Blake und Mortimer: Acht Stunden in Berlin

Während die Serie Tim und Struppi mit dem Tode ihres Schöpfers Hergé ebenfalls zu Grabe getragen wurde, erleben die Comicfiguren von dessen einstigen Assistenten Edgar P. Jacobs immer wieder neue Abenteuer, wobei Blake und Mortimer allerdings nicht in unserer Gegenwart angekommen sind.

Im 29. Album der Serie agieren sie 1963 vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Hierbei fällt auf, wie sorgfältig die erstmals in die Fußstapfen von Jacobs tretenden Autoren José-Louis Bocquet und Jean-Luc Fromental die damaligen politischen Verhältnisse recherchiert und thematisiert haben.

Professor Philip Mortimer reist nach Russland ins Uralgebirge, um seiner alten Freundin Olga Mandelstam beizustehen, die bei archäologischen Ausgrabungen auf sieben Särge mit Leichen gestoßen ist, denen die Gesichtshaut abgezogen wurde. Captain Francis Blake hingegen wird in der Schweiz mit den Streitereien der Westalliierten über die neue Weltordnung und dem zweifelhaften westdeutschen Geheimdienstler Reinhard Gehlen konfrontiert.

Dies alles ist spannend und realitätsnah erzählt, wobei auch die schönen Ligne-Claire-Bilder von Antoine Aubin überzeugen. Für den neuen Band spricht auch der gelegentlich aufblitzende Humor, sowie die dezent knisternde erotische Spannung zwischen Mortimer und Olga Mandelstam.

Erst auf Seite 21 gerät der Comic etwas aus dem Ruder, wenn einmal mehr Blake und Mortimers Dauer-Nemesis Olrik als Strippenzieher eines nur bedingt glaubhaften diabolischen Masterplans präsentiert wird.

In Berlin laufen die Fäden schließlich zusammen. Vor dem Hintergrund des achtstündigen Besuchs von Präsident John F. Kennedy im Westteil der geteilten Stadt rollt ein wahnwitziges Finale ab, das nur bedingt zum sorgfältig aufgebauten Beginn des Albums passt, dafür aber in der Tradition der schillernden Abenteuer von Edgar P. Jacobs steht.

Heiner Lünstedt

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Rostige Herzen

Der spanische Zeichner José Luis Munuera ist am bekanntesten für seine Arbeiten aus dem Spirou-Universum. Doch Comics, wie seine Adaption von Herman Melvilles Erzählung Bartleby, der Schreiber zeigen, dass er auch anders kann.

Daher verwundert es nur wenig, dass sein neuer Comic optisch und inhaltlich eine prall gefüllte Wundertüte ist. Anfangs gibt es eine bunt kolorierte Adaption einer markanten Szene aus Cyrano de Bergerac. Doch dann wechselt Munueras Zeichenstil, aber auch die Farbgebung von Sedyas.

Rostige Herzen erinnert jetzt an US-Comichefte aus den 50er- und 60er-Jahren, während die Story an humanistische Science-Fiction von Ray Bradbury oder die Roboter-Geschichten von Isaac Asimov denken lässt.

Genau wie den Band Der Kriegsberichterstatter aus der Serie Die Blauen Boys hat Munuera auch Rostige Herzen zusammen mit dem französischen AutorInnenduo Bertrand Escaich und Caroline Roque alias Béka (Rummelsdorf) verfasst. Der Comic scheint in einer verschlafenen US-Kleinstadt zu spielen, die an die Welt von Tom Sawyer denken lässt. Doch die dort wohnenden Menschen lassen sich von sowohl nostalgisch als auch futuristisch wirkenden Robotern bedienen.

Erzählt wird die durchaus herzergreifende Geschichte der kleinen Isea, die ein sehr viel besseres Verhältnis zu ihrer Roboter-Nanny Debry hat, als zu ihrer hartherzigen Mutter. Als Debry plötzlich verschwunden ist, verlässt Isea ihr wohlbehütetes Zuhause und stellt fest, dass die Roboter sehr viel menschlicher sind als ihre Schöpfer.

