im Londoner Evening Standard. Die Serie wurde bis 2001 ohne Unterbrechung fortgesetzt und in 42 Ländern veröffentlicht. Als Zeichner war ursprünglich Frank Hampson, der Schöpfer des britischen Science-Fiction-Comics Dan Dare, vorgesehen. Doch zum Glück war es dann der großartig mit Schwarzflächen und Pinselstrichen jonglierende Jim Holdaway der das Erscheinungsbild der Hauptfiguren maßgeblich prägte.
Ich denke es kann nicht schaden, wenn ich anmerke, dass ich schon seit ewigen Zeiten ein Fan von Modesty Blaise und Willie Garvin bin. eit ich 2006 den ersten Prinz-Eisenherz-Band des Bocola Verlags in Händen hielt, hoffte ich, dass das Team von Achim Dressler in derselben großartigen Qualität eine Gesamtausgabe meines Liebling-Comicstrips herausbringen würde. Jetzt ist genau dies gesehen und meine hohen Erwartungen wurden mehr als übertroffen.
Die Vorlagen der bei Bocola zum Abdruck gekommenen Zeitungsstrips stammen aus sechs verschiedenen Quellen. Ebenfalls enthalten sind die nur im auch am Karfreitagen und am Weihnachtstag erscheinenden Glasgow Citizen abgedruckten Strips. Ich wusste bereits viel über die Comicserie, doch einen Großteil der in diese Rezension eingearbeiteten Hintergrundinfos verdanke ich den fundiert zusammengestellten Vorworten, die in den ersten beiden Bänden dieser lange erwarteten Gesamtausgabe enthalten sind.
Abschließend muss unbedingt noch erwähnt werden, dass es den ersten Band von Bocolas im Hardcover-Querformat von 30,5 x 28,0 cm veröffentlichten neu übersetzten und neu geletterten Gesamtausgabe der kompletten Comicstrips beim Verlag auch als auf 100 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und signiertem Druck von Franz Gerg (Max & Luzie) gibt!
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