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Die Bestie 2

Mit Die Bestie erschien 2020 ein Album, das für die Entwicklung der Figur des Marsupilamis eine ähnliche Bedeutung haben dürfte, wie Emilé Bravos Spirou-Comics für den zuvor kaum charakterisierten belgischen Pagen. Bei Bravo war Spirou Anno 1939 noch ein “junger Tor“ und wurde vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs im Verlaufe eines vierbändigen Epos zur verantwortungsbewussten Identifikationsfigur.

Auch Die Bestie geizt nicht mit finsteren Elementen. Der erste Band beginnt mit einem knapp zwanzigseitigen Prolog. In braunschwarzen Bildern zeigt Frank Pé (Jonas Valentin, Zoo) die düstere Szenerie an Bord des heruntergekommenen Frachters, der exotische Tiere für den Zoo von Antwerpen transportierte. An Bord hat anscheinen eine besonders grausame Bestie nur dadurch überlebt, dass sie sich von dem ebenfalls im Frachtraum befindenden Papageien und Affen ernährte.

Bei der “Bestie“ handelt es sich um einen Artgenossen jenes Marsupilamis, das Spirou und Fantasio 1951 im Comic Eine aufregende Erbschaft im Dschungel von Palumbien entdeckt hatten. Die Bestie spielt kurz danach in Brüssel und konfrontiert ein ungewöhnlich wildes Marsupilami mit dem Jungen François, der sich aufopfernd um geschundene Kreaturen kümmert und zum Entsetzen seiner Mutter Jeanne daheim eine ganze Menagerie beherbergt.

Texter von Die Bestie ist Benoît Drousie, der unter dem Pseudonym Zidrou Comicklassiker wie Rick Master oder Percy Pickwick fortgeführt hat und für den Zeichner Jordi Lafebre die zu Herzen gehenden Geschichten Lydie und Wundervolle Sommer schieb. Zidrou geht nicht eben pfleglich mit dem kleinen François um. Da dessen Vater ein Soldat der deutschen Wehrmacht war, der nach dem Krieg in seine Heimat zurückkehrte, rasieren ihm einige rabiate Mitschüler den Schädel. Ähnliches wiederfuhr nach dem Krieg Frauen, die mit den Besatzern fraternisiert hatten.

Der zweite Band von Die Bestie ist etwas weniger finster. Hierin geht es hauptsächlich um die Suche nach François und dem Marsupilami. Frank Pé gelingen einige turbulent in Szene gesetzte Verfolgungsjagden, aber auch großartige Bilder vom weihnachtlich geschmückten Brüssel. Zu den Schauplätzen gehört jenes Jugendstil-Kaufhaus, das heute das Comicmuseum Centre Belge de la Bande Dessinée beherbergt. Großartig ist auch die auf einer Doppelseite dargestellte Sequenz, in der das Marsupilami auf Hergés Tim trifft.

Alle Abbildungen © Dupuis / Carlsen

Dabei handelt es sich um eine Puppe, die Teil eines Schaufensters ist, das mit Szenen aus Tim und der Sonnentempel dekoriert wurde. Am Rande der spannenden Action erzählt Zidrou aber auch eine zartbittere Liebegeschichte.

Hierin geht es um Monsieur Boniface, den Lehrer von François. Dieser liebenswerte, nicht mehr ganz junge Sonderling erinnert durch seine schrullige Erfindung des zum Lachen anregenden Hilarions an André Franquins Chaoten Gaston. Monsieur Boniface fühlt sich zur Mutter von François hingezogen. Eine Weile besteht hier durchaus Hoffnung und Jeanne scheint die Gefühle des erfinderischen Pädagogen zu erwidern.

Doch dann kommt ihm ein schneidiger Gendarm in den Weg, der nicht nur über Muskelmassen, sondern auch noch über Humor verfügt. Bedauernd muss Jeanne feststellten, dass sie sich – trotz ihrer sehr bitteren Erfahrungen – immer noch zu Uniformen hingezogen fühlt. Was soll man dazu noch sagen?

