Modesty Blaise – Band 3

„Man nannte sie öfter einen weiblichen James Bond, aber das ist das Letzte, was sie ist. Bond ist einer der großartigen Roman-Charaktere des zwanzigsten Jahrhunderts, aber er existiert nur, während er auf Mission ist – er hat kein Heim, keine Freunde, keine Interessen.

Modesty Blaise hat das alles: Sie hat einen kleinen Kreis sehr naher Freunde, sie ist an vielen Dingen interessiert und sie hat ein Privatleben, das immer gegenwärtig ist und mit den Ereignissen, nicht Missionen, in die sie auf die eine oder andere Art verwickelt wird. Für den Britischen Geheimdienst hat sie in fünfundneunzig Comic-Storys und einundzwanzig Romanen nur zweimal gearbeitet.“
Dies sagte der Autor Peter O’Donnell in einem Interview über seine 1963 geschaffene Comicstrip-Heldin. Die drei in diesem Sammelband enthaltenen Comicgeschichten belegen die Aussage sehr gut. Im ersten Abenteuer Top Traitor machen sich Modesty Blaise und Willie Garvin zwar auf die Suche nach dem verschwundenen Geheimdienstchef Sir Gerald Tarrant, doch der Grund dafür ist kein Auftrag. Die einzige Motivation für ihren Einsatz ist ihre Freundschaft zu Tarrant.
Der Einstieg in die aus 118 Zeitungsstrips bestehende Story The Vinkings ist sehr interessant mit der kriminellen Vergangenheit der beiden Hauptfiguren verknüpft. Ein junger Mann namens Olaf, der einst äußerst schlampig für Modesty Blaise arbeitete, ist mittlerweile in der Bande des egozentrischen Magnus, der sich für den “letzten Wikinger“ hält. Modesty lehnt das Angebot von Olafs wohlhabenden Vater ab, Olaf aus den Fängen von Magnus zu befreien. Doch als sie von dessen Ehefrau um Hilfe gebeten wird, tritt Modesty zusammen mit Wilie gegen Magnus und seine Wikinger an.
Auch in der Geschichte The Head Girls ist es kein Auftrag des britischen Geheimdienstes, der Modesty auf eine gefährliche Mission sendet. Zufällig trifft sie bei einem gemeinsamen Urlaub mit Willie auf Industriespione und eine Organisation, die angehende Sekretärinnen dazu ausbildet die Geheimnisse ihrer zukünftigen Chefs an sie zu verraten. Die Story gipfelt schließlich in einer Konfrontation mit Modestys Erzfeind Gabriel.
Doch es sind nicht nur die raffiniert und mitreißend erzählten Geschichten, die diesen schwarzweißen Zeitungsstrip auch nach 60 Jahren immer noch lesenswert machen, sondern ebenso die großartigen Bilder von Jim Holdaway, der unvergleichlich elegant mit Pinselstrichen und Schwarzflächen arbeitet. Genau wie bei der Veröffentlichung des Klassikers Prinz-Eisenherz hat sich Achim Dressler vom Bocola Verlag auch hier großen Aufwand betrieben, um die einzelnen Strips in bestmöglicher Qualität präsentieren zu können. Aus dem Archiv des englischen Lizenzgeber erhielt er hierzu sehr viel bessere Druckvorlagen als die vorherigen Verleger.
Es ist zu hoffen, dass in dieser weltweit einzigartigen Gesamtausgabe alle von Peter O’Donnell geschriebenen Comics mit Modesty Blaise erscheinen werden.

Heiner Lünstedt

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Craig Thompson: Ginsengwurzeln

2003 erschien ein epischer Comic, an dem Craig Thompson mehr als drei Jahre geschrieben und gezeichnet hatte. Blankets erzählt auf knapp 500 Seiten sehr sensibel und bildgewaltig davon, wie Thompson zusammen mit seinem Bruder Phil im ländlichen Wisconsin bei seinen streng religiösen Eltern aufwächst.