Diesers Album trägt den Untertitel Debry, Cyrano und ich und ist der erste Band einer Trilogie. Doch gerade dadurch, dass die Geschichte eine runde in sich abgeschlossene Angelegenheit ist, wird Vorfreude auf die Fortsetzung geweckt.

Heiner Lünstedt

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Henk Kuijpers: Franka-Gesamtausgabe 2

Es ist sehr lobenswert, dass der All Verlag eine gebundene Gesamtausgabe der niederländischen Serie Franka gestartet hat. Besonders erfreulich ist, dass die detailreichen Comicseiten von Henk Kuijpers, sowie seine zahlreichen zusätzlichen Illustrationen im leichten Überformat zum Abdruck kommen und dass es eine sachkundige Einführung in die holländische Comicszene von Volker Hamann (Reddition) gibt.

Mittlerweile liegt bereits der zweite Band der Gesamtausgabe vor, der zeigt wie die zuvor durch ihren großen Kopf noch etwas kindlich wirkende Titelheldin langsam zu einer attraktiven Frau heranreift und wie Kuijpers anstatt seiner anfangs noch oft etwas überkonstruierter Geschichten, spannende Abenteuer erzählt, die bei den besten frankobelgischen Serien mithalten können.

Den Auftakt des zweiten Bandes bildet das nett in Szene gesetzte 38-seitige Album Circus Santekraan von 1980, in dem Kuijpers seiner Liebe zum fahrende Volk Ausdruck verleiht. In detailverliebten Bildern erzählt er nicht allzu glaubhaft vom Verwandlungskünstler John Something Smith, der sich in Windeseile in Charlie Chaplin, Winston Churchill oder Stan und Ollie verwandeln kann.

Ein deutlicher Fortschritt ist die 22-seitige Story Das Geheimnis der Sümpfe. Franka wird hierin beim Versuch einer alten Seemanns-Legende auf die Spur zu kommen mit einer riesigen Eule konfrontiert. Kuijpers kann hier so richtig aus dem Vollen schöpfen und in seinem detaillierten Zeichenstil Schiffe, Bauwerke und abenteuerliche Konstruktionen präsentieren.

Dieses Abenteuer wurde 1982 zusammen mit zwei weiteren Geschichten als Album veröffentlicht. Doch Der Saboteur und Der Pyromane sind eher konventionelle und oft etwas unnötig kompliziert erzählte Kriminalgeschichten, die ausschließlich Kuijpers fiktive Großstadt Groterdam als Schauplatz haben. Dieser Band der Gesamtausgabe enthält als Bonus noch ergänzte und überarbeitete Seiten, die Kuijpers für spätere Veröffentlichungen nachgeliefert hat. Diese kommen allerdings recht kleinformatig zum Abdruck.

Den Abschluss bildet der 1983 im niederländischen Comicmagazin Eppo gestartete Zweiteiler Die Zähne des Drachen und Der Untergang des Donnerdrachen. Dieser vielleicht immer noch unerreichte Höhepunkt der Serie steht in der Tradition von Sir Arthur Conan Doyles The Lost World und handelt von einer abgelegenen Gegend, in der immer noch Dinosaurier leben.

Bemerkenswert ist Kuijpers sorgfältig konstruierte Spannungsbogen, der Franka mit zwei weiteren interessanten unabhängigen weiblichen Charakteren konfrontiert. Im Zentrum steht zunächst ein geheimnisvoller prähistorischer Knochen, der nicht so alt ist, wie er sein müsste. Nachdem Franka diesen in einem Trödelladen im Hafenviertel erworben hat, wird sie von der Asiatin Mai Mai verfolgt und weckt den Forschergeist der Paläontologin Ava Adelaar.

Cover der Vorzugsausgabe

Kuijpers erzählt auch von einer nur aus Männern bestehenden Expedition zum Drachenfelsen, die 1936 tragisch scheiterte. Im großen Finale konfrontiert er seine drei Protagonistinnen im Inneren eines Vulkans mit allerlei Ungetümen aus der Urzeit.

Mir fällt kein Spirou– oder Tintin-Album ein, in dem es derart turbulent und spannend zugeht, wie auf den letzten 25 Seiten von Der Untergang des Donnerdrachen!

