Gerne würdest Du allen so viel sagen

Historische Begenbenheiten des letzten Jahrhunderts stehen im Zentrum der sechzehn Comics dieser 320-seitigen Anthologie. Dabei unterscheiden sich die Zeichenstile ebenso stark, wie die Perspektive aus der die während der Pandemie entstandenen Geschichten erzählt werden.

Im ersten Beitrag setzt Hannah Brinkmann faktenreich und in teilweise sehr kleinen Panels in Szene, wie es dem Anwalt Hans Litten 1931 gelang Adolf Hitler bei einer Befragung vor Gericht in die Enge zu treiben und zu blamieren.

Den Abschluss des Buchs bildet der Comic Spannende Zeiten, in dem Anne Zimmermann sehr gut nachfühlbar davon erzählt, wie ihr Vater und ihr Bruder während des Lockdowns langsam zu querdenkenden Wutbürgern mutierten. Sie zeigt aber auch, wie wichtig es ist, Kontakt zu halten und geliebte Menschen nicht aufzugeben.

Nicht minder beeindruckend ist Katharina Greves in Versform erzählte und im Stil eines Kinderbuchs zu Papier gebrachte Moritat Fräulein Herrenmensch, in der kurz und eindringlich dargestellt wird, wie Lieschen Mustermann im Dritten Reich durch den Bund Deutscher Mädel von ihrer Familie isoliert und auf Parteilinie gebracht wurde.

In eine ähnliche aber ganz anders visualisierte Richtung geht Thomas Gilkes schematisch durchgestyltes Handbuch für den angehenden Potentaten, in dem ebenso satirisch wie bitter-wahr darstellt wird, was einen “guten“ Diktator ausmacht.

Till Lukat

Doch auch die restlichen Beiträge von Bianca Schaalburg, Till Lukat, Julia Bernhard, Jakob Hinrichs, Katia Fouquet, Chyżewska, Sheree Domingo, Karochg, Clayton Junior, Nathalie Frank, Oliver Grajewski, Anne Zimmermann, sowie Inga Dreyer & Julia Kluge können überzeugen und zeigen, wie gut sich Comics zur Darstellung historischer oder gesellschaftlicher Zusammenhänge eignen.

Heiner Lünstedt

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Peter Bergting: Drachen und Ungeheuer

Zuletzt gestaltete Peter Bergting für den Klassiker Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren ein – laut Oettinger Verlag – “einzigartiges modernes Cover“. Neben seiner Tätigkeit als Illustrator ist der Schwede auch im Comicbereich tätig. So arbeitete er seit zwanzig Jahren mit Mike Mignola an Serien wie Baltimore oder Frankenstein: New World zusammen und startete mit The Portent eine eigene Fantasy-Serie.

Im Vorwort seines Bildbands Ungeheuer outet sich der 1970 geborene Bergting als Horror-Nerd, den die Bücher von Stephen King und Tobe Hoopers Blutgericht in Texas lebenslänglich prägten und der einen großen Teil seiner Jugend damit verbrachte sich auf die Suche nach Videocassetten mit ungekürzten Versionen von Splatter-Filmen wie Tanz der Teufel oder Hellraiser zu begeben.

Doch Bergting konsumierte nicht nur, sondern zeichnete eigene Versionen von “Geistern, Vampiren, Zombies und anderen Geschöpfen der Finsternis“, wie der Untertitel des Bildbands lautet. Zudem beschäftigte er sich auch mit den literarischen Vorlagen von Dracula oder Frankensteins Monster, sowie den mystischen Welten von H. P. Lovecraft.

All diese Vorlieben packte Bergting in ein Buch, das optisch und inhaltlich eine Pracht ist. Dabei gelang ihm sowohl eine nahezu vollständige Übersicht zu den wichtigsten Horror-Elementen, wie Clowns, Werwölfe oder kopflosen Reiter, aber auch eine durch die eigenständigen Bilder und die anekdotenreichen Texte sehr persönliches Buch.

Vielleicht etwas weniger vielfältig, aber nicht minder faszinierend ist ein zweiter, ähnlich gestalteter Bildband, in dem sich Peter Bergting “von Fàfnir bis Smaug“ mit Drachen beschäftigt. Auch hier gibt es interessante Textbeiträge zur Mythologie aber auch darüber, dass Bergting “hunderte von Drachen, vor allem für das Rollenspiel Dungeons and Dragons“ gezeichnet hat.