In einem winterlichen Kirchencamp verliebt er sich in Raina, doch obwohl seine Gefühle erwidert werden, steht den jungen Leuten ihre religiös-fundamentalistische Erziehung im Wege.
Blankets wurde zu einem großen Erfolg bei Lesern und Kritikern. Das war bei Thompsons nächstem Epos Habibi, an dem er sechs Jahre gearbeitet hatte und Motive aus Tausendundeiner Nacht und dem Koran mit einer Liebesgeschichte verknüpfte, nicht im selben Maße der Fall.
Zwanzig Jahre nach Blankets beschäftigt sich Thompson in seinem ebenfalls sehr voluminösen Werk Ginsengwurzeln erneut mit seiner Jugend. Hierin ist nicht nur zu erfahren, dass er und Phil noch eine Schwester haben, sondern auch, dass seine Familie in Wisconsin vom Anbau von Ginseng lebte.
Auf über 400 Seiten erzählt der Comic hauptsächlich und in alle nur denkbaren Richtungen wuchernd davon, wie es dazu kam, dass in den ländlichen USA ein Zentrum des Anbaus und Handels mit Ginsengwurzeln entstanden ist. Dies ist zwar nicht uninteressant, doch trotz Thompsons großartig detaillierten und rötlich kolorierten Bilder auf die Dauer etwas ermüdend.
Für die Fans von Blankets lohnt sich die Lektüre von Ginsengwurzeln dennoch, denn immer wieder kehr Thompson in die Welt seines meisterlichen Frühwerks zurück. So ist zu erfahren, dass er und sein Bruder fanatische Comicfans waren und das Zeichnen ihnen die harte Jugend etwas versüßt hat.
Interessant ist auch, wie Thompson von seinen Besuchen bei den Eltern erzählt und gerührt feststellt, dass in deren schwach bestückten Bücherbord auch sein Comic Blankets zu finden ist, obwohl sie darin nicht allzu vorteilhaft porträtiert werden. Zu Herzen gehende Passagen wie diese haben mich bei der Stange gehalten und mehr über Ginseng erfahren lassen, als ich jemals wissen wollte.
Heiner Lünstedt

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Spirou: Der Liliput-Trick

Am 3. Januar 2024 wäre der 1997 verstorbene André Franquin 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass erscheinen bei Carlsen einige schöne Jubiläumseditionen mit Werken des belgischen Comickünstlers. Mein persönlicher Höhepunkt war eine Deluxe-Ausgabe des 1965 im Spirou-Magazin veröffentlichten 22-seitigen Comics Die Bravo Brothers, den Franquin selbst für sein bestes Werk hält.