Heiner Lünstedt

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Florian Julino: Lupo und der Jazz

Bereits mit den liebevoll präsentierten Editionen eines auf Jules Vernes Die geheimnisvolle Insel basierenden Abenteuers des jungen Raumfahrers Mischa und einer Auswahl mit Geschichten von Tom und Klein-Biberherz, die von Walter Neugebauer gezeichnet wurden, erfreute der Ingraban Ewald Verlag die Freunde von Rolf Kaukas Fix und Foxi.

Doch mit dem dritten Band hat der Verlag sich selbst übertroffen. Genau wie auf dem Cover zu lesen ist, enthält das Buch auf 92 Seiten “das BESTE von Kauka-Kultzeichner FLORIAN JULINO“, der auch die Mischa-Version von Die geheimnisvolle Insel zu Papier brachte. Eines der Highlights von Julinos Kauka-Arbeiten ist zweifelsohne eine fünfteilige Reihe, in der sich Lupo bzw. sein Vorfahre Onkel Loupo als Jazz-Virtuose austobt

Durch wild entfesselte Zeichnungen macht der Jazz-Fan Julino die Comicseiten zum symphonischen Erlebnis. Er garnierte die Veröffentlichung seines Comics mit historischen Vignetten und einer amüsanten Landkarte von Jazzland. Beides kommt in diesem schönen Band ebenfalls zum Abdruck.

Titelbild von Julino

Die Jazz-Reihe startete mit zwei Episoden in der ersten Ausgabe des 1964 mit einem Julino-Titelbild veröffentlichten Comichefts Lupo und sollte dort auch fortgesetzt werden. Doch Rolf Kauka änderte die Ausrichtung der Comicreihe und machte einen Abklatsch der Jugendzeitschrift Bravo daraus.

Geschichten über Jazz-Musik passten nicht mehr in diese jetzt Lupo modern genannte Publikation. Doch da Julino seinen Jazz-Comic bereits fertiggestellt hatte, wurde die Fortsetzung 1967 in einem Oster-Sonderheft von Fix und Foxi nachgereicht. Hierzu wurde der Auftakt der dritten Episode auf Ostern getrimmt.

Für die Neuveröffentlichung wurden die Comics von Hilmar Kalaba in Absprache mit Florian Julino digital auf Vordermann gebracht. Auf Wunsch des Zeichners wurden alle österlichen Elemente aus dem Jazz-Comic entfernt. Neben weiteren Comics von Julinos enthält der Band Karikaturen von Musikern und Vignetten zum Thema Jazz, die nicht für Kauka entstanden sind.

Limitierte Variantcover-Ausgabe

Entstanden ist ein interessant zusammengestellter Band, der nach weiteren Veröffentlichungen mit Arbeiten von Julino schreit. Der vielseitige Zeichner hat nicht nur für Kauka gearbeitet. Er textete und zeichnete auch die Strip-Serie Uli für das Fußball-Magazin Kicker oder die Kinderkrimi-Rätselreihe Klara Fall für das Apothekenmagazin Medizini. Wie kürzlich eine Ausstellung des Comicfestival München zeigte, verfügen auch Florian Julinos Pumuckl-Comics über beträchtlichen Charme.

Heiner Lünstedt

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I. Astalos: Buch der Technik

Ab 1975 arbeitete Ivica Astalos regelmäßig als Texter, Ideenautor und Zeichner für die seinerzeit von Herbert Feuerstein gelenkte deutsche Ausgabe des US-Satiremagazins MAD. Neben eigenen Arbeiten zeichnete Astalos auch circa 10 Seiten der Serie Spion & Spion.

Cover der neuen Ausgabe von 2023

Astalos blieb bei MAD an Bord, auch nachdem Feuerstein 1991 bei MAD aufhörte und das Magazin 1998 neu gestartet wurde. Seine in einem lässigen Stil zu Papier gebrachten Beiträge erschienen auch in Schweden, Norwegen, Ungarn und Chile. Sie wurden auch in vier Taschenbüchern veröffentlicht.

