Genossin Kuckuck

Durch Goldprägung und Goldschnitt suggeriert das neue Buch von Anke Feuchtenberger bereits auf den ersten Blick, das hier keine leichte Kost geboten wird. Parallel zu ihrer Tätigkeit als Dozentin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg arbeitete die Künstlerin dreizehn Jahre lang an Genossin Kuckuck und das 400-seitige Resultat eignet sich nicht zum raschen Binge-Reading.

Während der Lektüre benötigte ich immer wieder kleine Pausen, um nachzuvollziehen, warum die Freundschaft zwischen den – immer wieder komplett anders aussehenden – Freundinnen Kerstin und Effi so problematisch war. Genossin Kuckuck ist teilweise autobiografisch und in einem Künstlergespräch im Rahmen der Comic-Lese-Woche in Dortmund sagte Feuchtenberger sinngemäß, dass in ihrem Leben positive Momente aufbauend waren, während sie negative Erlebnisse künstlerisch aufgearbeitet hatte.

In diesem Sinne ist der Comic eine sehr persönliche unchronologisch geschilderte Chronik vom Erwachsenwerdens in der ländlichen DDR. „Feuchtenbergerowa“ erzählt von der Nachkriegszeit, in der sich Effis Mutter Rosi Gesicht und Zähne mit Schmutz beschmierte, um ihre Attraktivität vor den russischen Befreiern zu verbergen, aber auch von der Aufregung der älteren Dorfbevölkerung über die ständig wachsende Anzahl jugendlicher Demonstranten.

Ursprünglich sollte das Buch “Ein deutsches Tier im deutschen Wald“ heißen, doch inspiriert von Robert Wyatts Song Cuckoo Madame fand Feuchtenberger einen griffigeren Titel. Die chaotisch anmutende Erzählstruktur der 40 Kapitel von Genossin Kuckuck wechselt zwischen Prosatexten und in unterschiedlichen Stilen gezeichneten Comicpassagen. Als Inspiration diente hierbei David Lynchs enigmatischer Dreistunden-Trip Inland Empire.

Auch die zahlreichen Leitmotive des Comics, wie Schnecken, Pilze, Gänse, Wälder, Tümpel, präparierte Tierköpfe, ein sprechender Mülleimer oder Wesen, die auf einer bemalten Teekanne leben, sowie das mysteriöse Plasma-Singen lassen, an die Filmwelten von David Lynch denken.

Genossin Kuckuck ist ein faszinierend vielschichtiges Buch, das seine prächtige Aufmachung mehr als verdient hat.

Heiner Lünstedt

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