In ähnlicher Aufmachung folgt jetzt eine Deluxe-Edition der ebenfalls recht kurzen Spirou-Geschichte Der Liliput-Trick. Dieser Comic erzählt davon, dass Fantasio anscheinend geschrumpft wurde und erlebte seine Premiere nicht im Magazin Spirou, sondern ab 3. September 1960 in der französischen Zeitung Le Parisien Libéré als schwarzweiße Fortsetzungsserie mit zwanzig wöchentlich veröffentlichten Episoden.
In dieser Form kamen zuvor bereits die Spirou-Geschichten Im Reich der roten Elefanten und Tiefenrausch erstmals zum Abdruck. Bei allen drei Comics hat Franquin die Zeichnungen nicht im Alleingang realisiert, sondern ihm stand der Newcomer Jean Roba zur Seite, der zur selben Zeit auch seine Erfolgsserie Bill & Boule (Schnieff und Schnuff) startete.
Die Deluxe-Edition enthält den Liliput-Trick in drei Versionen. Den Auftakt bildetet die Geschichte in der 28-seitigen vom Michael Hein übersetzten Version mit vier Streifen pro Seite, so wie sie ab August 1962 im Magazin Spirou zum Abdruck kam. Der Band enthält eine etwas größer als in Carlsens Gesamtausgabe reproduzierte Version, die Frédéric Jannin nach den Vorgaben von Franquin neu und etwas dezenter bzw. weniger farbenfroh koloriert hat.
Es folgen vier Beispielseiten, die zeigen wie die Geschichte im Le Parisien Libéré schwarzweiß und mit gelegentlichen Einsatz von Rasterpunkten veröffentlicht wurde. Dabei kamen jeweils sechs Bildstreifen zum Abdruck und die Episoden sind so konzipiert, dass es am Ende jeweils einen kleinen Cliffhanger gibt. Bei der ummontierten Veröffentlichung im Spirou-Magazin befand sich dieser Spannungseffekt häufig in der Seitenmitte.
Der Höhepunkt des Buchs sind die Faksimile-Versionen aller Originalzeichnungen von Der Liliput-Trick. Diese werden fachkundig von Christelle und Bertrand Pissavy-Yvernault kommentiert. Zusätzlich kommen zahlreiche Skizzen und Fotos zum Abdruck, die vermitteln wie Franquin seinerzeit die Zusammenarbeit mit Roba organisierte.
Für Franquin spricht, dass er unter dem letzten Panel der Geschichte den Namen Roba noch vor seinem eigenen nannte. Außerdem hatte er nichts dagegen, dass Roba seine Figuren aus Boule & Bill in Der Liliput-Effekt kurz auftreten ließ.

Heiner Lünstedt

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Michèle Fischels: Outline

Bei manchem Comicschaffenden gibt es einen gewissen Futterneid auf jene Newcomer, die die letzten Semester ihres Studiums dazu nutzen durften, um als Diplomarbeit eine Graphic Novel zu erstellen. Dabei stehen die Studierenden und ihre Be- und Empfindlichkeiten häufig im Zentrum der Erzählungen. Etwas interessanter wird es, wenn der Comic von den Großeltern, Müttern oder Vätern der Kreativkraft handelt.

Auffallend ist außerdem, dass diese Comicdebüts oft auch das einzige Werk des Ex-Studierenden geblieben sind und dennoch keine One-Hit-Wonder waren. Es würde mich wundern, wenn dies auch auf das Comicdebüt von Michèle Fischel zutrifft. Die Absolventin der FH Münster im Bereich Design überrascht mit ihrer Schilderung des letzten Schuljahres von drei AbiturentInnen.
Das letzte Schuljahr vor dem Abitur ist angebrochen. Eine Zeit, in der alles scheinbar wie immer ist, sich aber dennoch laufend ändert. Beim frisch verliebten Ben, der den ausklingenden Sommer mit seiner Freundin Clara genießen möchte, trübt sich die Stimmung zunehmend. Nachdem sich Bens bester Freund Andreas ohne eine Erklärung von ihm abgewendet hat, zieht sich auch Clara immer mehr zurück.
Während sich die Spannungen zwischen Ben und Clara zuspitzen und Andreas mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat, rücken die Abiturprüfungen unweigerlich näher – und mit ihnen der ganze andere Stress: „Was machst du nach der Schule? Wo bewirbst du dich? Schreibst du dich ein? Ziehst du aus?“ Es bleibt kaum Zeit zum Nachdenken und Durchatmen…
Michèle Fischels legt mit Outline ein beeindruckendes Debüt vor. Erzählerisch, aber auch zeichnerisch, zeigt sie ein feines Gespür für jene ganz besondere Phase des Lebens, in der wir Kindheit und Schulzeit hinter uns lassen und mit Vorfreude aber auch Unsicherheit in die Zukunft blicken.

Heiner Lünstedt

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Bat-Man: First Knight

Es ist erstaunlich, dass den Comicschaffenden immer noch neue Ideen und Ansätze einfallen für originelle Geschichten mit omnipräsenten Figuren. In Bat-Man: First Knight geht es ganz weit zurück in die Anfangszeit des Dunklen Ritters. Doch anders als in Christopher Nolans Kino-Update Batman Begins ist dieser Comic sehr nostalgisch aber dennoch frisch und innovativ erzählt.