Heiner Lünstedt

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Tanguy und Laverdure Collector’s Edition 3

Der dritte Band der Collector’s Edition der klassischen Fliegerserie Michel Tanguy enthält die letzten drei der insgesamt acht von Albert Uderzo gezeichneten Alben, die ihre Premiere im Magazin Pilote erlebten. Den Sammelband eröffnet der Zweiteiler Canon Bleu antwortet nicht mehr und Cap Zero, der dramatische Szenen in eisiger Umgebung enthält.

In dieser ansonsten sehr spannend erzählten Geschichte verwundert etwas, dass der Autor Jean-Michel Charlier – der später im Western-Comic Blueberry meist auf der Seite der Indianer stehen sollte – hier mit der arktischen Urbevölkerung teilweise ganz schön rüde umspringt.

Nicht nur schurkische Figuren, sondern auch der Titelheld Mick Tanguy bezeichnen einen Eskimo als “Pelzkittel“, “abgekürzter Walfisch“ oder “Kerzenfresser“. Doch immerhin ist es später ein heldenhafter Inuit, der Tanguy das Leben rettet.

Dass die Serie, die durchaus als Comicgegenstück zu Top Gun bezeichnet werden kann, auch heute noch bestens unterhält, liegt vor allem am bereits Anfang der 60er-Jahre voll ausgereiften Zeichenstil von Albert Uderzo. Dieser zeichnete zeitgleich zur realistisch in Szene gesetzten Fliegerserie auch noch Comicseiten für Asterix und Umpah-Pah. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, dass die frühen Abenteuer von Mick Tanguy auch immer wieder großartig in Szene gesetzte humoristische Einlagen mit dem nicht nur tollkühnen, sondern auch tollpatschigen Piloten Ernest Laverdure enthalten. Mit dieser liebenswerten Figur hat sich Uderzo selbst karikiert.

Ganz im Gegensatz zu den frankobelgischen Fliegercomics Buck Danny oder Dan Cooper geht es in Mick Tanguy nicht nur um die Zurschaustellung von technischem Gerät, sondern neben dem oft in Richtung Slapstick gehenden Humor sind auch die von Uderzo sehr attraktiv zu Papier gebrachten Damen, mit denen sich Laverdure verabredet, eine willkommene Abwechslung zur militärischen Männerwelt.

Daher ist es sehr schade, dass Uderzo 1966 seine Arbeit an Mick Tanguy einstellte. Doch ein Wochenpensum von fünf Comicseiten pro Woche war für ihn nicht mehr zu bewältigen, auch wenn ihm sein Bruder Marcel (Mathias erzählt) bei der Fliegerserie assistierte. Uderzo beauftragte daher Jean Giraud, der damals noch nicht Moebius war, mit einer Probeseite für das letzte Tanguy-Album Piraten des Himmels.

Hier sprang Jean Giraud ein

Diese kam auch in Pilote zum Abdruck, doch Uderzo ahnte schon, dass Giraud kein großes Interesse daran hatte, Flugzeuge zu zeichnen und teilte ihn eine Seite ohne Luftkämpfe zu. Statt Giraud übernahm schließlich Jijé (Jerry Spring, Valhardi) die Serie.

Erstes Album von Jijé

Dieser Band enthält ein interessantes Interview mit Uderzo, der es für keine gute Idee hielt, dass Jijé das Aussehen von Mick Tanguy und Ernest Laverdure änderte, damit sie mehr den Darstellern Jacques Santi und Christian Marin (Der Gendarm von Saint Tropez) ähneln, die deren Rollen seinerzeit in der erfolgreichen TV-Serie Les Chevaliers du ciel spielten.

Diese ist heute schon lange vergessen, während die Comics – wie Egmonds Collector’s Edition und deren bereits vergriffenen Vorgänger belegen – auch heute noch ihr Publikum finden.