Bergting fertigte für das Buch über dreißig Gemälde von den bekanntesten Drachen aus Literatur, Film und Rollenspiel an. Enthalten sind prächtige Bilder von Katla aus Astrid Lindgrens Die Brüder Löwenherz, Fuchur aus Die unendliche Geschichte, Haku aus Chihiros Reise ins Zauberland oder dem Drachen, in dem sich die böse Fee Malefiz in Walt Disneys Dornröschen verwandelt.

Hinzu kommen zahlreichen Entwurfszeichnungen, sowie Abbildungen von bekannten Drachentötern. Einziges Manko ist, dass mit Balerion, Drogon, Rhawgal und Viserion für meinen Geschmack etwas viele Drachen aus Game of Thrones enthalten, zumal es sich dabei – wie deren Schöpfer George R. R. Martin zitiert wird – um “keine richtigen Drachen, das ist sicher“ handelt, sondern laut Bergting um “Wyern, da sie keine Vorderbeine haben“.

Heiner Lünstedt

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Flesh Gordon

Die Erde wird von Strahlen aus dem Weltall attackiert. Panik bricht aus und überall fallen die Menschen übereinander her. Sie wollen sich allerdings nicht umbringen, sondern Sex miteinander haben. Die Sexstrahlen haben ihren Ursprung auf dem weit entfernten Planeten Porno. Dort regiert Kaiser Hodes und lässt von seinem Palast aus die Unheil bringenden Sexstrahlen nur so krachen.

Kinomotiv (D) – 555 Stück

Durch Zufall trifft der Footballstar Flesh Gordon auf den Wissenschaftlers Flexi Juckow, der eine Rakete konstruiert hat. Diese kann durch ihre leicht erigierte Form jedoch nicht leugnen, dass Juckow bei der Konstruktion unter dem Einfluss der Sexstrahlen stand. Juckow, Gordon und dessen Zufallsbekanntschaft Dale Ardor brechen nach Porno auf, um die Erde zu retten.

Flesh Gordon

Diese legendäre Produktion ist unverkennbar ein Produkt der Siebziger. Was den herrlich schmuddeligen Filmspaß veredelt sind die überdurchschnittlichen Spezialeffekte. Von Modellbau über Mattepaintings bis hin zu Stop-Motion im besten Ray-Harryhausen-Stil wird alles geboten. Die Namen der beteiligten Trickexperten, wie Dave Allen (Willow, Ghostbusters 2), Rick Baker (American Werewolf) und Jim Danforth (Kampf der Titanen, Als Dinosaurier die Erde beherrschten) und Dennis Muren (Jurassic Park), der seine Beteiligung am Film erst eingestand, nachdem ihm Beweisfotos vorgelegt wurden, sprechen für sich!

Flesh Gordon

Doch Flesh Gordon ist mehr als die Sex-Version eines bekannten Science-Fiction- und Comic-Helden. Es ist die zugleich eine liebevolle und oft überraschend werkgetreue Parodie auf die Flash Gordon-Serials aus den 30er Jahren und dabei gerade durch seine Pappmaché-Ausstattung sehr viel unterhaltender als der aufwändig produzierte Flash- Gordon-Kinofilm von 1980. Auch die deutsche Synchronisation mit Mr. Spock Herbert Weicker als Hodes und Elmar Wepper als Flesh macht großen Spaß.

Flesh Gordon

Die 1989 entstandene Fortsetzung Flesh Gordon Meets the Cosmic Cheerleaders ist leider längst nicht mehr so komisch wie das Original, das jetzt endlich in ansprechender Bildqualität vorliegt. Zum 50. Jubiläum des Kinostarts von Flesh Gordon veröffentlicht der auf exklusive Heimkino-Editionen spezialisierte Anbieter Turbine ein Mediabook mit vier schönen Variantcovern.

Kinomotiv (F) – 555 Stück

Als Blu-ray-Premiere erscheint der Film erstmals in einer ungekürzten Fassung mit komplettierter Synchro. Eine siebenminütige Doku belegt die Mühe, die sich seinerzeit die Macher der deutschen Version, u. a. durch eingeblendete Anzeigetafeln im Raumschiff mit Texten wie “Maschinʼ nixx gutt…“, gegeben haben.