Die Schöpfer der dreiteiligen Seien sind bereits eine Weile im Geschäft und haben den (Superhelden-) Comic geprägt, wie nur wenige andere Künstler. Der Autor und Zeichner Dan Jurgens ließ Superman 1992 unter großem Getöse sterben und zelebrierte anschließend seine vierfache Wiederauferstehung.
Der Brite Mike Perkins hat an nahezu allen Comicfronten gearbeitet. Bereits Ende der Neunziger begann er für den US-Markt zu arbeiteten und schuf u. a. Crossover-Comics mit populären Charakteren wie Alien, Terminator oder Green Lantern. Bei Marvel war er der Zeichner des gefeierten Comicheftes Astonishing X-Men # 51, in dem es 2012 zur ersten gleichgeschlechtlichen Superhelden-Hochzeit kam. Außerdem setzte er auf mehr als 1.000 Seiten eine Adaption von Stephen Kings voluminösesten (und vielleicht auch besten) Roman The Stand in Szene.
Für das DC Black Label erzählen Jurgens und Perkins von Bat-Man, denn so hieß der Fledermausmann in seinen ersten Comicabenteuern. 1939 hatte er noch keine Bathöhle, keinen Butler und sein erstes Batmobil war ein ganz normaler roter Sportwagen. Der Comic erzählt von rätselhaften und brutalen Morden, für die möglicherweise im Sold von Adolf Hiter stehende deutsche Agenten verantwortlich waren. Daher bietet auch ein Rabbiner dem Dark Knight seine Hilfe an…
Bruce Wayne sieht ein wenig wie Gregory Peck aus und das Artwork lässt an poppig kolorierte Stummfilme denken. Optisch und erzählerisch ist Bat-Man: First Knight ein Hochgenuss und macht sehr gespannt auf die beiden folgenden Bände. Danke an Panini, dass hier Hardcover und Großformat spendiert wurde!
Heiner Lünstedt

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Man-Thing Classic Collection

Panini hat sich in letzter Zeit in Sachen Swamp Thing sehr verdient gemacht. In wuchtigen Hardcoverbänden erschienen nicht nur die klassischen von Len Wein und Bernie Wrightson geschaffenen Comics mit DCs Ding aus dem Sumpf oder erstmals alle 45 von Alan Moore getexteten Hefte, sondern auch Geschichten mit Swamp Thing von Rick Veitch, Kelley Jones oder von Ram V und Mike Perkins.

Da ist es nur konsequent, wenn mit Man-Thing auch Marvels Gegenstück zu Swamp Thing in einer 1.200-seitigen großformatigen Band auf die deutsche Comicgemeinde losgelassen wird. Das in den Everglades beheimatete sumpfige Ungetüm debütierte im Mai 1971  in der ersten Ausgabe von Marvels in Schwarzweiß veröffentlichten Magazin Savage Tales, auf dessen Cover allerdings der Barbar Conan zu sehen war.
Erst zwei Monate später hatte Swamp Thing seinen ersten Auftritt im DC-Heft House of Secrets. Kurios ist, dass Gerry Conway, der Autor des ersten Comics mit Man-Thing seinerzeit zusammen mit Len Wein, dem Schöpfer von Swamp Thing, in einer WG lebte. Doch während Len Wein Zeit sein Sumpfmonster Zeit seines Lebens betreute, steuerte Gerry Conway zur Saga von Man-Thing wenig mehr die von Gray Morrow gezeichnete erste elfseitige Geschichte bei.
Basierend auf einer Idee von Stan Lee und Roy Thomas erzählt Conway darin vom Wissenschaftler Dr. Theodore „Ted“ Sallis, der zusammen mit seiner Freundin Ellen Brandt gut versteckt in den Sümpfen von Florida lebt und mit einem Supersoldatenserum herumexperimentiert. Ellen arbeitet mit zweifelhaften Gestalten zusammen, die das Serum haben wollen. Doch Ted flüchtet und bevor er mit seinem Auto in den Sumpf rast, spritzt er sich die Chemikalie in den Arm.
Das Serum verändert im Sumpf Geist und Körper vom Ted. Dieser wird zu einem unzerstörbaren Killer, der sich bitter an seinen Verfolgern rächt und und der untreuen Ellen durch Handauflegen die Haut verbrennt.
Seinen zweiten Auftritt hatte Man-Thing in Heft 12 der Reihe Astonishing Tales 12, in dem eigentlich eine Geschichte mit Ka-Zar dem “Lord of the Hidden Jungle“ erzählt wird. Etwas ungeschickt wurde hier gelblich eingefärbte Geschichte, die auf sieben Seiten noch einmal die Entstehungsgeschichte von Man-Thing erzählt. Diese Story stammt von Len Wein und wurde sehr dynamisch von Neal Adams in Szene gesetzt.
Weiter ging es in der Marvel-Horrorreihe Adventure into Fear. In Ausgabe 10 erzählte Conway auf zehn Seiten noch einmal die Origin und in der nächsten Nummer übernahm im Dezember 1972 Steve Gerber, der in den nächsten drei Jahren nahezu alle Geschichten mit Man-Thing schrieb.
Bereits in Adventure into Fear # 11 platzierte er erstmals jenen Slogan, der künftig das Motto von Man-Thing sein sollte: „Whatever knows fear burns at the Man-Thing’s touch!“ („Wer Angst kennt, brennt bei der Berührung Man-Things.“)
Innerhalb der Serie debütierte auch Gerbers populärste Figur Howard the Duck und ab 1974 bekam Man-Thing eine eigene Serie. Gerber gelang das Kunststück mit einer eher passiven aber sehr empathischen Figur wie Man-Thing spannende und oftmals auch ganz schön abgefahrene Geschichten zu erzählen.
Rund um das Sumpfmonster platzierte er interessante Charaktere, wie den selbsternannten Loser Richard Rory, der immer wieder über sich hinauswuchs, aber dennoch vom maskierten Rächer Foolkiller gejagt wurde.
Steve Gerber platzierte aber auch Kapitalismuskritik in seinen Stories und ging dabei alles andere als dezent vor. So trat immer wieder der skrupelloser Unternehmer Franklin Armstrong Schist auf, auf dessen Firmenschildern F. A. Schist zu lesen ist.
In Man-Thing # 22 trat Steve Gerber im Oktober 1975 persönlich auf und verabschiedete sich von der Serie und seinen treuen Lesern. Anschließend absolvierte Man-Thing Gastauftritte an der Seite vom Hulk oder von Spider-Man, bevor das Sumpfmonster wieder in einer eigenen Serie auftrat, die trotz eines Autoren wie Chris Claremont nach elf Ausgaben eingestellt wurde.
Paninis Man-Thing Classic Collection enthält all diese interessanten Comics und lädt zu einer Zeitreise durch ein spannendes Marvel-Jahrzehnt ein. ZU bewundern sind dabei Zeichnungen von Meistern ihres Faches wie Gray Morrow, Neal Adams, John Buscema, Howard Chaykin, Mike Ploog, Val Mayerik, John Byrne, Pat Broderick, Tom Sutton, Alfredo Alcala, Ed Hannigan, Sal Buscema und Jim Mooney.

Heiner Lünstedt

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Asterix Edition Omnibus

Mit Band 15, der die Comics Die Tochter des Vercingetorix, Asterix und der Greif und Die weiße Iris sowie den Sonderband Der Goldene Hinkelstein enthält, wurde im April 2024 die blaue in Kunstleder gebundenen Asterix-Gesamtausgabe beendet. Da die Bände der 2013 gestarteten Reihe bereits vergriffen sind, ist es ganz gewiss keine schlechte Idee zum 65. Geburtstag des Galliers eine neue Edition herauszubringen.