Heiner Lünstedt

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Uli Oesterle: Vatermilch 2

Die dreijährige Wartezeit auf den zweiten Vatermilch-Band hat sich gelohnt. Weiterhin verknüpft Uli Oesterle (Hector Umbra, Kopfsachen) kunstvoll Spekulationen über das Leben seines in die Obdachlosigkeit abgetauchten Vaters mit – immer, wenn das Schwarzweiß um die Schmuckfarbe Lila ergänzt wird – Elementen aus seiner eigenen Biografie.

Der fiktive Vater heißt im Comic Rufus Himmelstoss und der ersten Band beschreibt in erster Linie den Hochmut vor dem Fall dieses einstmals erfolgreichen Handlungsreisenden in Sachen Markisen. Doch da er stärker als am Verkauf daran interessiert war, seine Kundinnen zu verführen und zudem noch im Münchner Nachtleben den dicken Maxen markierte, verschuldete er sich so stark, dass er Frau und Sohn nicht mehr ernähren konnte.

“Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss“, so der Titel des ersten Bandes, gipfelten in einen von der Hauptfigur verursachten Unfall mit Todesfolge und Fahrerflucht. Der Fortsetzung hat Oesterle den Titel “Unter der Oberfläche“ gegeben und er arbeitete hier auch Erlebnisse ein, die er 2016 bei einem dreitägigen “Selbstversuch“ in der Obdachlosigkeit sammelte.

Während er auf der Straße und unter den Brücken lebt, lernt Himmelstoss den ebenfalls nicht sesshaften Börni kennen, der sein Leben recht gut im Griff hat. Björni bringt Himmelstoss ins Grübeln, als er meint, dass es jedem passieren kann, dass er einen Teller runterwirft, doch wenn er die Scherben liegenlässt, dann ist es “etwas ganz anderes. Das ist schlechter Stil.“

Rufus Himmelstoss versucht daraufhin die Scherben seines Lebens einzusammeln. Er beginnt seine Exfrau finanziell zu unterstützen und versucht einen zuverlässigen Lebensabschnittspartner aufzutreiben. Auch Himmelstoss scheint etwas Lebensglück zu finden, doch seine Angebetete ist ausgerechnet eine ehemalige Polizistin, die einst gegen ihn in Sachen Fahrerflucht ermittelte…

Auch weil Uli Oesterle noch zwei weitere Vatermilch-Bände zeichnen und erzählen möchte, wird es für Rufus Himmelstoss wohl so bald kein Happy End geben. Für die Leserinnen und Leser ist dies jedoch ein Segen, denn was Oesterle auch diesmal wieder an grafischer und erzählerischer Brillanz abfeuert, ist nicht nur innerhalb der deutschsprachigen Comiclandschaft einmalig.

Heiner Lünstedt

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Loriot: Er lebe hoch!

Als am 22. August 2011 Vicco von Bülow alias Loriot verstarb, wird wohl kaum jemand “Ach, ach was“ gedacht haben, sondern es eher bedauert haben, dass hier jemand von uns gegangen ist, der immer wieder bewiesen hat, dass es fernab vom Herrenwitz so etwas wie deutschen Humor gibt. Doch zum Glück hat Loriot uns sehr viel hinterlassen: Zum Beispiel die zwei Herren in der Badewanne, das schief hängende Bild, die Nudel an der Nase, den Lotto-King Erwin Kindemann, Opa Hoppenstedt, ein Klavier, ein Klavier sowie Wum und Wendelin.

59 CartoonistInnen und AutorInnen feiern in diesem Buch den 100. Geburtstag von Loriot. Das Cover stammt von Rudi Hurzlmeier, der dazu anmerkt: “Dieses Bild hat Loriot offenbar recht gut gefallen – sein Verleger schenkte ihm das Original zum 70ten und er schrieb mir danach, dass er es sich vor dem Spiegel gehängt hat.“

Das quadratische Buch enthält auf 100 Seiten neben amüsanten Texten von Otto Waalkes, Harpe Kerkeling und Thomas Gsella, einige teilweise sehr originelle Varianten von Loriots Klassikern. Katharina Greve lässt schickt den Papst unter dem Motto “Pappa Ante Portas“ zum Krämer: “Mein Name ist Ratzinger und ich kaufe hier ein.“

André Sedlaczek vermute manchmal, dass Olaf Scholz von Loriot gesprochen wird. Bei Uli Doring erklärt ein Kunstpfeifer, dass er “schon auf die Krönung der Queen, auf die Unno und den Weltklimagipfel gepfiffen hat.

