In den letzten Jahren wurde immer seltener versucht, die etwas angestaubte Figur des heldenhaften Pagen zu modernisieren. So zeichnete das aktuelle Album Der Tod von Spirou der sich eher klassisch an der Ligne Claire orientierende Olivier Schwartz. Statt Spirou zu erneuern, wurde in letzter Zeit immer wieder zurückgekehrt zu den Wurzeln der Serie und der Zeit, in der diese Figur entstanden ist.
So erzählte Émile Bravo wie Spirou Ende der 30er-Jahre als junger Tor tatsächlich als Page tätig war und ließ ihn in seinem 350-seitiges Epos Spirou oder die Hoffnung. vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs zum umsichtigen Menschen mit Gewissen reifen. Außerdem wurden Abenteuer veröffentlicht, in denen der junge Graf Rummelsdorf die Nazis bekämpfte.
2018 erschien mit Sein Name war Ptirou ein Spirou-Album ohne Spirou und seine Freunde. Die Geschichte spielte Ende der 20er-Jahre an Bord eines Transatlantikdampfers und erzählt davon, wie der zur Crew gehörende Robert Velter alias Rob-Vel durch einen heldenhaften Schiffsjungen zu seiner Comicfigur Spirou inspiriert wurde. Mit Mademoiselle J. – Eine Frau. Ein Jahrhundert wurde eine Fortsetzung von Sein Name war Ptirou veröffentlicht, in deren Zentrum eine junge Frau steht, die 1937 für eine linke Zeitung schreibt und den Kampf gegen den Faschismus unterstützt.
In dieselbe Richtung geht auch der Comic Die Freunde von Spirou. Hier treten die beliebten Figuren der Serie ebenfalls gar nicht auf. Im Zentrum der an tatsächlicher Ereignissen orientierten Geschichte stehen einige junge Fans der Comicserie, die Ende der 30er-Jahre dem Club Les amis de Spirou (ADS) beigetreten sind. Dieser wurde 1939 vier Wochen nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe des Le Journal de Spirou vom damaligen Chefredakteur Jean Doisy ins Leben gerufen.
Mitglieder erhielten neben einem Vereinsabzeichen auch ein kleines rosafarbenes Faltblatt mit einem aus neun Geboten bestehenden Ehrenkodex, der definiert, wie sich ein Freund von Spirou zu verhalten hat. Das Brevier enthielt auch einen “Schlüssel zur Geheimsprache des Clubs“ zum Versenden und Empfangen von geheimen Nachrichten.
Die in Spirou vermittelten Ideale versuchten viele Jugendliche auch während der deutschen Besetzung Belgiens mit Leben zu erfüllen und engagierten sich daher – genau wie Jean Doisy – im Widerstand. Gleich nach Kriegsende veröffentlichte Doisy im Wochenmagazin Le Moustique einen Nachruf auf zwei amis de Spirou, die im Kampf gegen die Besatzer ums Leben gekommen sind.
In einer Rahmenhandlung des Comics tritt Doisy persönlich auf. Er gedenkt nach Kriegsende auf dem Friedhof von Marcinelle vor zwei Grabsteinen den ermordeten Untergrundkämpfern. Dabei bleibt unklar, ob sich dabei um zwei der jugendlichen Hauptfiguren der Geschichte handelt, die gegen die deutschen Besatzer und die Mitglieder der Jugendorganisation der faschistischen Rexistischen Partei gekämpft haben.
Der erste Band der Serie trägt den Titel “Ein Freund von Spirou ist offen und ehrlich…“ Dies ist auch das erste der neun Gebote von Jean Doisys Ehrenkodex der ADS. Somit darf auf acht weitere Alben gehofft werden, die Jean-David Morvan (Spirou in Tokyo, Madeleine, die Widerständige) ebenso spannend wie humorvoll schreiben und David Evrad ähnlich rotzig in Szene setzen wird.
Heiner Lünstedt
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