Die Bestie 2

Mit Die Bestie erschien 2020 ein Album, das für die Entwicklung der Figur des Marsupilamis eine ähnliche Bedeutung haben dürfte, wie Emilé Bravos Spirou-Comics für den zuvor kaum charakterisierten belgischen Pagen. Bei Bravo war Spirou Anno 1939 noch ein “junger Tor“ und wurde vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs im Verlaufe eines vierbändigen Epos zur verantwortungsbewussten Identifikationsfigur.

Auch Die Bestie geizt nicht mit finsteren Elementen. Der erste Band beginnt mit einem knapp zwanzigseitigen Prolog. In braunschwarzen Bildern zeigt Frank Pé (Jonas Valentin, Zoo) die düstere Szenerie an Bord des heruntergekommenen Frachters, der exotische Tiere für den Zoo von Antwerpen transportierte. An Bord hat anscheinen eine besonders grausame Bestie nur dadurch überlebt, dass sie sich von dem ebenfalls im Frachtraum befindenden Papageien und Affen ernährte.

Bei der “Bestie“ handelt es sich um einen Artgenossen jenes Marsupilamis, das Spirou und Fantasio 1951 im Comic Eine aufregende Erbschaft im Dschungel von Palumbien entdeckt hatten. Die Bestie spielt kurz danach in Brüssel und konfrontiert ein ungewöhnlich wildes Marsupilami mit dem Jungen François, der sich aufopfernd um geschundene Kreaturen kümmert und zum Entsetzen seiner Mutter Jeanne daheim eine ganze Menagerie beherbergt.

Texter von Die Bestie ist Benoît Drousie, der unter dem Pseudonym Zidrou Comicklassiker wie Rick Master oder Percy Pickwick fortgeführt hat und für den Zeichner Jordi Lafebre die zu Herzen gehenden Geschichten Lydie und Wundervolle Sommer schieb. Zidrou geht nicht eben pfleglich mit dem kleinen François um. Da dessen Vater ein Soldat der deutschen Wehrmacht war, der nach dem Krieg in seine Heimat zurückkehrte, rasieren ihm einige rabiate Mitschüler den Schädel. Ähnliches wiederfuhr nach dem Krieg Frauen, die mit den Besatzern fraternisiert hatten.

Der zweite Band von Die Bestie ist etwas weniger finster. Hierin geht es hauptsächlich um die Suche nach François und dem Marsupilami. Frank Pé gelingen einige turbulent in Szene gesetzte Verfolgungsjagden, aber auch großartige Bilder vom weihnachtlich geschmückten Brüssel. Zu den Schauplätzen gehört jenes Jugendstil-Kaufhaus, das heute das Comicmuseum Centre Belge de la Bande Dessinée beherbergt. Großartig ist auch die auf einer Doppelseite dargestellte Sequenz, in der das Marsupilami auf Hergés Tim trifft.

Alle Abbildungen © Dupuis / Carlsen

Dabei handelt es sich um eine Puppe, die Teil eines Schaufensters ist, das mit Szenen aus Tim und der Sonnentempel dekoriert wurde. Am Rande der spannenden Action erzählt Zidrou aber auch eine zartbittere Liebegeschichte.

Hierin geht es um Monsieur Boniface, den Lehrer von François. Dieser liebenswerte, nicht mehr ganz junge Sonderling erinnert durch seine schrullige Erfindung des zum Lachen anregenden Hilarions an André Franquins Chaoten Gaston. Monsieur Boniface fühlt sich zur Mutter von François hingezogen. Eine Weile besteht hier durchaus Hoffnung und Jeanne scheint die Gefühle des erfinderischen Pädagogen zu erwidern.

Doch dann kommt ihm ein schneidiger Gendarm in den Weg, der nicht nur über Muskelmassen, sondern auch noch über Humor verfügt. Bedauernd muss Jeanne feststellten, dass sie sich – trotz ihrer sehr bitteren Erfahrungen – immer noch zu Uniformen hingezogen fühlt. Was soll man dazu noch sagen?

Heiner Lünstedt

“Die Bestie – Band 1” bei AMAZON bestellen, hier anklicken

“Die Bestie – Band 2” bei AMAZON bestellen, hier anklicken

Flix: Das Humboldt-Tier

2018 war es eine große Überraschung als Flix (Schöne Töchter) mit Spirou in Berlin ein Album der großen frankobelgischen Comicserie schreiben und zeichnen durfte. Da seine großteils in der noch existierenden DDR spielende Geschichte auch den Lesern in Frankreich und Belgien gefiel, war der Rechteinhaber Dupuis nicht abgeneigt ein weiteres Spirou-Album von Flix zu veröffentlichen.

Doch der Wahlberliner hoffte darauf, eine Geschichte mit dem von André Franquin geschaffenen langschwänzigen Wundertier zu erzählen und hatte auch bereits eine Idee dazu. Dupuis gab grünes Licht und – genau wie zuvor bereits Zidrou und Frank Pé in Die Bestie – erzählt Flix von einem Marsupilami, das nicht jenes war, das Spirou und Fantasio seit dem Album Eine aufregende Erbschaft bei ihren Abenteuern zur Seite steht.

Flix überrascht dadurch, dass er seine Geschichte im Dezember 1801 in Südamerika beginnen lässt. Der Naturforscher Alexander von Humboldt entdeckt dort eine seltsame Mumie. Dass diese dem einbalsamierten Inka-Herrscher Rascar Capac aus Hergés Tim-und-Struppi-Abenteuer Die sieben Kristallkugeln ähnlich sieht, ist die erste der zahlreichen Anspielungen, die Flix in seiner Geschichte versteckt hat. Hunboldt trifft auf seiner Expedition auch auf ein Marsupilami, das er zusammen mit der Mumie in eine seiner zahlreichen Kisten sperrt.

Nach zwölf Seiten gibt es einen Zeitsprung ins Berlin des Jahres 1931 und im Zentrum der Geschichte steht jetzt die kleine Mimmi. Diese scheint eine Anspielung in eigener Sache zu sein, denn sie erinnert an Josi aus Flix‘ Comicstrip Glückskind. Mimmi macht im Naturkundemuseum eine Entdeckung in einer der angeblich bis heute noch nicht geöffneten Kisten, die Humboldt von seinen Expeditionen mitbrachte. Darin befindet sich ein Marsupilami, das sich dank der Mumie erstaunlich gut gehalten und Berlin unsicher macht…

Alle Abbildungen: ©Flix/Dupuis/Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Auf 64 teilweise großartig layouteten Seiten gelang Flix ein originell und turbulent erzähltes Album, das locker bei dem mithalten kann, was aktuell an Spirou-Comics erscheint.

Heiner Lünstedt

„Flix: Das Humboldt-Tier – Ein Marsupilami-Abenteuer” bei AMAZON bestellen, hier anklicken

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner