Das Aachener Experiment

Der 1969 in Kolumbien geborene Henry Kreklow lebt in Belgien und arbeitet in Köln. Im Selbstverlag veröffentlicht er zwei bis drei Comics pro Jahr. Dabei handelte es sich bisher um humoristische Titel wie Graf Rucola: Der vegetarische Vampir oder Der Veggie-Wolf. Doch jetzt hat er sich eines sehr ernsten Themas angenommen.

Im von Alexander Samz gegründeten nonplusulta Verlag veröffentlichten Comic Das Aachener Experiment beschäftigt sich Kreklow nach intensiven Recherchen mit einem in Vergessenheit geratenen Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte. 1944, als der Zweite Weltkrieg noch voll in Gange war, hatten die Amerikaner das zerstörte Aachen eingenommen und unternahmen einen ersten Versuch auf deutschen Boden die Demokratie wiedereinzuführen.

Der Jurist Franz Oppenhoff hatte sich zuvor bereits erfolgreich – etwa bei der Verteidigung eines jüdischen Druckereibesitzers – gegen die Nationalsozialisten behauptet und im schwer umkämpften Belgien Verhandlungen mit amerikanischen Militärs aufgenommen. Oppenhoff wurde daher von den Amerikanern im Oktober 1944 zum Aachener Oberbürgermeister ernannt.

Henry Kreklow vermitelt in seinem 168-seitigen Comic sehr gut die Persönlichkeit Oppenhoffs und die Bedenken, die damals gegen dessen streng katholische und antikommunistische Einstellung herrschten. Den Schwerpunkt seiner Geschichte bildet jedoch ein von Heinrich Himmler (und wohl auch von Hitler persönlich) angeordnetes Kommandounternehmen zur Ermordung Oppenhoffs.

Dass diese Aktion den Namen “Operation Karneval“ erhalten hatte, reizte den Humoristen Kreklow. Alles andere als bierernst schildert er wie fünf mehr als naive Mitglieder der Hitlerjugend, die im Nazi-Untergrund als sogenannte “Werwölfe“ aktiv waren, aufbrachen um Oppenhoff zu ermorden. Dass diese Aktion glückte und die Mörder mit milden Strafen davonkamen, oder sogar freigesprochen wurden, wird natürlich auch thematisiert.

Doch in erster funktioniert Das Aachener Experiment als erstaunlich spannend erzählter Abenteuercomic über einen minderjährigen Stoßtrupp. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Kreklow meist mit drei Panelstreifen pro Seite arbeitet und sich seine Geschichte ebenso rasant weglesen lässt, wie einst Hansrudi Wäschers Piccolohefte in der Nachkriegszeit.

Kreklows Zeichnungen ist anzumerken, dass sie unter großen Zeitdruck entstanden sind. Die Kolorierung reißt jedoch einiges raus. Dass er mehr kann beweist das Cover und die Abbildung eines Denkmals für den von den “Werwölfen“ ermordeten niederländischen Grenzschützer Jeu Saive auf der ersten Seite des Comics. Auf seine sehr eigenständige und etwas hektische Art gelang es Henry Kreklow, eine erschreckend aktuelle Historie in Erinnerung zu rufen.

Heiner Lünstedt

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