Kinomotiv (UK) – 222 Stück

Die Edition enthält auch ein kurzes Intro mit Flesh-Gordon-Darsteller Jason Williams, einen wahlweise deutsch untertitelten Audiokommentar vom Regisseur Howard Ziehm, eine 30-minütige deutsche Super-8-Kurzfassung, der US-Trailer, die sehr witzige deutsche Kinovorschau und einen Beitrag zur Reihe “Trailers from Hell“, der vom Stephen-King-Regisseur Mick Garris moderiert wird.

Kinomotiv (J) – 222 Stück

Das Kernstück des Bonusmaterial ist jedoch das 64-seitige Booklet mit toller Bebilderung und einem sorgfältig recherchierten Text von Christian Genzel über die skurrile Entstehungsgeschichte des Films. Hinzu kommt noch “Sex Rays & Stop Motion“ ein trotz der Länge von 135 Minuten sehr kurzweiliges Gespräch mit Christian Genzel und Rolf Giesen.

Es deutet sich an, dass für die Fortsetzung Flesh Gordon Meets the Cosmic Cheerleaders eine ähnlich liebevoll aufgemachte Veröffentlichung geplant ist, die wohl auch Aufnahme in meine Sammlung finden wird.

Heiner Lünstedt

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Jason: Ein Norweger auf dem Jakobsweg

Jasons Erlebnisse als er von St-Jean-Pied-de-Port über Santiago de Compostela bis nach Finisterre auf dem Jakobsweg unterwegs war, sind alles andere als spektakulär. Das trifft auch auf die schwarzweißen, sehr aufgeräumten Zeichnungen zu, mit denen der Norweger seine Erinnerungen in Szene setzte.

Dem Umstand, dass alle seine Protagonisten Tierköpfe tragen, trotzt Jason, einen wirklich guten Gag ab. So wird der anthropomorphe Jason im Comic von einem australischen Pilger gefragt, ob er in dessen Handykamera sprechen und sagen könne, dass er Norweger sei. Da dies auf YouTube gestellt werden, soll lehnt Jason es ab.

In der Nachbetrachtung hält er sich für inkonsequent, weil er diese Begebenheit zwar auf Seite 133 in seinem Comic eingebaut hat, selbst aber nicht gefilmt werden möchte. Doch dann kommt ihm der Gedanke, dass er es zugelassen hätte, wenn ihn jemand gefragt hätte, ob er ihn als einen Hund zeichnen darf, der sagt, dass er Jason aus Norwegen sei.

Trotz seiner simplen Bilder vermittelt Jason sehr viel besser als Harpe Kerkeling in Ich bin dann mal weg oder der Film Dein Weg mit Martin Sheen, was es bedeutet, einige Wochen zu Fuß bei Wind und Wetter unterwegs zu sein, abends in Zimmern voller Etagenbetten zu übernachten und sehr viele Menschen aus aller Welt oft nur sehr oberflächlich kennenzulernen.

Heiner Lünstedt

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Walt Disney: Stolz und Vorurteil

Dass Micky, Donald und Goofy Auftritte in Adaptionen von bekannten Büchern auftreten, ist keine Seltenheit. Dies geschah immer wieder in den Lustigen Taschenbüchern und 2004 spielte das Trio die Hauptrollen in einer Zeichentrick-Version von Alexandre Dumas Die drei Musketiere.

Daher überraschte es nicht sonderlich, dass aktuell ein wunderschön bebildertes Buch erschienen ist, in dem Micky, Donald und Goofy 20.000 Meilen unter dem Meer mit Kapitän Nemo konfrontiert werden. Etwas schade ist, dass dabei nicht auf den von Harper Goff so unvergesslich designten Look des Unterseebootes Nautilus aus der 1954 entstandenen Disney-Realverfilmung von Jules Vernes Klassiker zurückgegriffen wurde.

Bemerkenswert ist auch, dass der im Film als Ungeheuer dargestellte Krake hier unseren Freunden helfend zur Seite steht. Für die Rolle des Kapitän Nemo wurde mit Daniel Düsentrieb eine durchaus passende Disneyfigur “gecastet“.