Was besonders stark bei diesen Cartoons auffällt, ist, dass es kaum einem der beteiligten Kreativen gelingt Loriots Figuren “richtig“ zu zeichnen (und das liegt nicht nur daran, dass viele Beteiligte versuchen einen eigenen Stil zu pflegen).

Dadurch wird klar, dass Loriot nicht nur als der Verfasser von unvergesslichen Gags oder als grandios wandlungsfähiger Schauspieler, sondern auch als Zeichner eine Ausnahmebegabung war.

Heiner Lünstedt

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Rorschach

Alles was in den letzten Jahren bei DC an Trittbrettfahrer-Comics zum Meilenstein Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons veröffentlicht wurde, konnte zwar optisch durchaus überzeugen, inhaltlich jedoch keineswegs. Bei der neuen Rorschach-Serie (in einem schwächeren Beitrag zur Reihe Before Watchmen versuchten sich bereits Brian Azzarello und Lee Bermejo an der wohl beliebtesten Figur des Klassikers), drängt sich anfangs der Gedanke auf, dass die interessante Geschichte von Tom King (Batman/Catwoman) einen besseren Zeichner verdient hätte.

Rorschach
Cover von Lucio Parillo

Rorschach spielt 35 Jahre nach den in Watchmen geschilderten Ereignissen. King, der einst beim CIA arbeitete, zeigt scheinbar sehr viel mehr Interesse an einem verzwickten Kriminalfall, als daran, ganz genau zu zeigen, wie sich die Welt nach der fast vollständigen Zerstörung von New York entwickelt hat. Doch ein Hinweis darauf, dass es gelegentlich Tintenfische regnet, deutet an, dass Zack Snyders Kinofilm in Kings Geschichte keine Rolle spielt, die HBO-Serie von Damon Lindelof hingegen schon.

Cover der Gesamtausgabe

Am Anfang der Comicserie wird gezeigt, wie jemand erschossen wird, der anscheinend in das Kostüm des vor 35 Jahren verstorbenen Rorschachs geschlüpft ist, um ein Attentat zu verüben. Zielobjekt schien der konservative US-Präsidentschaftskandidat Turley zu sein, der gegen den Amtsinhaber Robert Redford antritt. Unter der Rorschach-Maske steckt William Myerson, der einst große Erfolge mit einer Piraten-Comicserie feierte.

Rorschach

Ein Polizist, dessen Namen der Leser nicht erfährt, versucht herauszufinden, wie der erfolgreiche aber vereinsamte Autor Myerson zum gewaltbereiten Kriminellen wurde. Dabei blickt Tom King tief in menschliche Abgründe und erzählt von einem scheinbar banalen Ereignis (ein verunglücktes Date), das Jahrzehnte später tödliche Folgen hat.

Rorschach

Zwar greift der spanische Zeichner Jorge Fornés, in seinem auf den zweiten Blick gar nicht mehr so nüchtern wirkenden Artwork, gelegentlich auf das fast schon patentierte “9 Panels pro Seite“-Artwork von Dave Gibbons zurück, doch ansonsten hält sich Rorschach mit visuellen Anspielungen auf den Comic-Klassiker Watchmen ziemlich zurück (und zum Glück wird auch auf Prosa-Einlagen verzichtet).

Brian Bolland

Doch die Virtuosität mit der Alan Moore eine auf mehreren Zeitebenen spielende Geschichte erzählt, war zweifelsohne eine Inspiration für diesen sehr eigenständigen Watchmen-Comic. Panini veröffentlichte die aus 12 US-Heften bestehende Miniserie in vier übergroßen Hardcover-Bänden.