Nachdem MAD sein Erscheinen eingestellt hat, machte Astalos einfach im Eigenverlag weiter und stellte Paperbacks mit den Highlights aus seinen MAD-Schaffensphasen zusammen.

2022 veröffentlichte I. Astalos aus gegebenem traurigem Anlass unter dem Titel Zarenthron Geschichten einen Band mit Madiger Satire. Die ebenso bitterbösen wie treffsicheren Cartoons beschäftigen sich mit dem Wahnsinn, den Putin auf die Ukraine losgelassen hat.

Mit Going Mad! hat Astalos außerdem eine Autobiografie in Cartoon-Form veröffentlicht. In seinem bewährten MAD-Stil – angeblich wollte Feuerstein von ihm etwas, das “gut gemeint, aber unsicher im Strich“ ist – gelingt Astalos das Kunststück, nicht nur alle wichtigen Stationen seines Lebens zu thematisieren, sondern diesen auch noch gelungene Gags abzutrotzen.

Aktuell präsentiert Astalos eine Neuauflage des 1979 veröffentlichten MAD Buch der Technik. Das Taschenbuch trägt jetzt den Titel Buch der Technik und auf dem Titelbild fehlt der MAD-Schriftzug und die Visage von Alfred E. Neuwald, die Astalos durch seinen eigenen Kopf ersetzt hat.

Alte Version

Auch die Comicseiten haben einen etwas anderen, cleaneren Look. Astalos meint dazu: „Ich musste alles neu zeichnen, die Originale waren in der Litho verschwunden, wurden wohl vernichtet. Feuerstein hat immer darauf geachtet, dass wir die Originale zurückbekommen, aber da war er machtlos. Und für so was gab es auch keine Entschädigung…“

Neue Version

Doch inhaltlich ist alles beim Alten geblieben. Im Stile seines großen Vorbilds Al Jaffee bietet Astalos irrwitzige Basteleien, um dem Wahnsinn des Alltags etwas entgegensetzen zu können, sowie etliche Vorschläge für kluge Antworten auf dumme Fragen.

So ist der Arzt im Krankenhaus jetzt bestens gewappnet, wenn der Patient fragt: “Benutzen Sie dieses Gerät, um mich am Leben zu erhalten?“ Er könnte antworten; “Nein – wir benutzen es, um ihre genauen Kosten als Privatpatient zu errechnen!“ oder an besonders stressigen Tagen: “Nein – wir benutzen es, um zu messen, wie groß Ihr Sarg werden muss!“

Dieses hilfreiche Taschenbuch, sowie die anderen Werke von Astalos können hier direkt beim Erzeuger bestellt werden. Wer sich auf diese Rezension beruft, dem zeichnet I. Astalos ein ähnlich schönes Bildchen wie das obenstehende in das Büchlein.

Heiner Lünstedt

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Prinz Eisenherz, Jahrgang 2021/2022

Es ist erstaunlich, dass immer noch wöchentlich eine Seite mit den 1937 von Hal Foster geschaffenen ritterlichen Abenteuer von Prinz Eisenherz erscheint. Angeblich wird der hier online zu findende Comic aktuell in 300 US-Zeitungen abgedruckt, doch auf alle Fälle erscheint alle zwei Jahre bei Bocola ein schöner Band mit den neusten Geschichten aus dem Mittelalter.

Bei der Lektüre der in den Jahren 2021 und 2022 entstandenen Seiten 4378 bis 4481 erstaunt, auf welch hohem Niveau die Traditionsserie fortgeführt wird. Die aus poppig kolorierten großformatigen Panels bestehenden Seiten des seit 2012 als Eisenherz-Zeichner tätigen Thomas Yeates sind für die Freunde des sehr viel kleinteiliger arbeitenden Hal Fosters stark gewöhnungsbedürftig.

Doch wer sich auf den aktuellen Eisenherz einlässt, wird es nicht bereuen. Dies liegt in erster Linie an den Texten, die seit 2004 aus der Feder von Mark Schultz stammen. Dieser erzählt den Comic sowohl traditionsbewusst als auch zeitgemäß. In einem noch stärkeren Masse als bei Foster stehen im Zentrum der Geschichten immer wieder starke Frauen.