Die “Edition Omnibus“ fällt zwar weniger prächtig aus als die “Ultimative Edition“, von der einige der großformatigen Alben mit dem gallischen Dorf als durchgehendes Rückenmotiv bereits zu Preisen im dreistelligen Bereich gehandelt werden. Doch dafür punktet der erste gelbe Omnibus-Band nicht nur durch den schwarzen Leineneinband mit Goldprägung, sondern vor allem durch sein sehr lesenswertes Bonusmaterial.
Enthalten sind neben den zwischen 1961 und 1963 entstandenen klassischen Alben Asterix der Gallier, Die goldene Sichel, sowie Asterix und die Goten fünfzig Seiten mit reich bebilderten Hintergrundinfos. Dabei wird auch auf die peinliche deutschnationale Kauka-Eindeutschung Siggi und Barbarras eingegangen.
Doch mindestens ebenso interessant sind die Texte zur Geschichte Asterix und die Goten, die 15 Jahre nach Kriegsende entstand. Sehr viele Familienmitglieder von René Goscinny wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Daher verwundert es nicht, dass der Asterix-Autor die deutschen “Eigenarten“ weniger liebenswert in die Geschichte einbaut, als dies bei seinen späteren Alben über die Briten, Spanier, Korsen oder Schweizer der Fall war.
Daher ist in dieser Ausgabe zu lesen, dass Goscinny “keine Witze über die angeblichen Vorlieben der Deutschen für Würste oder Bier“ machte, sondern “die Goten werden ausnahmslos als grausam und kriegerisch dargestellt. Auf der Seite der Germanen sehen wir keine sympathische Figur, die als Kontrapunkt die Satire entschärfen könnte, ganz im Gegensatz zur Art und Weise, wie etwa die Autoren den römischen Feind behandeln. Einem Goten muss nur ein Schluck Zaubertrank eingeflößt werden und schon verwandelt er sich in einen tyrannischen Bismarck-Jünger.“
Zur Überraschung wurde diese bittere Satire mit siebenjähriger Verspätung von Gudrun Penndorf punktgenau ins Deutsche übertragen. Albert Udero erwartete “heftigste Reaktionen. Es geschah aber nichts! Alles ging seinen Gang.“ Trotz und vielleicht auch wegen Asterix bei den Goten wurde die Serie in Deutschland zu einem Riesenerfolg.
Leider wird es wohl noch ein Jahrzehnt dauern, bis der komplette Asterix in dieser sehr guten Edition vorliegt. Band 2 mit Asterix als Gladiator, Tour de France und Asterix und Kleopatra ist für März 2025 angekündigt.

Heiner Lünstedt

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MADige Zeiten: Eine satirische Autobiografie

Der Zeichner Ivica Astalos sorgte ab 1975 zusammen mit Chefredakteur Herbert Feuerstein dafür, dass das sich die deutsche Ausgabe des Satiremagazin MAD zeitweilig besser verkaufte als die Originalversion in den USA. Doch mittlerweile wurde MAD sowohl in den USA als auch bei uns eingestellt.

Doch der 1954 in Kroatien geborene Astalos machte im Eigenverlag voller Elan weiter. Dort hat er bereits einige Bände mit unveröffentlichten MAD-Beiträgen herausgebracht. Ebenfalls selbst verlegt hat er seine Zarenthron Geschichten, bei denen es sich um ebenso bitterböse wie treffsicheren Cartoons über den wahnsinnigen Putin und dessen lupenreinen Steigbügelhalter Schröder handelt.
2023 veröffentlichte Astalos unter dem Titel …Going Mad! eine Autobiografie in Cartoon-Form. In seinem bewährten MAD-Stil – angeblich wollte Feuerstein von ihm etwas, das “gut gemeint, aber unsicher im Strich“ ist – gelang Astalos das Kunststück, nicht nur alle wichtigen Stationen seines Lebens zu thematisieren, sondern diesen auch noch gelungene Gags abzutrotzen.