Entwürfe von Jorge Fornés

Anschließend erschien eine etwas kleinformatigere Gesamtausgabe, die einen sehr interessanten Anhang enthält. So sind zahlreiche Variant-Cover zu bestaunen. Darunter ein Motiv von Brian Bolland, mit dem er sein ikonisches Titelbild von Batman: Killing Joke variiert. Es ist aber auch unglaublich, wie viele fantasievolle Coverentwürfe Jorge Fornés angefertigt hat.

Heiner Lünstedt

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Tébo: Der Schlumpf, der vom Himmel fiel

Gemeinsam mit Cosey (Auf der Suche nach Peter Pan), Régis Loisel (Peter Pan) sowie Nicolas Keramidas & Lewis Trondheim (Texas Cowboys) wurde 2018 auch ein gewisser Tébo ausgewählt, um für den französischen Verlag Glénat Comic-Geschichten mit Micky Maus in seinem sehr individuellen Stilen zu zeichnen. Tébo gelang mit Die jungen Jahre von Micky eine stilistisch und inhaltlich völlig durchgeknallte Parodie auf Abenteuercomics aus dem Hause Disney.

Bei Tébo handelt es sich um den 1972 im französischen Caen geborenen Frédéric Thébault, der bei uns durch seine Serien Samson & Neon und Raowl bekannt ist. In seiner Heimat ist Tébo eine große Nummer und zeichnete die von Zep (Titeuf) getexte Superhelden-Parodie Captain Biceps, von der in Frankreich pro Album 70.000 Exemplare verkauft wurden.

Jetzt hat sich Tébo eines weiteren Comicklassikers angenommen und bringt auch hier frischen Wind in eine etwas unauffällig dahin dümpelnde Serie. Sein Album Der Schlumpf, der vom Himmel fiel überrascht durch eine ebenso spannende wie schreiend komische Geschichte, an der auch Schlumpf-Papa Pierre Culliford alias Peyo seine Freude gehabt hätte.

Quasi aus blauem Himmel taucht plötzlich mitten im kleinen Dorf ein Schlumpf auf, der keine Ahnung hat, woher er kommt. Auch mit der Sprache der blauen Wichte hat er große Probleme. Der Inkognitoschlumpf hält eine “Schlumpfe“ für eine Fliege und einen “Schlumpf“ für einen Stein. Doch zum Aklimatisieren bleibt wenig Zeit, denn der neue Schlumpf bricht zu einer Expedition voller Abenteuer und überraschender Begegnungen auf.

Wer schon einmal versucht hat, einen Schlumpf im Peyo-Style zu zeichnen, wird feststellen, dass dies gar nicht so einfach ist. Tébo stellt sich diesem Problem gar nicht erst. Er verpasst seinen Schlümpfen seltsame Nasen und eine rotzige Optik, die bestens zum am Rande der Parodie angesiedelten 54-seitigen Abenteuer passt.

Heiner Lünstedt

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Marvel Comics Library – Silver Surfer

Taschen feierte bereits die ersten Comicauftritte von Spider-Man, den Avengers, den Fantastic Four und den X-Men in überformatigen Büchern ab. Hierbei handelt es sich Comics aus den frühen Jahren mit den von Jack Kirby gezeichneten ersten Abenteuer der ganz großen Marvel-Helden, die auch heute noch im Comic und im Kino ihre Abenteuer erleben.

Taschens Band über den Silver Surfer enthält nicht die ersten Comics mit dieser faszinierenden Figur. Seinen ersten Auftritt hatte der galaktische Weltenreiter 1966 in Heft 48 der Serie Fantastic Four. Um seinen Heimatplaneten Zenn-La vor der Zerstörung durch Galactus zu schützen, trat er in dessen Dienste. Fortan suchte er nach Ersatz-Nahrung für das sich von Planeten ernährende Wesen.

Erster Auftritt in Fantastic Four 48

Ab August 1968 erhielt der Silver Surfer eine eigene Serie, die von Stan Lee geschrieben und von John Buscama gezeichnet wurde. Ein zentrales Motiv war, das Entsetzten, dass der Silver Surfer über das nur selten humane Verhalten der Menschheit empfindet.