In diesem Band ist es anfangs die rebellische Rory, deren deren demokratisch Bestrebungung in Reiche Lockbramble bei Prinz Eisenherz auf wenig Gegenliebe stoßen. Interessant ist auch die ausführlich geschilderte Wandlung der einst ausschließlich als Schurkin agierenden Magierin Morgan Le Fay.

Die Schwester von König Arthus versucht zunächst Prinz Eisenherz durch einen magischen Trank in den Wahnsinn zu treiben, was Thomas Yeates zu großartigen Illustrationen mit Fantasywesen anspornt.

Doch nachdem Morgan zweimal von Eisenherz das Leben gerettet wurde, konzentriert sie sich darauf Frauen zu helfen, die von fanatischen Hexenjägern auf Scheiterhaufen verbrannt werden sollen. Unterstützt wird Morgana dabei von Aleta, die ebenfalls über magische Kräfte verfügt.

Doch nachdem Morgan zweimal von Eisenherz das Leben gerettet wurde, konzentriert sie sich darauf Frauen zu helfen, die von fanatischen Hexenjägern auf Scheiterhaufen verbrannt werden sollen. Unterstützt wird Morgana dabei von Aleta, der Gattin von Eisenherz, die ebenfalls über magische Kräfte verfügt.

Abgerundet wird dieser schöne Band wieder durch ein interessantes Vorwort von Uwe Baumann. Der Eisenherz-Übersetzer weist auf Verbindungen zu den klassischen Geschichten von Hal Foster hin. Baumann macht aber auch auf Anspielungen aufmerksam. So ist in einem Panel ein kleiner Charlie Brown versteckt, womit dem Peanuts-Schöpfer Charles M. Schulz gedacht wird, der zum Zeitpunkt als die zugehörige Seite 4478 erschien, seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte.

Heiner Lünstedt

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Spirou & Fantasio Gesamtausgabe, Band 17: Morvan & Munuera

Der siebzehnte Band von Carlsens Gesamtausgabe der Comics mit Spirou und Fantasio widmet sich einem sehr interessanten Kapitel in der Geschichte der Traditionsserie. Als das populäre Duo Tome & Janry nach vierzehn Album immer weniger Interesse daran hatte, Geschichten mit Figuren zu erzählen, die sie nicht selbst geschaffen hatten, konzentrierten sie sich auf ihre eigene Serie Der kleine Spirou.

Die Hauptserie Spirou & Fantasio hingegen pausierte für sechs Jahre, bevor 2004 ein neues Kreativteam mit Flut über Paris einen spektakulären Neustart hinlegte. Der französische Autor Jean-David Morvan und der spanische Zeichner José Luis Munuera (Die Campbells, Bartleby, der Schreiber) sind fasziniert von der bildgewaltigen Erzählweise der Mangas. Sie verpassten dem belgischen Klassiker daher eine neue zeitgemäße Optik.

Ihr erstes Spirou-Album erzählt davon, dass Graf Pankratius Hieronymus Ladislaus Adalbert von Rummelsdorf einmal mehr eine geniale Erfindung gelang. Sein Nebulisator verwandelt Wassermassen in Wolken und diese können aus Dürregebieten fruchtbare Landschaften machen. Doch der Nebulisator wird von einer Jugendliebe des Grafen gestohlen und diese setzt Paris unter Wasser…

Für diesen alle vier Spirou-Alben von Morvan und Munuera enthaltenden Band der Gesamtausgabe spricht – neben den zahlreichen Skizzen und schwarzweißen Originalseiten, die großformatig zum Abdruck kommen – auch, dass es wieder einen einleitenden Text gibt, der sich kritisch mit der Historie der Serie auseinandersetzt.

Das neue Kreativduo rannte bei den Herausgebern nicht gerade offene Türen ein. Dort gefiel der neue Stil überhaupt nicht und an dieser kritischen Sicht änderte auch der Verkaufserfolg der Alben nichts.