Zwei zeitgleich bei BÄNG! Comics veröffentlichte Bücher zeigen, wie vielfältig einsetzbar die Freunde und Verwandten von Micky und Donald sind. Die Auswahl der beiden weiteren “disneyfizierten“ Werke überrascht, denn es sind literarische Klassiker, die sich mit großen Gefühlen auseinandersetzen.

So erstaunt es, wie gut Minnie Bennet und Mr. Micksey ihre Hauptrollen in einer zwar simplifizierten aber dennoch den Ton des Originals treffenden 30-seitigen Adaption von Jane Austens Stolz und Vorurteil spielen.

In den Titelrollen der Disney-Version von Louisa May Alcotts Little Women überzeugen Minnie, Daisy und Klarabella nicht minder. Dass dieses Bilderbuch nicht unter dem bei uns bekannten Titel Betty und ihre Schwestern veröffentlicht wurde, dürfte daran liegt, dass Disneys Mäuse und Enten (und Kühe) meist nicht direkt verwandt sind.

So sind in den Bilderbüchern die Little Women Betty, Meg, Jo und Amy keine Schwestern, sondern Cousinen, die nicht bei ihrer Mutter, sondern zusammen mit ihrer Oma (Duck) leben. Auch die fünf Bennet-Kinder sind in Disneys Stolz und Vorurteil keine Schwestern, sondern ebenfalls Cousinen, die auf dem Anwesen ihres Onkels Dagobert leben. Seltsam, aber so steht es geschrieben.

Heiner Lünstedt

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Weird Science

Im Mai 1950 werden wohl nicht allzu viele Comicfreunde traurig gewesen sein, als im zwölften Heft der Serie Saddle Romances keine weiteren Cowboy-Liebesgeschichten, sondern unter dem neuen Titel Weird Science Stories von verrückten Wissenschaftlern und Kreaturen aus dem Weltraum zum Abdruck kamen.

Auch der Titel wurde geändert, denn bei EC-Comics erschien anstatt der zwölften Ausgabe von Saddle Romances urplötzlich das Heft Weird Science # 12. Die Gründe, warum es für William M. Gaines zeitweise preiswerter war, bei einer laufenden Comicreihe den Titel zu ändern, anstatt eine neue Serie an die Kioske zu bringen, sind ähnlich mysteriös, wie so manche der plötzlich im Heft enthaltenen Science-Fiction-Geschichten.

Der SR-Verlag startete The EC Archives mit einem Hardcoverband, der die ersten sechs Hefte der klassischen Horror-Serie Tales from the Crypt enthält. In ähnlicher Aufmachung folgt jetzt der Auftakt der nicht minder bemerkenswerten Reihe Weird Science mit einem Vorwort von George Lucas. In dieser Serie kamen viele der großartig von Wally Wood gezeichneten Science-Fiction-Stories zum Abdruck, die beim All-Verlag bereits in einer schönen Edition veröffentlich wurden.

Doch die Ausgabe vom SR-Verlag hat den Vorteil, dass hier in chronologisch korrekter Reihenfolge verfolgt werden kann, wie sich die EC-Comics entwickelt haben. Der wichtigste EC-Mitarbeiter war zweifelsohne Al Feldstein, von dem viele Titelbilder und Comics stammen. Er hat aber auch häufig Geschichten für andere Zeichner wie Jack Karmen oder Graham Ingels geschrieben.

Ein kurzes Gastspiel als EC-Zeichner gab Harry Harrison, der oft gemeinsam mit Wally Wood Comics zu Papier brachte. Harrison merkte jedoch recht bald, dass er ein sehr viel talentierterer Autor als Zeichner war und daher sehr viel Science-Fiction schrieb, wie etwa den Roman Make Room! Make Room!, der Vorlage des Erfolgsfilms Soylent Green (… Jahr 2022 … die überleben wollen).

Ein Höhepunkt dieser Ausgabe sind sechs Comics, die Harvey Kurtzman gezeichnet und größtenteils auch getextet hat. Kurtzmans Stil war sehr eigenwillig und überschritt häufig die Grenze zur Karikatur, was ihn als ebenso idealen wie genialen Herausgeber des EC-Satiremagazins MAD qualifizierte.