Wir sind dabei wie Astalos fast Fix-und-Foxi-Zeichner geworden wäre, wenn Rolf Kauka nicht seinen Verlag verkauft hätte und in die USA abgedampft wäre. Wir erleben, wie Astalos den seinerzeit auch als Erotik-Verleger tätigen Feuerstein kennenlernte. Es sind intime Details über ihre Zusammenarbeit zu erfahren, die regelmäßig in Frühjahrsdepressionen mit Selbstmordplänen gipfelte.

Sehr kleinformatig zum Abdruck kommen dabei auch Arbeitsproben aus allen Schaffensphasen von Astalos, der nicht nur für MAD einige Folgen von Spion & Spion zeichnete, sondern auch Entwürfe zu den Titelbildern von 150 Ausgaben von Micky Maus und den Lustigen Taschenbüchern anfertigte.
Die Autobiografie von I. Astalos kann hier direkt beim Erzeuger bestellt werden, auf Wunsch auch mit einer schönen Zeichnung wie dieser hier. Das Buch ist aber auch bei Splitter unter dem Titel MADige Zeiten: Eine satirische Autobiografie als ein um vier Seiten ergänzter doppelt so großer Hardcoverband erschienen.

Heiner Lünstedt

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Lucky Luke: Letzte Runde für die Daltons

Auch in ihrem nach Das gelobte Land, Ein Cowboy in Paris, Fackeln im Baumwollfeld und Rantanplans Arche fünften gemeinsamen Comic haben der Zeichner Achdé und der Szenarist Julien Berjeaut alias Jul, wieder ungewöhnliche Dinge vor mit dem Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten. In Letzte Runde für die Daltons soll er dafür sorgen, dass die verzweifelten deutschstämmigen Bewohner von Neumünchen wieder mit Bier versorgt werden.

Hierzu bricht Lucky Luke in die Brauerei-Metropole Milwaukee auf und versucht den Streik der für den Bierbaron Frederick Martz (bei dem es sich um eine Karikatur des 1836 in Thüringen geborenen US-Unternehmers Johann Gottlieb Friederich Pabst handelt) tätigen Arbeiter zu beenden. Dabei gerät der Cowboy zwischen die Fronten und Pabst sieht sich gezwungen beim Gouverneur Strafgefangene anzufordern, die für die Martz Brewing Company arbeiten sollen. Damit fangen die Probleme natürlich erst richtig an, auch weil sich unter den neuen gelbschwarz gestreifte Anzüge tragenden Mitarbeitern die Daltons befinden…
In seiner Geschichte kann sich Jul ausgiebig lustig machen, über typisch deutsche Spezialitäten wie Brezn oder Sauerkraut und über Eigenarten wie den weihnachtlichen Tannenbaum oder der Freude an pompösen Wagneropern. Witzig ist es auch, wenn ein deutscher Arzt den Namen des Cowboys mit LAKKI LACK falsch ausspricht, richtig ist natürlich LÜCKIE LÜCK. Einen Gastauftritt hat der 1885 aus der Pfalz eingewanderte Frederick Trump, der den “Pussy Saloon“ leitet und dort „junge Frauen ausbeutet“, also „kein gutes Vorbild für seine Enkel“ ist.
In Sachen Gags funktioniert das bei uns als Band 102 in den Handel kommene Album recht gut. Doch die Geschichte mit Lucky Luke als Schlichter eines Streiks will nicht so recht in die klassische Westernserie passen. Dies gilt auch für die sehr großen Panels, mit denen Achdé das gewohnte „vier Bilderzeilen pro Seite“-Schema von Morris erschreckend häufig aufbricht, möglicherweise um diese Geschichte so zeitsparend wie möglich zu Papier zu bringen.
Jul und Achdé beweisen jedoch auch, dass eine halbseitige Zeichnung eine gelungene Pointe sehr gut unterstützen kann. Auf Seite 42 dieses Albums haben sich die wieder einmal geflüchteten Dalton-Brüder in Jörg, Wilhelm, Jakob und Hänsel umbenannt. Um nicht aufzufallen haben sie sich außerdem durch Sepplhüte und Lederhosen verkleidet. In dieser Aufmachung öffnen die Flüchtigen eine Tür und landen oben auf Seite 44 in einem großen Panel mitten in einer rauschenden Feier von Luck Luke und seinen deutschstämmigen Freunden.
Dieser Moment ist besonders lustig für Fans von Louis de Funès, dessen Film Die Abenteuer des Rabbi Jakob von Jul und Achdé bereits in ihrem Album Das gelobte Land sehr liebevoll zitiert wurde. Letzte Runde für die Daltons hingegen greift eine erinnerungswürdige Szene aus dem im von der deutschen Wehrmacht besetzten Frankreich spielenden Klassiker Die große Sause auf. In diesem Film befinden sich die von de Funès und Bourvil gespielten Charaktere auf der Flucht vor den Deutschen. Auch dieses Duo betritt den falschen Raum und befindet sich plötzlich am denkbar ungünstigsten Ort: Inmitten einer von deutschen Soldaten veranstalteten ausgelassenen Feier.