Doch Morvan und Munuera blieben hartnäckig und bestanden darauf, die ihnen vertraglich zugesicherten vier Alben fertigzustellen. Nach ihrem zweiten Spirou-Comic Der Mann, der nicht sterben wollte erfüllte sich das Duo einen Herzenswunsch. Zu Recherche-Zwecken reisten sie mehrmals nach Japan, damit sie in Spirou in Tokio ihre Liebe zur Kultur und Geschichte des Landes realitätsnah zum Ausdruck bringen konnten.

Die Geschichte über ein mit sehr starken mentalen Kräften ausgestattetes Geschwisterpaar macht unübersehbare Anleihen beim Manga-Klassiker Akira. Doch auch der japanische Alltag hält realitätsnah Einzug in den Comic. Neben den beträchtlichen Schwierigkeiten im Umgang mit Hightech-WCs spielen auch jene Obdachlosen, die “vor 15 Jahren als die japanische Seifenblasenwirtschaft platzte“ ihre blauen Zelte an einer Uferpromenade aufschlugen, eine tragende Rolle.

Dieser Band enthält auch einen gleichzeitig von Hiroyuki Ooshima realisierten 38-seitigen Spirou-Manga, der die Serie auch in Japan populär machen sollte. Doch nachdem die Verlagsleitung wechselte, wurde diese interessante Idee leider nicht weiterverfolgt. Mit Zu den Ursprüngen des Z realisierten Morvan und Munuera noch einen letzten sehr traditionsbewussten Comic, der 2008 als 50. Spirou-Album veröffentlicht wurde.

Doch es gab noch eine Art Happy End, denn knapp zehn Jahre später kehrte Munuera zurück und beschäftigt sich in Zyklotrop: Die Tochter des Z mit einer Nebenfigur, mit der André Franquin 1959 das Spirou-Universum bereichert hatte.

Heiner Lünstedt

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Bill Finger: Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters

Es war der Autor Bill Finger, der sich das Design des Fledermaus-Kostüms von Batman, dessen tragische Vorgeschichte mit der Ermordung von Bruce Waynes Eltern, sowie Schurken wie den Joker, die Stadt Gotham City und auch den griffigen Beinamen “The Dark Knight“ ausdachte.

Doch als Vater von Batman wurde immer nur der Zeichner Bob Kane genannt. Nur ein einziges Mal – 1966 im Vorspann der von ihm geschriebenen Doppelfolge The Clock King’s Crazy Crimes der TV-Serie Batman mit Adam West – wurde Bill Fingers Name im Zusammenhang mit seiner Schöpfung erwähnt.

Erst ab 2015 ist in den Credits zu Comic und Filmen zu lesen, dass Batman von “Bob Kane with Bill Finger“ geschaffen wurde. Dass dies plötzlich möglich, ist hauptsächlich dem Autor Marc Tyler Nobleman zu verdanken, dem es durch hartnäckige Recherche gelang, eine Enkelin von Bill Finger ausfindig zu machen und diese dazu zu bringen, sich mit DC zu einigen.

Diese Geschichte stand im Zentrum des Dokumentarfilms Batman & Bill, doch bereits zuvor hatte Nobleman einen Comic über das Leben von Bill Finger geschrieben. In Bill the Boy Wonder: The Secret Co-Creator of Batman ließ er den Zeichner Ty Templeton (Jupiter’s Legacy) auf knapp 40 – meist nur aus jeweils einer Zeichnung bestehenden – Comicseiten, die traurige Geschichte des verkannten Comicgenies Finger in Szene setzen.

Jetzt hat sich der in Münster geborene und in New York lebende Autor Julian Voloj der Geschichte angenommen. Dieser verfasste neben dem thematisch verwandten Comic Joe Shuster – Vater der Superhelden auch Comicbiografien zu Marlene Dietrich, Jean-Michel Basquiat und dem ersten deutschen Profi-Fußballer Oskar Rohr.

Geschickt verzahnt erzählt Voloj auf 144 Seiten in Bill Finger: Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters sowohl die Biografie des Batman-Miterfinders als auch die detektivischen Ermittlungen von Marc Tyler Nobleman, der ein Vorwort zum Comic beisteuerte.