Der Taschen-Band enthält alle 18 Hefte der Serie, wobei letzteres von Jack Kirby gezeichnet wird. Dieses ist nicht gerade der krönende Abschluss, der Serie, denn der sich an Hal Foster (Prinz Eisenherz) und Burne Hogarth (Tarzan) orientierende John Buscama arbeitet in einen sehr viel feineren und detaillierteren Stil als der sehr viel gröber arbeitende Kirby.

Als Vorwort enthält dieser Band einen Text von Sal Buscema, der sehr häufig die Zeichnungen seines Bruders geinkt hatte und dessen Kunstfertigkeit in den höchsten Tönen lobt. Diese kommt dank des Überformat von 28 x 39,5 cm bestens zur Geltung. Zum Abdruck der Titelbilder und Backcover wurde Hochglanzpapier und für die Innenseiten Offsetpapier mit matter Oberfläche verwendet.

Als Anhang gibt es noch eine praktische Übersicht mit “Storylines & Credits“. Hier ist zu erfahren, wer an den jeweiligen Heften mitarbeitete. Hinzu kommen Inhaltsangaben und jeweils eine Übersicht darüber, wer in den jeweiligen Heften seinen ersten Auftritt im Marvel-Universum hatte.

Die 18 Comichefte sind in englischer Sprache enthalten, inklusive der ebenfalls recht amüsanten Leserbriefseiten und Werbeanzeigen, Bei den ersten sieben Heften fehlt leider, die darin ebenfalls enthaltene Comicserie Tales oft the Watcher. Doch ansonsten ist auch dieser Prachtband, die perfekte Möglichkeit, um die Faszination der frühen Marvel-Comics zu vermitteln und zu feiern.

Heiner Lünstet

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Reinhard Kleist: Johnny Cash

Als Reinhard Kleist 2005 den Trailer zum Kinofilm Walk the Line sah, hatte er seine Comicbiografie über Johnny Cash bereits komplett vorgezeichnet und dachte: “Ach du Scheiße, da macht ja einer genau das Gleiche wie ich!“ Auch Regisseur James Mangold (Indiana Jones V) setzt Cashs Auftritt im Gefängnis Folsom, der 1968 dessen Comeback einleitete, als große Klammer für sein Biopic ein.

Doch insgesamt hat der Film nur wenig Gemeinsamkeiten mit Kleists Comic. Mangold konzentriert sich auf Cashs Liebesgeschichte mit June Carter sowie einen wohl eher frei erfundenen Vater-Sohn-Konflikt. Reinhard Kleists erzählerischer Ansatz hingegen geht stärker in die Tiefe, wobei jedoch bedacht werden muss, dass ein Comic episodenhafter als ein (kommerziell orientierter) Film sein darf.

Reinhard Kleist: Cash - I see a Darkness

Als Johnny Cash im Folsom State Prison auftrat, sang er auch ein Stück namens Greystone Chapel. Diesen Song hatte ihm am Tag vor dem Konzert der Gefängnisgeistliche überbracht und er stammt von Glen Sherley, der in Folsom wegen einiger bewaffneter Raubüberfälle einsaß. Diesen Häftling setzt Kleist als Erzähler ein.

Einen zusätzlichen Reiz erhält der Comic dadurch, dass einige Songs wie I shot a Man in Reno just to watch him die oder A Boy named Sue sehr stimmungsvoll als Comic-Shortstories umgesetzt wurden. Doch all dies wäre nur die halbe Miete, wenn Reinhard Kleist (Der Boxer. Der Traum von Olympia) nicht ein derart begnadeter Schwarzweiß-Zeichner und Bild-Erzähler wäre.

Während sich Comicbiografien (genau wie Comics zum Film) meist darauf konzentrieren, die Hauptfiguren möglichst realistisch abzubilden, beschränkt sich Kleist nicht darauf markante Situationen aneinander zu reihen, sondern bietet eine ebenso spannende wie eigene Version.