Alle Abbildungen: © Lucky Luke Comics 2024 by Achdé and Jul / EGMONT EHAPA MEDIA GMBH, Berlin 2024

Wenn genau wie im Kinofilm auch im Comic die Deutschen dann auch noch (höchstwahrscheinlich Ein Jäger aus Kurpfalz) singend auf ihren Stühlen um den Tisch hoppeln, sind für mich alle Schwächen dieses Albums vergessen und große Heiterkeit macht sich breit.

Heiner Lünstedt

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André Franquin: Für die Familie

Kürzlich, am 3. Januar 2024, wäre der 1997 verstorbene André Franquin 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass erschienen bei Carlsen einige schöne Jubiläumseditionen mit Werken des belgischen Comickünstlers, wie etwa den Schwarzen Gedanken, Huba! – Eine Marsupilami-Liebesgeschichte, neu zusammengestellte Geschichten mit Gaston und eine Deluxe-Ausgabe des 1965 im Spirou-Magazin veröffentlichten Comics Die Bravo Brothers, die Franquin selbst für sein bestes Werk hält.

Der All Verlag liefert noch einen sehr schönen Nachschlag, der einen Einblick in das Privatleben von Franquin ermöglicht. Da dieser aufgrund seiner zeitaufwändigen Tätigkeiten am Zeichentisch kaum Zeit dafür fand, um für Familienfeste und andere Anlässe durch die Geschäfte zu ziehen und Geschenke auszusuchen, erledigt er dies von daheim aus. Es geschah, wie seine Tochter Isabelle im Vorwort zu diesem liebevoll zusammengestellten Buch verrät, “mit Pinsel, Feder, Rotring und Kugelschreiber“, aber auch mit Aquarellfarben.
Sie schreibt außerdem: “Beginnend mit zwei einfachen und bescheidenen Gutscheinen für seine Schwiegereltern werden die Zeichnungen schnell zu kleinen grafischen und einfallsreichen Schmuckstücken.“ Das Buch enthält chronologisch geordnet mehr als 60 liebe- und kunstvoll gestaltete Glückwunschkarten, Gutscheine und Menüplatzdeckchen, die Franquin gelegentlich auch aushilfsweise für seine Tochter angefertigt hat.
Diese sind zwischen 1951 und 1990 entstanden. Beim Betrachten der Zeichnungen kann miterlebt werden, wie Franqin als Zeichner reifte und – da auch viele Eigenkarikaturen enthalten sind – sich äußerlich veränderte. Für Isabelle Franquin und wohl auch für jeden Betrachter, drücken diese großartigen Miniaturen “ebenfalls – und vor allem – die tiefe Zuneigung eines Mannes für seine Familie und seine wohlwollende Großzügigkeit aus.“

Heiner Lünstedt

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