Großartig sind auch die Bilder des israelischen Comiczeichners und Karikaturisten Erez Zadok. Somit erfährt Bill Finger auch in Comicform endlich die seinem Lebenswerk angemessene Würdigung!

Heiner Lünstedt

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Wundervolle Sommer 5: Der Ausreißer

1979 ist die alljährliche Urlaubsreise der Faldèraults in der Familienkutsche Mam’zelle Estérel, einem Renault 4L, nach Südfrankreich gnadenlos gescheitert. Der als Comiczeichner tätige Papa Pierre musste noch solange arbeiten, dass seine Familie die sonnigen Tage daheim verbrachte und pünktlich zur Regensaison am Urlaubsziel eintraf.

Um diese Scharte auszuwetzen, will Pierre den Urlaub kurz vor Weihnachten nachholen. Dies stößt beim vierzehnjährigen Sohn Louis auf keinerlei Gegenliebe, denn dieser will unbedingt nach London auf ein Konzert von Pink Floyd und büxt unterwegs aus…

Das klingt nicht sonderlich spektakulär, ist es aber. Beim Album Der Ausreißer handelt es sich um den vorletzten Band der sechsteiligen Serie Wundervolle Sommer, die in unchronologischer Reihenfolge wichtige Momente aus dem Leben der sechsköpfigen Familie Faldèrault erzählt.

Dabei geht es vorwiegend heiter zu, doch auch die Schattenseiten des Lebens werden nicht ausgespart. So arbeitet Pierre mäßig erfolgreich an eigenen Herzensprojekten, überlegt jedoch die Erfolgsserie eines kranken Zeichners zu übernehmen, damit seine Gattin Madeleine nicht mehr als Angestellte einer sehr unangenehmen Chefin in einem Schuhladen arbeiten muss.

Auch diesmal harmonieren der im allerfeinsten frankobelgischen Stil arbeitenden spanische Zeichner Jordi Lafebre und der belgischen Autor Zidrou, die bereits beim Comic Lydie zusammenarbeiteten.

Zidrou macht sich am Rande seiner Wundervolle-Sommer-Aben gerne über die Macken seiner Landsleute lustig. In der als Bonus enthaltenen illustrierten Weihnachtsgeschichte legt er der belgischen Familie Faldèraults diese interessante Frage in den Mund: „Wieso können Babys jede Sprache lerne, sogar flämisch, aber wir nicht?“

Heiner Lünstedt

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Dave McKean: Raptor

Im Zentrum steht der um seine Frau trauernde Schriftsteller Arthur, der im Wales des 19. Jahrhunderts lebt. In einer mittelalterlichen Welt bekämpft Arthur als Falkner Sokół zudem auch noch Fantasy-Ungetüme und wird dabei – so wie es aussieht – gelegentlich selbst zum Raubvogel…

Auf der optischen Ebene kann Raptor voll überzeugen. Die Übergänge zwischen den beiden in komplett unterschiedlichen Stilen und Brauntönen zu Papier gebrachten Welten gestaltet Dave McKean (Batman: Arkham Asylum) als nahezu abstrakte knallbunte Gemälde, die ihm aussagekräftiger geraten sind als viele seiner Dialog-Passagen.

Einmal mehr fordert McKean die Leser durch seine faszinierenden Bilderwelten dazu heraus, zu entschlüsseln, was er zu erzählen hat.

Doch wer herausfinden möchte, worum es in Raptor geht, wird erst nach mehrmaliger Lektüre eine ungefähre Ahnung davon bekommen.

Tatsächlich scheint der Comic bereits beim zweitmaligen Lesen eine komplett andere Geschichte zu erzählen. Die angesprochenen Themen sind vielfältig: Trauer, Liebe, Freundschaft, Tod, Machtpolitik, um nur die offensichtlichsten Komponenten zu benennen.

Limited Variant Edition

Cross Cult hat Raptor in einer sehr schönen großformatigen Hardcover-Ausgabe veröffentlicht. Wer es etwas exklusiver möchte, greife zur Limited Variant Edition. Diese verfügt über ein schlichtes weißes Cover, sowie über das Titelbild der Normalausgabe als Poster-Beilage im Format A2.

Heiner Lünstedt

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