Kurtzman zeichnete mit Verschollen im Mikrokosmos auch die erste in Weird Science veröffentlichte Story. Diese von Al Feldstein geschriebene Geschichte hat große Ähnlichkeit mit der sechs Jahre später von Richard Matheson verfassten Erzählung Die seltsame Geschichte des Mr. C., die Jack Arnold 1957 verfilmte. Es bleibt zu hoffen, dass der SR-Verlag einen langen Atem hat, und die deutschen Comicfreunde mit vielen weitere EC-Meisterwerken erfreuen wird!

Direkt beim SR-Verlag kann unter info@film-boerse.info eine auf 100 Exemplare limitierte und nummerierte Vorzugsausgabe von Tales from the Crypt # 1 mit Druck und einem anderem Cover für 80,- Euro bestellt werden.

Heiner Lünstedt

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Swamp Thing: Geschichten aus dem Sumpf

Comicfreunden muss das Ding aus dem Sumpf wahrscheinlich nicht groß vorgestellt werden. Eine großformatige knapp 500-seitigen Deluxe Edition präsentiert naturverbundene und toll aussehende Comics mit dem “Avatar der Pflanzenwelt“, die zwischen 2016 und 2020 entstanden sind.

Den Auftakt des Bands bildet die Miniserie Swamp Thing: Die Toten schlafen nicht mit der Len Wein nach vier Jahrzehnten zu seiner von ihm liebevoll Swampy genannten Schöpfung zurückkehrte. Die in sechs Heften erzählte Story entwickelte er bereits 30 Jahre zuvor zusammen mit Bernie Wrightson, mit dem er Swamp Thing kreiert hatte.

Als dieser jedoch nicht als Zeichner zur Verfügung stand, hatte DC kein Interesse an einer Veröffentlichung. Doch es gab ein Happy End, denn mit Kelley Jones, von dem die beeindruckenden Titelbilder zu Batman: Knightfall stammen, wurde der optimale Zeichner für Swamp Thing: Die Toten schlafen nicht gefunden.

Für Kelley Jones war Wrightson eine große Inspirationsquelle für seine morbiden Bilder. In Len Weins Story gibt es Gastauftritte von Figuren wie Phantom Stranger, Zantana, Deadman, Spectre oder den von Jack Kirby erfundenen Dämonen Etrigan zu ermöglichen.

Kernstück der ebenso spannenden wie vielschichtigen Erzählung ist jedoch, dass Swamp Thing wieder zu Alec Holland wird. Stattdessen schlüpft der ehemalige FBI-Agent Matt Cable in den Pflanzenkörper und wird größenwahnsinnig…

Len Wein wollte diese Geschichte fortsetzen und bereits kurz bevor er 2017 verstarb den Text zum ersten Heft fertiggestellt. Kelley Jones zeichnete nach den Vorgaben von Wein den Auftakt der neuen Swamp Thing Serie Frühlingserwachen und Michelle Madsen kolorierte diese ersten zwanzig Seiten. Die Sprechblasen fehlen, da Wein kein Lettering-Skript mehr verfasst konnte

Dass es selbst erfahrenen Autoren nicht immer gelingt, Zeichner dazu zu bringen, ihre Ideen verlustfrei in Bilder umzusetzen, belegt der wohl interessanteste Beitrag dieser Collection. Enthalten sind sowohl die textlosen Seiten von Kelley Jones als auch Len Weins Plot-Skript. Dabei fällt auf, dass es Jones – obwohl sehr gut als Zeichner der Figur Swamp Thing geeignet – nicht immer gelingt für die von Wein sehr lebendig beschriebenen Ereignisse die richtigen Bilder zu finden.

Außerdem präsentiert dieser Band einige sehr interessante kürze Comicstories mit Swamp Thing von Künstlern wie Greg Capullo, Brian Azzarello oder Mike Perkins, der danach mit Das Vermächtnis des Grüns eine großartige Miniserie mit Swamp Thing in Szene setzte. Dazu gehört eine von Jason Fabok (Batman: Die drei Joker) sehr stimmungsvoll in Szene gesetzte Geschichte, die den Sumpfbewohner in ungewöhnlicher Umgebung zeigt.

Zusammen mit einem mysteriösen Jungen durchquert Swamp Thing in Die Stimme der Heiligen eine Schneelandschaft. Die Story vom ehemaligen CIA-Mann Tom King (Rorschach) ist ähnlich rätselhaft ausgefallen wie ihr Titel, wurde aber dennoch mit dem Eisner Award prämiert.