Nach 17 Jahren erscheint der Comic in einer gebundenen Neuausgabe, die sich im Bücherregal gut neben Kleists im selben etwas größeren Format veröffentlichten Comicbiografien zu David Bowie und Nick Cave macht. Diese Edition verfügt über einen Anhang mit zahlreichen farbigen Illustrationen.

Wichtiger ist jedoch, dass Kleist seinen Comic jetzt mit einer Schmuckfarbe versehen hat, die ich als leicht grünliches Ocker bezeichnen würde. Dies geschah allerdings nur bei den biografischen Passagen und nicht bei den als Comics adaptierten Songs. Diese Neubearbeitung macht den ohnehin schon großartigen Comic noch lesenswerter!

Heiner Lünstedt

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Der kleine Perry: Das Geheimnis des Wanderplaneten

Lange bevor Captain James T. Kirk 1966 ins All flog, war er schon da: Perry Rhodan. Ziemlich genau auf den Tag genau am 8. September fünf Jahre früher startete Perry Rhodan mit der Rakete Stardust ins All. Der Science-Fiction-Heftserie, die seitdem ununterbrochen wöchentlich als Heftroman erscheint, folgten im Jahr 1968 erste Comichefte.

Bis heute sind weit über 3000 Romane in der ersten Heftromanserie erschienen und nun gibt es auch einen Comic für junge Leserinnen und Leser. Hierin ist der kleine Perry zusammen mit seinem Mausbiber Gucky mit dem Bus in die Wüste von Nevada gereist um sich den Start der Mondrakete „Stardust“ anzuschauen.

Schließlich hat seine Mutter Mary die Rakete und den Librotron-Antrieb gebaut. Doch ehe er sich versieht sind er und Gucky plötzlich an Bord der Rakete und der Countdown beginnt – die Rakete hebt ab Richtung Mond. Doch der Flug endet für Perry und die Crew mit einer Notlandung auf dem Erdtrabanten. Ebenso wie zuvor das Raumschiff Aetron vom Planeten Arkon, welches in einer Forschungsmission unterwegs ist. Beide Flugobjekte wurden von einem rätselhaften grünen Licht zur Landung auf dem Mond gezwungen.

Prinzessin Thora von Arkon – etwa gleich alt wie Perry – und ihr Onkel Crest sind die Passagiere von Aetron. Sie sollen das Geheimnis des Wanderplaneten lüften, der von einem hyperintelligenten, körperlosen Geistwesen bewohnt wird. Hierzu muß die neu formierte Gemeinschaft aus Menschen und Arkoniden sieben schwere Aufgaben lösen Eine spannende Jagd nach Antworten beginnt. Die Schlüsselrolle beim Lüften dieser Geheimnisse kommt dem Mausbiber Gucky zu, der erst am Ende der Geschichte seinen Freunden all seine Fähigkeiten präsentiert und seinen Ursprung bekannt gibt.

Die beiden mit allen Perry-Rhodan-Wassern gewaschenen Spezialisten Olaf Brill und Michael Vogt präsentieren für Klein und Groß, Alt und Jung, eine spannende und schlüssige Coming-of-Age-Story für den Science-Fiction-Charakter der allerersten Stunde. Der Autor Brill zeichnet sich verantwortlich für mehrere Hefte der Perry Rhodan-Miniserien und Michael Vogt ist ein versierter Zeichner diverser Science-Fiction-Comics Mark Brandis, sowie unzähliger Cover und Illustrationen aus dem Perry-Rhodan-Universum.

In Der kleine Perry versucht der Hauptprotagonist, Konflikte friedlich zu lösen, dies passt durchaus zum Grundtenor der Perry-Rhodan-Hefte. Eine starke Botschaft, die immer aktuell ist und gerade in Zeiten wie diesen gehört werden sollte ist, dass das friedliche Miteinander aller Menschen, Außerirdischen und anderen Lebensformen immer besser ist, als das Lösen von Problemen mit Gewalt.

