Nachdem Corto Maltese bereits von den beiden Spaniern Juan Díaz Canales und Rubén Pellejero in den Alben Unter der Mitternachtssonne, Äquatoria, Tarowean – Tag der Überraschungen und Nacht in Berlin recht respektvoll im Stile seines Schöpfers Hugo Pratt fortgeführt wurde, startete 2021 mit Corto Maltese: Schwarzer Ozean ein anders gelagerter zweiter Revitalisierungs-Versuch, der sich sehr viel mehr Freiheiten nahm.
Hierin schickte der Autor und Historiker Martin Quenehen einen fast noch jugendlich wirkenden Corto Maltese auf eine Schatzsuche nach Japan und Peru. Die Geschichte spielt 2001, der Anschlag auf das World Trade Center wird thematisiert und Corto trifft kurz auf den damaligen US-Außenminister Colin Powell.
Die Fortsetzung dieses Comics trägt den Titel Die Königin von Babylon und es geht um eine junge Frau namens Semira. Dies ist die Kurzform für Semiramis, die auch unter dem Namen Šamuramat bekannt ist, in der Antike in Babylon das Reich der Assyrer regierte und Eroberungskriege führte. Nach einem Prolog in Venedig erzählt der Comic aber auch von den Wirren nach dem Balkankrieg. Dabei gibt es Gastauftritte von der der Fotografin Annie Leibovitz. Es tritt aber auch eine Figur auf, die George Lucas verblüffend ähnlich sieht und von “verborgenen Schätzen“ spricht.
In einem Nachwort versucht der in den Neunzigern als Kriegsberichterstatter in Bosnien-Herzegowina tätige Jean Hatzfeld der Comicstory von Martin Quenehen große Realitätsnähe zu attestieren. Zwar vermittelt der Comic ganz gut, dass es 2002 im ehemaligen Jugoslawien recht unübersichtlich zuging, doch es ist weniger die wirre Story, sondern eher die faszinierende Bildinszenierung von Bastien Vivès (Der Geschmack von Chlor, Polina, Für das Imperium, Letztes Wochenende im Januar), die für diesen Comic spricht.
Im Gegensatz zu seinem ersten Comic mit Corto Maltese verzichtet Vivès diesmal auf Farbeinlagen und setzt komplett auf markante Schwarzflächen und Grautöne. Das Resultat ist ähnlich klar und eigenwillig wie Hugo Pratts Zeichnungen in der Originalserie. Abgerundet wird der Band durch acht Seiten mit sehr schönen Skizzen und Entwurfszeichnungen.
Heiner Lünstedt
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