Eine Kiste in Form eines Herzen ist die beste Geschichte dieses Bands. Autor Mark Russell und Zeichner Frazer Irving gelingt es auf nur acht Seiten eine schwer zu Herzen gehende Tragödie zu erzählen und diese auch noch mit einem wirklich überraschenden Ende zu versehen.

Das letzte Drittel des Buchs enthält die neun Hefte der Serie Swamp Thing: New Roots, die als ökologisches Epos beginnt und anschließend noch einige Short Stories nachschiebt, in denen Swamp Thing vom Geisterlicht des Sumpfgeistes Fifolet zu Rettungsmissionen geführt wird. Insgesamt handelt es sich um eine sehr abwechslungsreiche Story-Collection, die auch einige großartige Cover enthält und unverzichtbar für alle Freunde des Dings aus dem Sumpf ist.

Heiner Lünstedt

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The Marvels

Im Zentrum des 33. Films des Marvel Cinematic Universe stehen drei Superheldinnen. Da The Marvels jedoch die Fortsetzung zu Captain Marvel von 2019 ist, spielt Kamala Khandie Hauptrolle. Ihr zu Seite stehen Teyonah Parris, die als Monica Rambeau bereits bei Disney+ eine wichtige in WandaVision hatte, während Iman Vellani als Kamala Khan alias Ms. Marvel bereits eine eigene Serie hat.

Auch Regie – Nia DaCosta drehte zuvor den gelungenen Horrorfilm Candyman – und Drehbuch sind fest in weiblicher Hand. Das Trio traf ein paar etwas seltsame kreative Entscheidungen. So gibt es mit Aladna eine Art Musical-Planeten, auf dem die Landessprache Gesang ist und Captain Marvel als Prinzessin verehrt wird.

Hinzu kommt noch ein zweiter Musical-Bezug, denn bei der merkwürdigsten Szene des Films ist Barbara Streisand mit der Schnulze Memory aus Cats zu hören. Was die Katzen dazu im Film anstellen, möchte ich nicht verraten, weil es ohnehin nahezu unbeschreiblich ist.

Zwar verwundert der Verlauf der Geschichte recht häufig, doch es macht Spaß den drei Hauptdarstellern dabei zuzusehen, wie sie sich langsam aber sicher zu einem schlagkräftigen Team formieren und gegen die von Zawe Ashton ebenfalls recht charismatisch verkörperte Kree-Schurkin Dar-Benn antreten. Ein weiteres Plus des Films sind die souveränen Auftritte von Samuel L. Jackson als Nick Fury, die machen albernen Moment neutralisieren.

© 2023 Marvel

Die Blu-ray von Disney enthält neben dem 105-minütigen Film noch dieses Bonusmaterial: Audiokommentar von Nia DaCosta und Spezialeffekt-Künstlerin Tara DeMarco, wie alle Extras, wahlweise mit deutschen Untertiteln, Kurzdoku “Die Verschränkung“ (10:57 min), “Die Produktionstagebücher“ (5:30 min), “Pannen vom Dreh“ (1:59 min), sowie vier zusätzliche Szenen (insgesamt 5:48 min)

Heiner Lünstedt

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Supergirl

Im Streaming-Zeitalter werden immer weniger DVDs und Blu-rays verkauft. Um dennoch Nachschub für die meist nicht mehr ganz jungen Sammler und ihre großen Silberling-Bibliotheken zu produzieren, veröffentlichen von Labels wie Wicked Vision, Turbine Medien oder Plaion liebevoll aufgemachte aber nicht ganz billige Mediabooks, die so manchen Klassiker erstmals auf Blu-ray präsentieren.

Neu aufgelegt werden häufig Filme aus den Achtzigern und oftmals nicht gerade die erfolgreichsten oder “besten“ Werke, sondern eher “Guilty Pleasures“. Ein gutes Beispiel hierfür ist die aufwändig produzierte und mit Stars wie Peter O’Toole oder Mia Farrow prominent besetzte DC-Comicverfilmung Supergirl, die 1984 in den Kinos nicht einmal die Hälfte ihres Budgets von 35 Millionen Dollar einspielte.

Wer wie ich damals im Kino war, wunderte sich über die seltsame Ausrichtung, des im Windschatten der erfolgreichen Superman-Filme mit Christopher Reeve entstandenen ersten großen Kinoauftritts eines weiblichen Superhelden.