Für 2024 ist Band 2 angekündigt: Im Reich der 42 Welten.

Norbert Elbers

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Asterix: Die weiße Iris

Eigentlich war es eine gute Nachricht, als Jean-Yves Ferri antrat, um die künftigen Asterix-Alben zu texten, denn dieser hatte mit seiner Serie Die Rückkehr aufs Land bewiesen, dass er humortechnisch eher an René Goscinny heranreicht als Albert Uderzo. Doch warum auch immer, so richtig gut war weder Asterix bei den Pikten, Der Papyrus des Cäsar, Asterix in Italien, Die Tochter des Vercingetorix noch Asterix und der Greif.

Da sich kaum jemand über Didier Conrads traditionsbewusstes Artwork aufregt, blieb dieser als Asterix-Zeichner an Bord. Das Texten des neuen Albums übernahm der bei uns kaum bekannte Fabrice Caro alias Fabcaro, dessen Comic Zaï zaï zaï zaï sich in Frankreich knapp 200.000-fach verkaufte und verfilmt wurde. Der neue Autor orientierte sich bei Die weiße Iris am Klassiker Streit um Asterix. Auch wil ein mit großer Geisteskraft gesegneter Intrigant die Gallier im Auftrag von Cäsar beeinflussen und schwächen.

Der äußerlich an den Philosophen und Journalisten Bernard-Henri Lévy erinnernde Visusversus (im Original Tulius Vicévertus) hat die Lehre der weißen Iris vermittelt, die nur frohe Botschaften verkündet. Großen Erfolg hatte Visusversus als Armee-Medicus bei den kampfesmüden Legionären, die dank seiner Sonderbehandlung alles positiv sehen und gerne in die Schlacht ziehen. Dies ist bei den mit ihrem Zaubertrank gesegneten Gallier zwar nicht nötig, doch Visusversus verbreitet im Dorf seine Lehre des positiven Denkens. Dadurch sind die Gallier den ganzen Tag damit beschäftigt, sich so zu verhalten und alles so zu formulieren, dass es niemanden verletzt.

Die derart geschwächte Dorfbevölkerung lässt sogar ohne Gegenwehr ein Konzert von Troubadix über sich ergehen und applaudiert bei dessen Hits Tote Hosen nach Athen oder Claudius hat einen Schäferhund. Doch Asterix, Miraculix, Majestix und sogar Obelix ist der römische Guru nicht geheuer. So sieht sich Visusversus gezwungen die Häuptlingsgattin Gutemine nach Lutetia zu locker, damit sie Cäsar als Geisel dienen kann…

Es ist sicher unfair die erste Asterix-Geschichte von Fabcaro mit dem 15. Gallier-Album von Goscinny zu vergleichen, doch es sei festgestellt, dass die Manipulationen von Visusversus nicht bei mit der Eleganz eines Tullius Destructivus mithalten können. Doch das neue Album geht in die richtige Richtung. Die Geschichte spielt nicht – wie etwa der letzte Kinofilm Asterix & Obelix im Reich der Mitte – in exotischer Fremde, sondern nutzt das europäische Potential der Serie. In Conrads Panels und Fabcaros Sprechblasen wimmelt es nur so von Details und Buchstaben, ohne dass dadurch ein humoristischer Mehrwert entsteht. Doch der Comic orientiert sich am Zeitgeist und dürfte Menschen, die etwas zu vorsichtig und rücksichtsvoll durchs Leben gehen, eher zum Nachdenken anregen als verärgern.

Alle Abbildungen: © 2023 LES ÉDITION ALBERT RENÉ / GOSCINNY – UDERZO

Ein überraschendes Kabinettstück ist zudem noch der pferdebespannte „Eilkarren Thalix“, der Lutetia wegen „Wildschweinen auf der Strecke“ mit erheblicher Verspätung erreicht und dessen Rückfahrt “aufgrund eines beschädigten Hufeisen“ erst am nächsten Tag stattfindet.

Heiner Lünstedt

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