Der Film zielte offensichtlich weniger auf Actionfreunde, sondern eher auf junge Zuschauerinnen. Die Produzenten vermuteten, dass diese ganz entzückt wären, wenn zu sehen ist, wie die frisch auf der Erde gelandete kostümierte Heldin an einem Blümchen schnuppert und entzückt vor Freude gen Himmel abhebt.

Ähnlich albern geriet auch der Kern der Handlung, bei dem es zwar irgendwie um die Suche nach der Kraftquelle von Supergirls Heimat Argon City geht, doch hauptsächlich darum, dass sowohl die Heldin als auch die in einer Geisterbahn hausende Hexe Selena (gibt Vollgas: Faye Dunaway) scharf auf den Gärtner Ethan (nunja: Hart Bochner) sind.

Cover A

In diesem nicht gerade geschickt konstruierten Umfeld verpufften leider die wirklich guten Bestandteile des Films. Dazu gehören die großzügig angelegten Studiokulissen von Argon City, die guten oft mit Miniaturkulissen realisierten Spezialeffekte, das heroische Soundtrack-Leitmotiv von Jerry Goldsmith und vor allem die in ihrem Supergirl-Kostüm niemals albern wirkende Helen Slater.

Cover B

Ein optimal aufgemachtes Mediabook bietet aufgeschlossenen und toleranten Filmfans die Möglichkeit sich die guten und die peinlichen Momente von Supergirl in voller Pracht zu Gemüte zu führen. Enthalten sind neben der 93-minütigen deutschen Kinofassung noch zwei mit 124 Minuten (internationale Langfassung) und 139 Minuten (Director’s Cut) deutlich längere, aber nicht wirklich bessere Versionen.

Hinzu kommt ein von Fays Dunaway moderiertes 50-minütiges Making of, sechs Trailer, einige britische TY-Spots, eine 22-minütige selbstlaufende Zusammenstellung von Storyboards, eine Galerie mit 264 Abbildungen von internationalen Werbematerialien (darunter ein lustiges “Cut-Out Paper Doll Book“), sowie ein 20-seitiges Booklet mit einem Text von Christian Heiß, der sich hauptsächlich mit den Supergirl-Comics beschäftigt.     

Heiner Lünstedt

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Riad Sattouf: Esthers Tagebücher 7: Mein Leben als Sechzehnjährige

Nachdem Riad Sattouf seine sechsbändige Serie Der Araber von morgen abgeschlossen hat, geht es noch eine Weile weiter mit Esthers Tagebuch. Diese Reihe startete Sattouf 2015 und veröffentlicht die von ihm als Comic adaptierten Erlebnisse und Beobachtungen eines damals neunjährigen Mädchens aus seinem Bekanntenkreis regelmäßig auf einer Seite des Wochenmagazins L’Obs.

Die auch als animierte TV-Serie umgesetzten Comics will Sattouf bis zum 18. Geburtstag von Esther zeichnen. Bei Reprodukt liegt mit Mein Leben als Sechzehnjährige mittlerweile der siebte Band des Tagebuchs vor. Eshers hier beschriebenen Erlebnisse spielen sich inmitten der Corona-Pandemie ab. Auch der von Donald Trump ausgelöste Sturm auf das Kapitol spielt eine Rolle, wobei Esther “den mit den Hörnern“ für recht attraktiv hält.

Doch die weltpolitischen Ereignisse finden in den Geschichten meist nur im Hintergrund statt. Für die Hauptfigur sind es dramatischere Erlebnisse, wenn sie ohne Bargeld in den falschen Bus steigt oder bei rotzfrechen Mädchen, die nur geringfügig jünger als sie sind, “babysitten“ soll.

Eine große Rolle spielt auch Esthers mehr als problematisches Verhältnis zum anderen Geschlecht. Sie würde viel häufiger Metro fahren, wenn es dort nicht so viele glotzende Männer gäbe, und dass “Hurensohn“ ein Schimpfwort ist, sieht sie gar nicht ein, denn wenn eine Mutter für ihre Kinder auf dem Strich geht, so ist das doch vorbildlich.

So wie es aussieht, folgen noch zwei weitere Alben mit Seiten aus Esthers Tagebuch. Danach wird die junge Dame, die in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, ihr Leben unbeobachtet fortsetzen.

Heiner Lünstedt

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